Mit Mandanten, dem Chef oder Kollegen

Wie Anwälte erfolg­reiche Gespräche führen

von Dr. Anja SchäferLesedauer: 6 Minuten

Viele Anwälte unterschätzen das Thema "Kommunikation", denn reden kann ja jeder. Dennoch kann man dafür sorgen, Gespräche zielführender zu gestalten. Anja Schäfer gibt Tipps, wie das gelingen kann.

Anwältinnen und Anwälte führen viele Gespräche – sei es mit Mandant:innen, Mitarbeitenden oder Vorgesetzten. Zwar verläuft jedes Gespräch anders und Sie können auch nicht alle Faktoren aktiv beeinflussen, wie etwa Ihre Gesprächspartner:innen und deren Verhalten. Selbst ausgestattet mit den besten Kommunikationswerkzeugen und großem persönlichen Einsatz lässt sich ein bestimmtes Ergebnis nicht erzwingen. 

Dennoch können Sie auf die Situation Einfluss nehmen und das Gespräch in eine bestimmte Richtung lenken. Wichtig ist vor allem eine gründliche Vorbereitung. Stimmen Sie das Gesprächsziel ab und loten Sie Ihre Handlungsoptionen aus. Beschäftigen Sie sich vorab mit Ihren Gesprächspartner:innen und stellen Sie sich strategisch und mental auf mögliche schwierige Situationen oder Themen ein.   

Da sich die Bedingungen von Kommunikation zu Kommunikation verändern, nutzen einfache Rezepte für eine mögliche Gesprächsführung wenig. Deshalb ist es wichtig, die Situation richtig zu analysieren und Ihr Handwerkszeug flexibel einzusetzen. Dazu gibt Ihnen dieser Beitrag einige Impulse.  

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Tipp 1: Kennen Sie Ihre eigene Rolle 

Sie sollten Ihre Rolle in der jeweiligen Gesprächssituation kennen, um entsprechend aussage- und handlungsfähig zu sein. Sie sprechen nie nur als Person, sondern immer in einer bestimmten Rolle, mit der spezifische Erwartungen an den Gesprächsverlauf und das Kommunikationsverhalten verknüpft sind. Nur dann, wenn Sie Ihre Rolle kennen, können Sie sich vorab mit den Anliegen der anderen auseinandersetzen.  

Als Anwältin repräsentieren Sie gegenüber Ihren Mandant:innen oder dem Gericht die Kanzlei. Gegenüber Ihren Mitarbeitenden sind Sie die/der Vorgesetzte und – je nach Situation – motivieren, delegieren, fordern, unterstützen oder kritisieren. Im Austausch mit Fachkolleg:innen sind Sie der/die Fachexpert:in, gegenüber den Partner:innen der Kanzlei die/der Mitarbeitende. 

Egal, wie groß oder klein Ihr Gestaltungsraum ist: Sie können beinahe jedes Gespräch aktiv gestalten und mit der entsprechenden Technik gezielt darauf Einfluss nehmen.

Tipp 2: Schätzen Sie die Beziehung zu Ihren Gesprächspartnern ein 

Lassen Sie sich auf Ihr Gegenüber ein, wenn Sie diese Person nicht nur überreden, sondern überzeugen wollen. Das gelingt Ihnen, wenn Sie sich vorab einige Gedanken dazu machen, wer sie ist, was ihr wichtig ist und bei Nichtjurist:innen auch, welche "Sprache" sie spricht.  

Egal, ob Sie mit Ihnen bereits gut bekannten oder fremden Personen sprechen, fallen Sie nicht gleich zu Beginn mit der Tür – und damit Ihrem eigentlichen Gesprächsgrund – ins Haus. Nutzen Sie vielmehr Small Talk  für den Einstieg in ein Gespräch sowie in die Beziehung. Auf diese Weise kommen Sie Ihrem Gegenüber bei unverfänglichen Themen näher und sehen, wie er oder sie reagiert.

Die Beziehung zwischen den Gesprächspartner:innen ist die Basis für möglichst sachliche Lösungen des eigentlichen Problems. Ist diese gestört, wird es schwer, ein für beide Seiten befriedigendes Ergebnis zu erzielen.

