Als junger Anwalt sein Geschäft aufbauen

"Nicht darauf warten, dass der Partner mich för­dert"

Interview von Dr. Franziska KringLesedauer: 7 Minuten

Auch Associates müssen sich einen Namen in der Branche machen. Die beiden Coaches und ehemaligen Anwälte Christian Kessel und Anna von Troschke geben Tipps, wie das gelingt – und betonen, wie wichtig Eigeninitiative dabei ist.

LTO: Herr Dr. Kessel, Frau von Troschke, um erfolgreiche Anwältin oder Anwalt zu werden, muss man exzellente juristische Fähigkeiten haben. Aber das allein reicht nicht. Was muss ich noch mitbringen – vor allem an Soft Skills?

Anna von Troschke: Die fachliche Expertise ist die Basis, aber es gibt noch viele andere Faktoren, zum Beispiel Team- und Kommunikationsfähigkeit. Und man muss bereit sein, sich weiterzuentwickeln. Es ist wichtig, kritisches Feedback vom Partner als Unterstützung und Chance zu sehen und nicht als Kritik an der eigenen Person. Aus meiner Sicht ist auch Eigeninitiative sehr wichtig.

Dr. Christian Kessel: Ich staune auch immer, dass die Associates nicht selbstständiger sind. Wer zwei juristische Staatsexamina geschafft hat, der hat doch was vorzuweisen. Auch auf die Prüfungen musste man sich eigenverantwortlich vorbereiten. Deshalb verstehe ich immer nicht, warum die Eigeninitiative bei vielen zu Beginn des Berufslebens nicht ausgeprägter ist. Und wichtig ist natürlich auch die Bereitschaft, unternehmerisch tätig zu sein und ein unternehmerisches Denken zu entwickeln. Im Anwaltsberuf geht es darum, die wirtschaftlich beste Lösung für die Mandanten finden – und auch sein eigenes Business aufzubauen.

Wie fange ich denn damit an, einen eigenen Mandantenstamm aufzubauen?

Kessel: Als Berufseinsteiger in einer Großkanzlei bekommt man die Mandate erstmal von den Partnern, gewinnt Erfahrung und wird hoffentlich auch ausgebildet.

Im ersten Jahr muss man erstmal den Beruf kennenlernen und herausfinden, welche Mandate der zuständige Partner eigentlich genau bearbeitet. Ich habe vor allem Automobilzulieferer vertreten und in diesem Bereich auch viele Vorträge gehalten. Associates, die drei- oder viermal an ähnlichen Fällen mitgearbeitet haben, durften dann bei der nächsten Veranstaltung eine halbe oder Dreiviertelstunde darüber sprechen. So habe ich mein Team frühzeitig ins Business Development geführt.

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"Business Development ist nicht allein Aufgabe der Partner"

Aber so ein Glück haben wohl nicht alle…

Kessel: Es kommt in der Tat nicht häufig vor, dass junge Kollegen von vornherein ins Business Development geführt werden. Viele Partner, die ich kennengelernt habe, sind der Meinung, die Mandantenakquise sei allein ihre Aufgabe. Wer so denkt, liegt völlig falsch und das sind genau die Partner, deren Team oft nicht wächst, deren Umsätze selten wachsen, die zwar über Jahrzehnte gute Arbeit leisten, aber immer auf dem gleichen Level. Ich hätte mein Geschäft nicht so aufbauen können, wenn ich nicht frühzeitig mein Team eingebunden hätte. Meiner Meinung nach findet von Kanzleiseite insgesamt viel zu wenig statt. Kanzleien organisieren zwar vieles mit tollen Namen wie University oder Academy, aber aus mir unerfindlichen Gründen ist da immer wenig Business Development dabei. Aber natürlich hat man als Partner – da ging es mir nicht anders – auch häufig schlicht keine Zeit dafür.

Und es ist ja nicht nur die Aufgabe der Partner.

