"Ein Hauptcharakter, sympathisch, aber wenig vorhersehbar – wie Strafverteidiger"
LTO: Herr Dr. Bott, Sie sind Rechtsanwalt und Inhaber der Strafrechts-Boutique "Plan A – Kanzlei für Strafrecht". Wie sind Sie daneben zum Schreiben gekommen?
Dr. Ingo Bott: Ich liebe Sprache und arbeite gerne mit Sprache – das reizt mich auch an meinem Beruf. Außerdem mag ich gute Geschichten, die mitreißen und begeistern können.
Jeder Mensch nimmt sich bestimmte Dinge im Leben vor, die er einmal machen will – mein Wunsch war es, einen Roman zu schreiben, der den Leser:innen Spaß macht, sie unterhält, und, idealerweise, das gewisse Etwas hat. Als ich mal eine Interrail-Tour quer durch Japan gemacht habe, habe ich mir die Geschichte für mein erstes Buch überlegt.
Was lesen Sie für Bücher?
Ich lese gerne Klassiker wie Hemingway und Kafka, mag aber auch Unterhaltungsliteratur und vor allem Krimis und Thriller, zum Beispiel von John Grisham oder Romy Hausmann. Ich interessiere mich sehr für Philosophie. Mein erster Krimi "Das Recht zu strafen" aus dem Jahr 2017 war eine Mischung aus Philosophie und Strafrecht.
Wieso haben Sie sich dazu entschieden, Krimis zu schreiben?
Meine Bücher sind Strafrecht zum Lesen. Die Pirlo-Reihe, die nun startet, beruht zwar nicht auf wahren Begebenheiten, die Fälle und Personen sind fiktiv. Allerdings könnten die Geschichte auch in der Realität so passiert sein. Was passiert, folgt den Regeln des echten Strafverfahrens und hebt sich damit von der üblichen Krimi-Gemütlichkeit ab.
Im Tatort-Krimi beispielsweise wird der Beschuldigte häufig nicht belehrt oder die Kommissarinnen und Kommissare hören Mobiltelefone ohne richterliche oder staatsanwaltschaftliche Anordnung ab. Mir geht es darum, einen "richtigen" Krimi zu schreiben und auf die strafrechtlichen Feinheiten zu achten. Am Ende steht damit True Crime zum Anfassen.
"Verbeugung vor meiner Wahlheimat Düsseldorf – und vor dem Job als Anwalt"
Worum ging es in Ihrem ersten Krimi?
Das Buch spielt in Berlin und handelt von einem Serienmörder, der die Tode von bekannten Philosophen nachstellt. Strafverteidiger Max Faber verteidigt den Hauptverdächtigen und liefert sich Duelle mit einer ehrgeizigen Staatsanwältin. Dabei gerät er in einige Schwierigkeiten - und ins Fadenkreuz.
Was ist in Ihrem neuen Buch "Pirlo – Gegen alle Regeln" anders?
Der neue Krimi spielt in Düsseldorf, wo ich arbeite und lebe – das ist sicher auch eine kleine Verbeugung vor meiner Wahlheimat. Genauso wie der Job der Protagonisten als Strafverteidiger eine kleine Verbeugung vor dem Beruf als solchem ist.
Bei "Pirlo – Gegen alle Regeln" ist das Tempo noch schneller, es gibt viele kurze Kapitel. Protagonistin ist – neben dem Strafverteidiger Dr. Anton Pirlo – die junge Doktorandin und Anwältin Sophie Mahler. In "Das Recht zu strafen" war die Staatsanwältin die starke Frau, diese Rolle nimmt jetzt die Strafverteidigerin ein. Da Pirlo auch viel von einem Anti-Helden hat, ist die junge Rechtsanwältin der eigentliche Star der Reihe.
Manche Charaktere in Ihrem Buch ähneln realen Personen: Pirlo, der 38-jährige Strafverteidiger mit vollen, schwarzen Haaren, erinnert an Sie. Beim Starprofessor Werner Arland, dem Doktorvater von Pirlo und Sophie, muss man an Ihren Doktorvater, die Strafrechtskoryphäe Werner Beulke, denken.
Möglicherweise versteckt sich darin viel Anerkennung für Herrn Professor Beulke. Wir sind uns sehr verbunden. Wir haben uns nicht gesucht, aber gefunden. Meine Kanzlei heißt "Plan A – Kanzlei für Strafrecht" – wenn ich einen Plan B bräuchte, wüsste ich, wen ich anrufen würde.
Alles andere ist sicher reiner Zufall. Und ohne dieses Augenzwinkern: Die Geschichten sind fiktiv, genauso die Charaktere. Ich bin nicht Pirlo. Weder ganz noch ein bisschen. Mein Lebensentwurf sieht bei meiner Kanzlei ganz anders aus als seiner. Seine Frisur ist allerdings tatsächlich ganz gut.
"Pirlo gründet seine eigene Kanzlei - in seinem Wohnzimmer"
Wie würden Sie den Charakter von Pirlo beschreiben?
Pirlo ist ein charismatischer, aber chaotischer Typ, der viele Entscheidungen aus dem Bauch heraus trifft. Er ist in Verhandlungssituationen vor Gericht brillant. Pirlo ist ein streitbarer Typ, an dem man sich abarbeiten kann. Einerseits ist er sympathisch, andererseits ist sein Verhalten wenig vorhersehbar – so, wie ein Strafverteidiger vielleicht manchmal auch sein sollte.