Tipp 3: Sprechen Sie Gefühle offen an 

Zu einer professionellen Gesprächsführung gehört auch die Wahrnehmung der eigenen Gefühle. Achten Sie darauf, was Sie über Ihr Gegenüber denken. Sind Sie möglicherweise von dieser Person genervt oder haben Sie Angst?  

Je öfter Sie Ihre Gefühle bzw. Gedanken in den Blick nehmen, umso seltener werden diese Ihr Verhalten beeinflussen oder von Ihren Gesprächspartner:innen wahrgenommen. Wenn es im Einzelfall dennoch passiert, lohnt es sich, dies direkt in der Situation oder in einem Folgegespräch kurz anzusprechen: "Ich habe den Eindruck, dass Sie zurückhaltender oder kürzer angebunden sind als sonst. Ich frage mich, ob ich Sie mit etwas verärgert habe." 

Danach können Sie zum eigentlichen Gesprächsthema zurückzukehren.  

Tipp 4: Bestimmen Sie Ihre Motive und Ihre Ziele für das Gespräch  

Werden Sie sich klar, welche sachlichen Anliegen Sie antreiben, bevor Sie ein Gespräch führen. Auf dieser Grundlage klären Sie das Gesprächsziel, welches auch – je nach Anlass – bereits vorgegeben sein kann. Formulieren Sie Ihre Ziele im Rahmen der Vorbereitung nicht nur klar, konkret und positiv, sondern gleichen Sie diese – im Sinne einer optimalen Lösung – auch mit denen Ihrer Gesprächspartner:innen ab.  

Folgende Leitfragen helfen Ihnen bei der Zieldefinition:  

  • Was sind Ihre Gründe für das Gespräch (sachliches Anliegen oder Gefühlsklärung)? 

  • Was ist das konkrete Gesprächsziel?  

  • Wo liegen die/Ihre Interessen in dem Gespräch? 

  • Welche Motive, Ziele und Interessen wird wahrscheinlich Ihr Gegenüber haben?  

  • Welche möglichen Konflikte bzw. Herausforderungen sehen Sie?

  • Welche Möglichkeiten gibt es, um eine Übereinkunft im Gespräch zu erreichen?

  • Welche Themen gibt es, und welche davon sprechen Sie an?

  • Was ist wichtig und wesentlich für die Lösung des Problems?

Die Ziele, die Sie erreichen wollen, unterscheiden sich je nach Gesprächssituation. Während Sie beispielsweise mit Ihren Mandant:innen das weitere Vorgehen abstimmen wollen, kann es etwa im Personalgespräch mit Ihren Vorgesetzten um Ihre berufliche Entwicklung in der Kanzlei gehen. Als Vorgesetzte:r wollen Sie bei einem Gespräch mit Mitarbeitenden einen Konflikt im Team klären oder die bisherige Zusammenarbeit auswerten.  

Die Antworten auf diese Fragen haben einen wesentlichen Einfluss auf die Vorbereitung und Steuerung des Gesprächsverlaufs. Ihr "Wozu" hält Sie davon ab, den "roten Faden" zu verlieren oder sich von anderen "bequatschen" zu lassen.

Allerdings sollte es Ihnen nicht allein um deren Durchsetzung und damit ums "Recht haben wollen" gehen. Behalten Sie stets eine für alle Seiten optimale Lösung im Blick. Dann lassen sich die Ergebnisse erreichen, in denen sich alle wiederfinden.

Tipp 4: Beeinflussen Sie das Gespräch durch gute Fragen und aktives Zuhören   

Um die eigenen Ziele möglichst umfassend durchzusetzen, gestalten bzw. steuern Sie das Gespräch proaktiv und gezielt. Oft setzen Jurist:innen dies mit Reden gleich. Doch dies ist nicht Ihr einziges Gestaltungsmittel: Mitunter ist es wichtiger und zugleich auch effektiver, die richtigen Fragen zu stellen und dem Gegenüber aufmerksam zuzuhören.  

