Schon mit Wirkung ab 2011 will die Bundesregierung mit einem speziellen Sanierungs- und Insolvenzrecht systemische Gefahren abwehren, die von deutschen Banken ausgehen. Aber wie effektiv kann ein deutsches Konzept sein, wenn die Banken international verflochten sind? Dr. Dennis Heuer über gute Ansätze, die (noch?) nicht weit genug gehen.
Im August 2010 hat die Bundesregierung einen Vorschlag für ein spezielles Sanierungs- und Insolvenzrecht für Banken vorgelegt, der schon 2011 in Kraft treten soll. Ein wesentlicher Bestandteil des deutschen Vorschlags, der letzte Woche in erster Beratung im Bundestag behandelt wurde, ist die Einführung eines neuen vorinsolvenzlichen zweistufigen Verfahrens, das deutschen Kreditinstituten in finanziellen Schwierigkeiten eine freiwillige Restrukturierung außerhalb des regulären deutschen Insolvenzverfahrens ermöglicht.
Auf der ersten Stufe soll das Sanierungsverfahren der Geschäftsleitung des Kreditinstituts noch weit vor Erreichen der Insolvenzreife ein Instrument an die Hand geben, mit dem eine wirtschaftliche Schieflage korrigiert werden kann.
Eingeleitet wird das Verfahren ausschließlich auf Initiative des betroffenen Kreditinstituts durch Anzeige der Sanierungsbedürftigkeit bei der BaFin. Das Kreditinstitut hat dabei einen Sanierungsberater vorzuschlagen und einen Sanierungsplan vorzulegen. Der Sanierungsplan darf nicht in Rechte Dritter eingreifen, das heißt weder die Rechte von Gläubigern noch von Anteilseignern des Kreditinstituts beeinträchtigen. Allerdings kann er die Aufnahme insolvenzrechtlich vorrangiger Darlehen durch das Institut vorsehen.
Wenn nichts mehr zu sanieren ist: Das Reorganisationsverfahren
Die BaFin überprüft die Voraussetzungen für die Eröffnung des Sanierungsverfahrens und lässt den Sanierungsplan und den Sanierungsberater gerichtlich bestätigen. Der Sanierungsberater führt die in dem Sanierungsplan vorgesehenen Maßnahmen mit Beginn des Sanierungsverfahrens durch. Bei erfolgreicher Sanierung wird das Verfahren durch Gerichtsbeschluss beendet.
Ist das Sanierungsverfahren gescheitert oder von vornherein aussichtslos, kann der Sanierungsberater beziehungsweise das Kreditinstitut auf der zweiten Stufe die Durchführung eines Reorganisationsverfahrens beantragen. Die Einleitung des Reorganisationsverfahrens gegen den Willen des betroffenen Kreditinstituts, das seinem Antrag einen Reorganisationsplan beifügen muss, ist nicht möglich.
Das Reorganisationsverfahren ist in weiten Teilen dem insolvenzrechtlichen Planverfahren nachgebildet: Der Eingriff in Rechte Dritter ist in diesem Verfahren grundsätzlich möglich, unter bestimmten Voraussetzungen kann ein Gerichtsbeschluss sogar eine Zustimmung der betroffenen Gläubiger oder Anteilseigner ersetzen.
Bestands- und Systemgefährdung
Die BaFin prüft die gesetzlichen Erfordernisse für ein Reorganisationsverfahren, ob also eine Bestandsgefährdung vorliegt und der Zusammenbruch die Stabilität des Finanzsystems gefährden würde (so genannte Systemgefährdung) führen würde.
Sind diese Bedingungen nach Auffassung der BaFin erfüllt, kann sie einen Antrag auf Eröffnung des Reorganisationsverfahrens stellen. Das Gericht überprüft den Antrag, ernennt den vorgeschlagenen Reorganisationsberater und bestätigt den Reorganisationsplan gegebenenfalls nach Anhörung beziehungsweise Zustimmung der betroffenen Dritten.
Mit der gerichtlichen Bestätigung tritt der Reorganisationsplan in Kraft und der Reorganisationsberater nimmt seine Arbeit auf.
Die deutsche Bankenabgabe und mehr Macht für die BaFin
Daneben sieht der Vorschlag die Einführung einer von deutscher Seite auch für die europäische und internationale Ebene vorgeschlagenen Bankenabgabe und die Errichtung eines Restrukturierungsfonds vor.
Der durch die Bankenabgabe finanzierte Restrukturierungsfonds soll für die Restrukturierung von systemrelevanten Banken verwendet und ähnlich dem Bankenrettungsfonds (Sonderfonds für Finanzmarktstabilisierung – SoFFin) von der Finanzmarktstabilisierungsanstalt verwaltet werden. Neben bestimmten Mitteln des SoFFin, die zu diesem Zweck umgewidmet werden, sollen auch Beiträge der Kreditinstitute selbst den Restrukturierungsfond finanzieren. Deren Höhe orientiert sich dabei am Risiko, das von der jeweiligen Bank für das Finanzsystem ausgeht.
Der Regelungsvorschlag erweitert auch die Befugnisse der BaFin in substantiellem Umfang. So soll nicht nur ein Sonderbeauftragter mit weit reichenden Aufgaben und Befugnissen innerhalb des Kreditinstituts eingeführt, sondern auch die Anordnung der Ausgliederung (ganz oder teilweise) bestandsgefährdeter Institute auf einen Wettbewerber oder ein vom Restrukturierungsfonds errichtetes Brückeninstitut möglich werden. Erforderlich ist hierfür neben der Bestandsgefährdung des Kreditinstituts wiederum eine Systemgefährdung, die nicht auf anderem Wege als per Übertragungsanordnung beseitigt werden kann.
Nationale Bankenabgabe isoliert das deutsche Bankgewerbe
Novum und Mehrwert des intelligenten Gesetzentwurfs ist der stufenweise Ansatz mit Maßnahmen für unterschiedliche Krisenszenarien eines Kreditinstituts und weitreichenden Befugnissen und Ermessenspielräumen der BaFin.
Unklar sind die Auswirkungen einer nationalen Bankenabgabe ohne Einbettung in ein globales oder europäisches Regelwerk auf die Wettbewerbsfähigkeit des deutschen Bankgewerbes. Fraglich ist auch, ob die vorgesehenen Präventivmaßnahmen im Ernstfall ausreichen würden, falls eines der wenigen sehr großen Institute mit überwiegend ausländischen Vertragsbeziehungen in die Krise gerät.
Grundsätzlich ist das Regelwerk als logischer und konsequenter Schritt von Rettung hin zu vorbeugender Restrukturierung zu begrüßen. Zu wünschen bleibt aber eine abgestimmte Regelung auf globaler oder europäischer Ebene, um eine "Regulierungsarbitrage" zu vermeiden.
Dr. Dennis Heuer ist Partner der internationalen Rechtsanwaltskanzlei White & Case LLP und im Bank- und Finanzrecht und Aufsichtsrecht tätig.
Dennis Heuer, Bankenrestrukturierungsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 05.10.2010 , https://www.lto.de/persistent/a_id/1639 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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