Von Troschke: Eben. Ich muss selbst schauen, wie ich – sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kanzlei – sichtbar werde. Wie schaffe ich es, dass ich mir einen Namen in der Branche mache? Dabei ist es ganz wichtig, dass ich nicht darauf warte, dass der Partner mich sieht und fördert. Ich bin selbst dafür verantwortlich, sichtbar zu werden, das wird mir keiner abnehmen.

Was verstehen Sie denn unter "Sichtbarkeit"?

Kessel: Sichtbarkeit klingt für mich immer etwas zu passiv, ich würde es eher "sich sichtbar machen" nennen. Aktiv sein, durch Eigeninitiative auf sich aufmerksam machen. Innerhalb der Kanzlei sollte man bei denjenigen, die über die nächste Gehaltserhöhung oder Beförderung entscheiden – den Partnern – bekannt werden. Man sollte sich engagieren, Interesse zeigen und Vorschläge machen, aber auch mitteilen, wenn einem etwas fehlt. Mit steigender Erfahrung sollte man dann auch einfordern, an Mandantenmeetings teilzunehmen und E-Mails auch im eigenen Namen rauszuschicken – natürlich nachdem der Partner sie freigegeben und wahrscheinlich in jungen Jahren auch großflächig überarbeitet oder umgeschrieben hat.

"Auch Schüchterne sollten Vorträge halten"

Eine gute Möglichkeit, um nach außen hin sichtbar zu werden, sind ja auch Vorträge. Wie fange ich damit an, gerade wenn ich eher zurückhaltend und schüchtern bin?

Von Troschke: Es ist so wichtig, sich zu trauen. Dass man am Anfang Angst hat und nervös ist, ist ganz normal. Man darf aber nicht nach dem Motto "Ich bin ja schüchtern, ich kann keine Vorträge halten" Ausreden suchen. Natürlich ist es für schüchterne oder auch introvertierte Personen anstrengender, einen Vortrag zu halten, dennoch sollten sie nicht darauf verzichten. Zum Beispiel kann man seine Vorträge vorher aufzeichnen und üben oder sich externe Unterstützung holen.

 

Kessel: Und nicht jeder Vortrag muss eine hoch dogmatische und super intellektuelle Angelegenheit sein. Ganz im Gegenteil, die meisten Zuhörer wollen einfach einen Eindruck über spannende Weiterentwicklungen in dem jeweiligen Rechtsgebiet erhalten. Sie interessieren sich für die rechtlichen Risiken und wie sie damit umgehen können.

Aus meiner Sicht kann jeder ein guter Business Developer sein, egal ob zurückhaltende Person oder "Rampensau". Das Entscheidende für mich ist, ob ich bereit bin, an den Markt zu gehen und mich und meine Expertise und meine Erfahrungen zu verkaufen.Es gibt auch Menschen, die wollen das einfach nicht. Einmal hatte ich einen jungen Anwalt in meinem Team, ein toller Jurist, auch nicht schüchtern. Er hat aber einfach herausgefunden, dass dieses Selbstmarketing nicht sein Ding ist. Dann hat er gekündigt und ist Richter geworden. Davor habe ich großen Respekt, man muss sich ja nicht unnötig quälen.

Wie oft begegnet es Ihnen, insbesondere auch jetzt als Coach, dass Berufseinsteiger nach kurzer Zeit feststellen, dass sie den für sie falschen Weg eingeschlagen haben? Welchen Rat geben Sie: Durchhalten oder direkt neu orientieren?

Von Troschke: In meine Coachings kommen viele, die unzufrieden mit ihrem Job sind. Ich finde es dann wichtig, weder direkt die Flinte ins Korn zu schmeißen noch um jeden Preis durchzuhalten. Aus meiner Sicht sollte die Auseinandersetzung mit den eigenen Stärken, Werten und Motiven der erste Schritt sein, um dann eine fundierte Entscheidung treffen zu können.

Wann sollte ich denn damit anfangen, Vorträge zu halten? Viele haben ja auch einfach Zweifel, dass sie das alles noch gar nicht können, weil sie gerade erst angefangen haben.

