Mitarbeiter fit machen für den Telefonservice

"Klare Ansagen von Begrüßung bis Durchstellen"

Interview mit Johanna Busmann und Johanna BusmannLesedauer: 5 Minuten
In 75 Prozent der deutschen Anwaltskanzleien jeder Größe führen untrainierte Telefonkräfte den Telefondienst aus, während ausgebildete Assistentinnen Schriftsätze tippen und Fristen eintragen. Wie sehr das der Kanzlei schadet, erklärt Anwaltstrainerin Johanna Busmann. Im LTO-Interview gibt sie Tipps, wie Anwälte guten Telefonservice garantieren und Mandanten zufrieden stellen.

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LTO: Frau Busmann, warum machen Anwälte bei ihrem Telefonservice in Kanzleien gravierende, weil geschäftsschädigende Fehler? Busmann: Anwälte können im technischen Sinne schlecht delegieren und im psychologischen Sinne schlecht abgeben. Das liegt leider nicht nur am fehlenden Willen, sondern zusätzlich an der fehlenden Aus- bzw. Fortbildung. Sie haben weder Übung noch Vorbilder in Sachen Mitarbeiterführung. Ein Sammelsurium unüberprüfter Vorannahmen begleitet diese missliche Start-Situation. Johanna BusmannNehmen wir nur ein Beispiel: Wenn in einer Kanzlei mit fünf Anwälten vier unterschiedliche Kalender geführt werden, geht das direkt zu Lasten der Assistentin. Sie hat keine Ahnung, ab wann und wie lange der Anwalt wo zu erreichen ist, muss den Mandanten belügen und sich den ganzen Tag durch Ausreden lavieren. "Er ist gerade nicht am Platz" wirkt spätestens beim zweiten Mal wenig professionell, der Mandant fühlt sich abgewimmelt. Oft ist das sogar so gewollt! Die Begründungen dafür muten egozentrisch und selbstgefällig an: Die Sekretärin  soll schließlich "nicht rauskriegen, wann ich zum Zahnarzt gehe" und "nicht wissen, mit wem ich wie lange zum Mittagessen bin". Das ist nicht nur eine menschen-, sondern auch eine umsatzfeindliche Vorstellung von Selbstorganisation.

"Imageverlust und Geldverschwendung"

LTO: Sie sehen darin unmittelbar umsatzrelevante Probleme? Busmann: Die logischen Konsequenzen sind Imageverlust und Geldverschwendung.  Der Anwalt löst durch sein intransparentes Auftreten eine hektische Telefonitis des Mandanten aus; diese wiederum legt die teuer bezahlte Arbeitszeit der Assistentin nach innen lahm. In der Außenwirkung behindert die verständliche Frustration des immer wieder vertrösteten Mandanten komplett die Akquise: Der verstimmte  Klient wird – statistisch gesehen – seine Unzufriedenheit durchschnittlich 10-fach unverlangt in die Bevölkerung streuen. Anwälte vergessen oft: Wer dem Mandanten keine Lösung bietet, gefährdet das Kanzleiimage. LTO: Wie geht es richtig? Was muss der Anwalt tun? Busmann: Für das konkrete Beispiel heißt das: sofort alle Kalender vereinheitlichen. Ein einziger elektronischer Kalender, in den jeder Anwalt alle "Abwesenheiten" - auch die zur ungestörten Aktenbearbeitung - einträgt, ist Pflicht. Moderne Anwaltssoftware bietet jedem Anwalt diese einfache Möglichkeit inklusive Synchronisation, wenn der abwesende Anwalt unterwegs öfter mal selbst Termine vereinbart. Private Termine werden darin als "graue Zone" mit Anfang und Ende gekennzeichnet - ohne Inhalt, aber mit Information, welchem Anrufer über Mobiltelefon in dieser Zeit Kontakt ermöglicht wird. In kleinen Kanzleien kann eine schlüssige Organisation aber durchaus auch mit einem Papierkalender gelingen.

"'Ich rufe um 16 Uhr zurück' statt 'Jetzt nicht, vertrösten Sie ihn'"

LTO: Damit ist aber noch immer kein funktionierender Telefonservice gewährleistet. Busmann: Wie in jedem anderen Bereich der Organisation gilt auch für den Telefondienst: Die Mitarbeiter brauchen nicht problem-, sondern lösungsorientierte Anweisungen.Im Ärger-Modus abgesonderte Sätze wie "Jetzt nicht, sagen Sie irgendwas" oder "Vertrösten Sie ihn" müssen also ersetzt werden durch klare Ansagen: Wenn der Anwalt jetzt nicht telefonieren möchte, wann dann? Diese genaue Uhrzeit kann die Mitarbeiterin dann an den Anrufer weiter geben.

