Wahlstation Rechtsinformatik

Die digitale Revolution des Refs

von Christian GrohganzLesedauer: 5 Minuten
Das Internet ist ein wichtiger Teil unseres Lebens geworden – die juristische Ausbildung hängt dieser Entwicklung jedoch noch hinterher. Eine Ausnahme bildet die Universität des Saarlandes. Dort können Rechtsreferendare die Wahlstation im Bereich Rechtsinformatik absolvieren - und mit dem Vorurteil aufräumen, dass IT-Spezialisten den ganzen Tag alleine am Computer sitzen.

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Facebook und andere Netzwerke beeinflussen unsere sozialen Beziehungen, die Piraten-Partei wirbelt die politische Landschaft durcheinander, die meisten Menschen sind mit Computer, Handy oder sogar mit dem Fernseher jederzeit online - das Internet ist wichtiger Teil unseres alltäglichen Lebens geworden. Als "Digitale Revolution", den Wandel zur Informationsgesellschaft, bezeichnen das die Soziologen. Betroffen sind davon natürlich auch die Juristen und die juristische Ausbildung – oder etwa nicht? "Betrachtet man die allgemeine Lage in Deutschland, kann E-Justice-Kompetenz, also juristische Kompetenz in digitalen und Internet-Fragen, so gut wie gar nicht in der regulären Juristenausbildung erworben werden", mahnt Prof. Dr. Maximilian Herberger, Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht, Rechtstheorie und Rechtsinformatik an der Universität des Saarlandes und Geschäftsführer des Instituts für Rechtsinformatik. "Auch wenn ich bei diesem Thema ein wenig befangen bin, es wäre an der Zeit, dies als Schlüsselqualifikation mit aufzunehmen." Schuld daran ist laut Prof. Dr. Herberger das Deutsche Richtergesetz, in dessen Kern die Ausbildung geregelt ist – aber an dem niemand zu rütteln wagt. Diese Lücke wollte die Universität des Saarlandes füllen. Dort wurde bereits 2004 die Juristenausbildung umfangreich reformiert. Ziel war es, die Lehre stärker an die späteren beruflichen Anforderungen anzupassen. Eine Folge hiervon war auch die Möglichkeit, Rechtsinformatik in der Wahlstation zu belegen. Angesichts der fachbereichsübergreifenden Bedeutung der Rechtsinformatik haben auch zuständige Stellen anderer Bundesländer das Institut als Ausbildungsstelle anerkannt.

IT-Kompetenz für anspruchsvolle Führungsaufgaben

Rechtsinformatik befasst sich mit der Frage, wie Juristen mit Hilfe der neuen Technologien ihre Arbeit besser erledigen können. Ähnlich wie die Wirtschaftsinformatik ist die Rechtsinformatik ein Teilbereich der angewandten Informatik. Die Rechtsinformatik soll die Frage beantworten helfen, welche technischen Instrumente - also Computer, Datenbanken oder das Internet - auf welche Weise als Hilfsmittel für juristische Such-, Lern- und Entscheidungsprozesse eingesetzt werden können. "Die Berufsaussichten sind, wie die bisherigen Erfahrungen zeigen, sehr gut", sagt Prof. Herberger, der bereits seit der Einrichtung des Lehrstuhls im Jahre 1989 für dieses Fach zuständig ist. "Chancen gibt es überall dort, wo in juristisch geprägten Arbeitszusammenhängen IT-Kompetenz gefragt ist. Und da man sich kaum noch anspruchsvolle Leitungsaufgaben im Recht vorstellen kann, die ohne sie verantwortlich wahrgenommen werden können, wachsen die Chancen unserer Absolventinnen und Absolventen von Tag zu Tag." "E-Justice-Kompetenz" hat zwei Dimensionen: Grundlegende Kenntnisse des Multimediagesetzes oder des rechtlichen Rahmens eines Internetauftritts sind genauso gefragt wie das Wissen über technische Hintergründe.

