Wer bringt das Wissen vom Recht in das Gehirn des Richters?
Es ist eine historische Ur-Situation: Ein Rechtsanwalt sitzt zufällig noch im Gerichtssaal, als der Richter den Fehler zu machen droht, eine Klage in Eigenregie zu entscheiden, statt die bereits vorgeladenen Geschworenen beraten zu lassen. Soll man die verfahrensrechtliche Meinung des unbeteiligten Anwalts anhören? Was tun, wenn er zwar jetzt, aber nicht in künftigen Angelegenheiten ähnlicher Art Parteianwalt ist?
Ulrich Kühne behandelt in seiner 2013 abgeschlossenen, jetzt im Druck publizierten Dissertation diesen "Amicus Curiae". Im US-Recht ist die Beteiligung von Juristen, "Freunden des Gerichts", die selbst nicht Partei sind, ein wichtiges Mittel, sich über das geltende Recht zu verständigen. In Europa ist uns dieser Weg ebenfalls weniger fremd, als es den Anschein hat.
In welchem Umfang suchen Richter Antworten auf Rechtsfragen durch den Rat von Außenstehenden? Ulrich Kühne geht der Figur des "Amicus Curiae" in der angelsächsischen, römischen und deutschen Rechtsgeschichte nach – von den römischen "assessores", den neunmalklugen Vermittlern akademischen Wissens bei Gericht bis zu den moderneren Formen der Beteiligung Außenstehender.
Juristen, die rechtsvergleichend oder historisch arbeiten, schreiben oft in einer schönen rechtswissenschaftlichen Prosa. "Amicus Curiae. Richterliche Informationsbeschaffung durch Beteiligung Dritter" ist ein gutes Beispiel für juristische Literatur, die man wirklich gerne lesen mag.
Ulrich Kühne: "Amicus Curiae. Richterliche Informationsbeschaffung durch Beteiligung Dritter", Dissertation 2014 Freiburg im Breisgau. Veröffentlicht 2015 im Verlag Mohr-Siebeck.