Nutzen Sie Fragen, um Prozesse anzuregen, Informationslücken zu schließen oder andere dazu zu bringen, ihre Argumente auf den Tisch zu legen.  

Grundsätzlich wird zwischen geschlossenen und offenen Fragen unterschieden. Geschlossene sind oft lediglich mit einem "Ja" oder "Nein" zu beantworten. Stellen Sie diese, wenn Sie gezielte, verbindliche Informationen zu einem bestimmten Thema erhalten oder Vielredner:innen im Zaum halten wollen.  

Offene Fragen hingegen geben Ihrem Gegenüber mehr Spielraum bei der Antwort. Sie beginnen mit einem W-Fragewort: Wer, was, wieso, weshalb, warum, wo? Sie sind das Mittel der Wahl, wenn Sie die Perspektive von anderen verstehen, deren Gründe oder Argumente hören oder bestimmte Fakten herausfinden wollen, um ein umfassendes Bild eines komplexen Sachverhalts zu erhalten. 

Wenn Ihr Gegenüber Ihre Frage beantwortet, hören Sie aufmerksam zu. Auf diese Weise signalisieren Sie nicht nur Wertschätzung, sondern auch, dass Sie sich mit der Antwort wirklich auseinandersetzen. Durch diese konzentrierte Form der Zugewandtheit wird die betreffende Person nicht nur eher bereit sein, auch Ihre Argumente zu hören. Sie bekommen außerdem ein Gefühl dafür, wie der/die andere denkt, und wo Sie argumentativ anknüpfen können. Ganz nebenbei gibt es Ihnen die Zeit, Ihre eigenen Argumente zu überprüfen.  

Tipp 5: Achten Sie auf Ihre nonverbale und paraverbale Kommunikation 

Der erste Eindruck prägt. Doch dabei zählen nicht allein Ihre Worte. Denn alles, was Ihre Gesprächspartner:innen bei Ihnen sehen und von Ihnen hören, gehört zu Ihren (körper-)sprachlichen Ausdrucksmitteln.  

Ihre nonverbale Kommunikation (Mimik, Gestik, Körperhaltung) hat ebenso wie die paraverbale Kommunikation (Stimme, Tonlage, Lautstärke, Sprechtempo) eine entscheidende Wirkung auf den verbal kommunizierten Inhalt. 

Das Institut für Demoskopie Allensbach hat dies im Jahr 2006 in einem Versuch mit 2.000 Personen am Beispiel eines Vortrags überprüft, welchen Anteil Text, Betonung und Gestik an der Gesamtwirkung haben. Dabei haben die Wissenschaftler:innen festgestellt, dass die Basis für die Überzeugungskraft einer Präsentation immer der Inhalt ist. Betonung und Gestik können die Wirkung des Inhalts aber – in unterschiedlichem Ausmaß – verstärken. 

Dies lässt sich auch auf Gespräche übertragen: Wenn die Worte überzeugen, können Stimme, Gestik und Mimik diese zusätzlich (geringfügig) verstärken. Sind die Argumente jedoch weniger überzeugend, können Stimme, Gestik und Mimik mehr ausrichten – im positiven ebenso wie im negativen Sinne. Denn dann haben Ihre non- sowie paraverbalen Kommunikationsmittel zusammen ungefähr dreimal mehr Bedeutung als der Inhalt.  

Berufliche Gespräche sicher zu führen, lernen Sie dadurch, indem Sie es tun. Nutzen Sie jede Möglichkeit, die Ihnen Ihr (beruflicher) Alltag dazu bietet. Denn der Vielfalt an Herausforderungen in Gesprächssituationen können Sie nur gerecht werden, wenn Sie alle Möglichkeiten zur Gesprächsgestaltung kennen, nutzen und stetig erweitern.  

Die Anwältin Dr. Anja Schäfer ist Expertin für Networking & Female Leadership in Kanzleien und Host vom "Juristinnen machen Karriere!"- Podcast. Als Karriere-Mentorin unterstützt sie schwerpunktmäßig Juristinnen in puncto Personal Branding, Netzwerkaufbau und Sichtbarkeit. Für Juristinnen veranstaltet sie regelmäßig Networking-Formate – vor Ort und digital.

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