Instanz zwischen Reichsgericht und Bundesgerichtshof
Flogen 1982 Maschinen der Luftwaffe eine Ehrenformation über dem Grab eines Ex-Offiziers, der nie von seiner nationalsozialistischen Weltanschauung Abschied genommen hatte? Tat der Bundesgerichtshof gut daran, sich lange Zeit weitgehend unkritisch in der Tradition des Reichsgerichts zu sehen, der unter seinem Präsidenten Erwin Bumke tief in NS-Unrecht verstrickt war?
Traditionspflege bundesdeutscher Institutionen ist oft so peinlich, dass sie alle Aufmerksamkeit auf sich zieht. Für Grautöne bleibt kein Blick übrig. Mit seiner Dissertation "Im Namen des Rechts" bringt uns Martin Grieß nun den Obersten Gerichtshof für die Britische Zone anhand seiner Rechtsprechung in Zivilsachen und dem hier zuständigen richterlichen Personal näher.
Zwischen 1948 und 1950 arbeitete dieser Gerichtshof als Revisionsinstanz der deutschen Gerichte in der britischen Besatzungszone. Kaum wesentlich anders als später der BGH knüpfte der Zonengerichtshof an die reichsgerichtliche Rechtsprechung an. Man hatte schlicht nichts anderes. Genau das scheint das Hauptsymptom dieser frühen Traditionspflege zu sein.
In der Konkurrenz um den Sitz des neuen obersten Zivil- und Strafgerichts der Bundesrepublik gab der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone kein Vorbild. Statt in der Trümmerlandschaft Kölns in schlecht beheizten Räumen fand der BGH im lieblichen Karlsruhe seinen Sitz.
Eine interessante zeithistorische Studie über Kontinuität und wenige Brüche liefert:
Martin Grieß: "'Im Namen des Rechts. Der Oberste Gerichtshof für die Britische Zone als Höchstgericht in Zivilsachen zwischen Tradition und Neuordnung". Dissertation Köln, 2014. Veröffentlicht im Verlag Mohr Siebeck, 2015.