Pirlos erster Fall dreht sich um den Mord an dem Baulöwen Florian von Späth – ein Verfahren, das durch die Medien geht. Den Fall müssen er und Sophie Mahler unbedingt gewinnen – notfalls "Gegen alle Regeln". Gegen welche Regeln verstoßen die beiden denn?
Die Maxime "Gegen alle Regeln" zieht sich durch das ganze Buch. Sie kommt auf unterschiedliche Arten vor. Der Lebensentwurf von Pirlo ist "entgegen aller Regeln"; er findet Mittel und Wege, als es darauf ankommt. Nachdem er seinen Job in der Großkanzlei verloren hat, flüchtet er sich erst in Selbstmitleid und Alkohol und gründet dann seine eigene Kanzlei – in seinem Wohnzimmer.
Ich kann nicht zu viel verraten, aber als es so aussieht, als würde er nicht mehr weiterkommen, führt ihn das zu seiner Familie zurück, von der er sich losgesagt hatte. Pirlo ist anders. Auch Sophie Mahler lebt entgegen des Lebensentwurfs, der für sie vorgesehen ist.
"Die Unschuldsvermutung ist eine Bitch"
Ein Kapitel Ihres Buches heißt "Die Unschuldsvermutung ist eine Bitch". Der Satz stammt von Pirlo. Wie meint er das?
Die Situation ist folgende: Marlene von Späth, 20 Jahre jünger und Alleinerbin ihres Mannes, steht unter dringendem Tatverdacht, ihren Mann ermordet zu haben. Sie sitzt in Untersuchungshaft, als ihre Mutter Pirlo von dem Fall berichtet. Als die Mutter dann fragt, wie das eigentlich sein kann, wo doch diese Unschuldsvermutung gilt, entgegnet Pirlo: "Die Unschuldsvermutung ist eine Bitch". Womöglich hat er damit Recht. Zumindest was solche Konstellationen anbelangt.
Neben der Kanzlei und dem Schreiben beschäftige ich mich auch viel mit klassischer Strafrechtsdogmatik. Ich mag das und bin hier sicher, einmal mehr, sehr durch Werner Beulke geprägt. Für einen Kommentar im Wirtschaftsstrafrecht habe ich beispielsweise die Vorschriften zur Untersuchungshaft kommentiert. Dabei habe ich mich viel mit dem befasst, worüber man da eigentlich spricht.
Im Strafrecht gilt die Unschuldsvermutung. Strenggenommen sperrt man bei der Untersuchungshaft teilweise monatelang eine als unschuldig geltende Person ein. Ergibt sich in der Hauptverhandlung, dass der Mandant oder die Mandantin die Tat nicht begangen hat, ist das zwar für den Moment gut und richtig. Die Haft war dann aber nichts anderes als Freiheitsberaubung an einem Unschuldigen. Der Umgang mit diesem Begriff ist hier ziemlich bigott. Das bringt Pirlo auf seine ganz eigene Art auf den Punkt.
Wie finden Ihre Mandantinnen und Mandanten Ihre Bücher?
Ich bekomme durchweg positives Feedback. Meine Mandantinnen und Mandanten lesen meine Bücher gerne, was für mich eine zusätzliche Motivation ist. Gerade im Wirtschaftsstrafrecht ist ein Vertrauensverhältnis zwischen Anwalt und Mandant von großer Bedeutung. Bei M&A-Deals etwa geht es darum, den Deal zu guten Konditionen abzuwickeln – der Anwalt muss Expertise in dem Bereich haben, seine Persönlichkeit spielt jedoch eine untergeordnete Rolle.
Als Anwalt im Strafrecht muss ich Mandanten und Mandantinnen bestmöglich verteidigen und darauf müssen diese sich verlassen können. Sie schätzen es, dass sie durch meine Bücher eine andere Seite von mir kennenlernen, und finden das interessant.
Im August 2022 wird der zweite Teil der Pirlo-Reihe erscheinen. Welcher Fall wartet dann auf ihn und Sophie Mahler?
Der zweite Teil knüpft unmittelbar an die Geschichte des ersten Teils an und zeichnet den weiteren Weg der beiden. Auch die Kanzlei entwickelt sich weiter.
Für Sophie Mahler ist die Tätigkeit bei Pirlo ja der erste richtige Job – deshalb sollen Leserinnen und Leser auch nachempfinden, wie der Berufseinstieg aussehen kann. Natürlich ist das im Buch überspitzt dargestellt, aber es vermittelt einen Eindruck.
Ansonsten geht es im Buch um das "pralle Leben": Kriminalität, Clans, Gerichte – es knallt auf jeden Fall.
Wie schaffen Sie das zeitlich, gleichzeitig Inhaber einer Kanzlei und Buchautor zu sein?
Mit großer Begeisterung und Leidenschaft. Wenn man Dinge gerne macht, schafft man das.
Vielen Dank für das Gespräch!
Die Fragen stellte Franziska Kring.
Dr. Ingo Bott war Partner in einer größeren Einheit und hat im Mai 2018 seine Strafrechts-Boutique "Plan A" gegründet – anfangs allein aus seinem Wohnzimmer. Heute gehören zu der Kanzlei in Pempelfort mehrere Rechtsanwälte sowie ein Kanzlei-Manager und mehrere wissenschaftliche und studentische Mitarbeitende. Sein Buch "Pirlo – Gegen alle Regeln" erscheint am 25. August 2021 im S. Fischer Verlag.
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2021 M08 25
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