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2/2: "Verständliche Begrüßung, organisierte Abfrage, professionelle Weiterleitung"

LTO: Wie sieht ein perfekt organisierter Telefondienst aus? Busmann: Mit wenigen konkreten Punkten kann man schon viel verbessern. Natürlich kommt zuerst die Meldung am Apparat: Sie ist in jedem Standort gleich, frisch vorgetragen, deutlich und freundlich ausgesprochen. Der Nachname ist abgesetzt vom Kanzleinamen und dadurch – selbst bei komplizierten Nachnamen – für den anderen verständlich. Die Stimme ist angenehm, ruhig, verbindlich und strahlt Kompetenz aus: "Anwaltskanzlei Berger und Partner, mein Name ist (Petra) Bertram. Guten Morgen!" In der Folge muss die Mitarbeiterin zwei essentielle Dinge herausfiltern – bevor sie das Telefonat zum Anwalt durchstellt. Sie darf den Anruf nur an ihn weiterleiten, wenn sie bei einem bestehenden Mandat den Kern des Wunsches des Anrufers,  bei einem neuen Mandanten sein zentrales Anliegen kennt. Auch alles Organisatorische muss vorab geklärt und festgehalten sein. Letzteres erledigt allein sie. Nur das Rechtlich-Taktische eines Mandats gehört in das Anwaltsohr.

"Am besten Listen für die Assistentin machen"

LTO: Sollte die telefonierende Sekretärin dabei mit einer Liste arbeiten? Busmann: In jedem Fall – am besten gleich mit mehreren. Kluge Anwälte listen für ihre Assistentin die Unterlagen, die jeder Mandant zum Erstgespräch mitbringen muss. Das beschleunigt Erstgespräche und den Vertragsschluss. Für den aktiven Umgang mit Honoraranfragen wie "Ich will mich scheiden lassen; wie teuer ist das bei Ihnen?" benötigt die Sekretärin sogar eine wörtliche Anweisung. LTO: Gerade neue potenzielle Mandanten wollen Ihre Daten aber häufig nicht mitteilen. Busmann: Gerade die Datenerfassung bei Erstanrufern ist schwierig und muss geübt werden. Trainierte Assistentinnen verwenden die Nutzenargumentation: "Darf ich mir Ihre beiden Telefonnummern gleich dazu notieren? Dann können wir Sie immer erreichen." Auch die E-Mail-Adresse des Anrufers ist unerlässlich für das Marketing Ihrer Kanzlei. Die Assistentin trägt während des ersten Anrufs alle Kontaktdaten in eine Kundenkartei ein – bis Vertragsschluss in die gesonderte Rubrik "Interessenten". Selbst Personen, die nicht Mandanten Ihres Hauses sind oder werden, können - ihr schriftliches Einverständnis vorausgesetzt - dann per Mail zu Kanzlei-Events eingeladen werden. Dabei eignet sich die freundliche Frage, ob dem potenziellen Mandanten eine PDF-Anfahrtskizze übersandt werden soll: Eine solche ist in Zeiten serienmäßiger GPS Systeme häufig unnötig; das Angebot, sie zu versenden, dagegen keinesfalls. Es dient hauptsächlich der vorvertraglichen Übersendung eines Dokuments. Diese erhöht die Hemmschwelle, andere Anwälte auch noch anzurufen. Außerdem hat der Mandant die Möglichkeit, auf dieselbe E-Mail.Adresse bereits Material zu übersenden. Auch das bindet ihn vorvertraglich.

"Professionell auftreten – auch im Umgang mit Beschwerden"

LTO: Wie sieht es mit der zufriedenstellenden telefonischen Behandlung laufender Mandate aus? Busmann: Wichtig sind auch hier konkrete Anweisungen in Form von Listen: Eine Auflistung von A-Mandanten klärt die Assistentin darüber auf, welche Klienten  Sonderrechte haben – und welche Rechte das genau sind. Wer muss immer und zu jeder Zeit durchgestellt werden? Von wessen Anruf muss der Anwalt sofort erfahren, damit er jedenfalls zurückrufen kann? Schließlich versetzt eine Liste von Kooperationspartnern die Mitarbeiterin  in die Lage, Anrufer an die "richtige" Stelle weiter zu leiten, wenn die Kanzlei selbst den Wunsch des Anrufers nicht erfüllen kann oder will. LTO: Die wohl schwierigsten Telefonate sind Beschwerden. Haben Sie auch dafür Tipps? Busmann: Für Beschwerdefälle sollte die  Assistentin einen Leitfaden erhalten, durch den sie Beschwerden sofort in Pluspunkte dreht. Trainierte Sekretärinnen wissen: Einer Beschwerde geht immer ein Kanzleifehler voraus - sonst handelt es sich lediglich um Nörgelei im Frust-Modus. Sie sollten sich "im Namen der Kanzlei" entschuldigen, die Beschwerde notieren, deren Weiterleitung ankündigen und persönliche, sofortige Aktionen ankündigen. Im Idealfall kann sie den Mandanten kurz danach informieren, wie aufgrund seiner Beschwerde Dinge verbessert oder Abläufe optimiert wurden. Johanna Busmann ist Anwaltscoach in Hamburg. In ihrem aktuellen Buch "Chefsache Mandantenakquisition" befasst sie sich unter anderem mit der Einbindung der Assistentin in das anwaltliche Akquiseteam. Das Interview führte Pia Lorenz.

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