Kessel: So früh wie möglich. Man braucht die Routine. Wenn ich ein Jahr vor meiner Partnerernennung mein erstes Training in Form eines Vortrags mache, bin ich mindestens fünf Jahre zu spät. Je früher ich das mache, umso besser. Und es ist auch gut für das Geschäft, früh Kontakte zu knüpfen. Wenn man einen Vortrag hält, bekommt man viele Visitenkarten, die Menschen stellen Fragen und wollen womöglich noch nebenbei einen unentgeltlichen Rechtsrat. Aber so baut man ein Netzwerk auf. Und was die Expertise angeht, sollte man keine falsche Scheu haben. Wenn ich beispielsweise drei oder vier Rückrufe in der Automobilindustrie betreut habe, weiß ich im Großen und Ganzen, wie es geht.

"Niemand erwartet, dass man alles weiß"

Was mache ich denn, wenn in der anschließenden Diskussion dann doch die eine Frage kommt, die ich nicht beantworten kann?

Von Troschke: Das ist ja meistens der Grund, wieso die Leute erst gar keine Vorträge halten. Das ist aus meiner Sicht so schade. Natürlich kann es passieren, dass die eine Frage kommt, egal, wie erfahren man ist. Und viele sind durch diese Angst blockiert. Aus meiner Sicht hilft es, sich vorab eine Antwort zu überlegen, etwa "Das ist ja wirklich eine spannende Frage, lassen Sie uns doch mal gemeinsam überlegen, wie man sich dem nähern könnte". Und es ist auch völlig legitim, zuzugeben, wenn man etwas nicht weiß, anstatt sinnlos draufloszureden. Hier hilft es auch, wenn man sich andere Vorträge anhört und beobachtet, wie die Person reagiert.

Kessel: Und man kann auch sagen, dass die Frage "völlig außerhalb meines Spezialgebiets" ist. Wenn ich bei meinen Vorträgen zum autonomen Fahren beispielsweise gefragt worden bin, wie das mit dem Datenschutz ist, habe ich gesagt, dass ich die Frage gerne mitnehme, meine Kollegen aus dem Bereich frage und mich per E-Mail melde.

Von Troschke: Und schließlich sollte man sich auch vor Augen halten, dass niemand – weder Mandanten noch andere Personen – erwarten, dass man wirklich alles weiß. Und dann lieber eine qualifizierte Rückmeldung im Nachgang als eine unqualifizierte unmittelbar.

Abseits von Vorträgen: Wie kann ich mich als Anwalt noch sichtbar machen, insbesondere auch außerhalb der eigenen Kanzlei?

Von Troschke: LinkedIn ist eine gute Möglichkeit und eignet sich auch für introvertierte oder schüchterne Personen. Daneben sind auch Netzwerkveranstaltungen sehr empfehlenswert.

Welche weiteren Tipps haben Sie zum Thema Business Development?

Kessel: Business Development muss man kontinuierlich machen, Wer meint, sich dem Thema nur in weniger geschäftigen Zeiten widmen zu können, macht einen Fehler. Im Idealfall ist es nie ruhig, und wenn es dann doch mal ruhig ist, ist es zu spät. Bis ich Erfolge sehe, dauert es. Natürlich kommt es vor, dass ich heute jemanden anrufe und der mir morgen einen Auftrag gibt, aber das ist sehr selten

Und Business Development kostet. Auch wenn man einen vollen Schreibtisch hat, muss man das noch darüber hinaus machen. Aber die Früchte sind gewaltig und Teil dessen, was eine schöne Karriere werden kann.

Vielen Dank für das Gespräch!

Dr. Christian Kessel war insgesamt über 30 Jahre Rechtsanwalt und Partner in zwei Großkanzleien. Seit seinem Retirement vor etwa zwei Jahren ist er als Trainer und Coach für Business Development tätig.

Anna von Troschke ist Rechtsanwältin, zertifizierter Business Coach für Juristinnen und Juristen und Rethinking Impostor Syndrome Coach.

Gemeinsam vermitteln sie in ihren Vorträgen und Workshops praxisnahe Strategien für ein selbstsicheres und erfolgreiches Business Development.

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