Walter Luetgebrune (1879-1949) – Wer Verräter ist, bestimmt die öffentliche Meinung
Ursprünglich sollte aus dem jungen Juristen ein Richter werden. Doch als Walter Luetgebrune 1905 ein Zuchthaus besucht hatte, soll er seine Meinung geändert und angesichts der unmenschlichen Verhältnisse beschlossen haben, Rechtsanwalt zu werden, um "Menschen in Not" zu helfen.
Mit dem berühmten liberalen Strafverteidiger Max Alsberg, seinem Mentor, duzte sich Luetgebrune. Doch dürfte die Freundschaft schweren Schaden genommen haben, denn Luetgebrune spezialisierte sich nach dem Ersten Weltkrieg auf die Verteidigung von Rechtsextremen. Im Hitlerprozess nach dem Putschversuch von 1923 vertrat Luetgebrune den Hauptangeklagten Erich Ludendorff.
Im sogenannten Ebert-Prozess, den Reichspräsident Friedrich Ebert gegen eine rechtsextreme Zeitung in Magdeburg angestrengt hatte, attestierte das Gericht dem Staatsoberhaupt in einer Art obiter dictum eine Beteiligung am Landesverrat gegen das untergegangene Kaiserreich. An den liberalen Strafprozessualisten Max Alsberg erinnert man sich heute gerne. Der wohl kaum minder gewiefte Anwalt Luetgebrune ist dagegen vergessen, obwohl er eine der gefährlichsten "Litigation PR"-Kampagnen aller Zeiten mit verantwortete: der in seinem Ruf bereits geschädigte Ebert wurde zum Landesverräter umgestrickt.