Für jeden Referendar ein maßgeschneidertes Projekt

Belegt werden kann die Wahlstation zum Beispiel im Rahmen des Schwerpunktbereichs Verwaltung. "Das Programm für die einzelnen Absolventinnen und Absolventen während der Wahlstation wird maßgeschneidert", sagt Prof. Herberger. Neben Rechtskenntnissen soll den Referendaren auch ein technischer Hintergrund vermittelt werden wie der Aufbau von Datenbanken und Internetseiten, die Technik der Verlinkung sowie die unterschiedlichen Webdienste und deren Funktionsweisen. Programmiervorkenntnisse sind dabei nicht Voraussetzung. Bringt der Bewerber sie aber mit, kann in Absprache mit dem Entsendeland ein besonderer Ausbildungsplan erstellt werden. Die Referendare erstellen über den gesamten Zeitraum eine Projektarbeit, wobei ihre Interessen und Neigungen, sowie der von ihnen gewählte Schwerpunktbereich, wie z.B. Internetrecht oder juristisches Informationsmanagment, bei der Themenwahl Berücksichtigung findet. Die Projektarbeit soll einen praktischen Nutzen bringen und innerhalb der Wahlstation zu einem konkreten Ergebnis führen. So wurden in der Vergangenheit zum Beispiel in Absprache mit dem Justizministerium die Verwaltungsvorschriften des Saarlandes digitalisiert und eine Datenbank erstellt. Die Referendare arbeiten vor allem im Team und werden auch in die Organisation von Veranstaltungen, zum Beispiel des EDV-Gerichtstages, einbezogen. "Die Vorstellung, dass man immer nur alleine in einem Zimmer am Bildschirm sitzt, ist überholt. In Gestalt von Tablets führen wir heute den Computer als unverzichtbares Arbeitsinstrument mit uns – die Cloud ist nämlich immer erreichbar", betont Herberger.

Technische Betreuung des Bundesverfassungsgerichts

Das Institut für Rechtsinformatik selbst beschäftigt sich vor allem mit Informationsrecht und den rechtlichen Fragen der Neuen Medien, insbesondere des Internets – was nahezu alle Rechtsgebiete und Rechtsordnungen berührt. Ein Schwerpunkt liegt auf dem öffentlich-rechtlichen Bereich, auf E-Government und die E-Administration. So betreut das Institut zum Beispiel juristische Online-Datenbanken sowie Entscheidungsdatenbanken von Gerichten. Beispiele hierfür sind das Bundesverfassungsgericht, die saarländischen Arbeitsgerichte, das Finanzgericht des Saarlandes sowie der Verfassungsgerichtshofs des Saarlandes. Maximilian Herberger, der jeden Rechtsreferendar persönlich betreut, kam über seinen kleinen Bruder ins digitale Zeitalter. "In der Zeit der ersten PCs baute der bereits seine eigenen Computer zusammen und programmierte damals mit Assembler", erinnert sich Herberger, der auch Herausgeber der Online-Zeitschrift JurPC ist. "Diese Art der strukturierten Problemlösung und das algorithmische Denken faszinierten mich und ich wollte sehen, wie sich das auf das Recht übertragen lässt. Danach habe ich mich theoretisch und praktisch in der Informatik weitergebildet, einerseits an der Fernuniversität in Hagen und andererseits in Projekten des Max-Planck-Instituts für Europäische Rechtsgeschichte in Frankfurt, wo ich u.a. den ersten Rechner und die 'Lesemaschine' KDEM (Kurzweil Data Entry Machine) zu betreuen hatte." Das war Mitte der 80er Jahre. Seine langjährige Erfahrung gibt er heute an zukünftige Volljuristen weiter.

Gute Aussichten auf einen Ausbildungsplatz

Auch wenn Internet und Recht in den meisten Ausbildungsstätten noch nicht zusammengefunden haben – Professor Herberger sieht darin eine Chance für den Nachwuchs. Vor allem, wenn derartige Zukunftsthemen von den meisten Juristen nicht aufgegriffen werden. "Man darf aber auch nicht übersehen, dass man einflussreiche 'Paten' braucht, die den Nachwuchs fördern, sonst kann sich schnell großes Frustrationspotenzial anstauen. Denn nur so können wir kompetente Juristen ausbilden, die den zukünftigen Datenschutz überwachen können." Für Interessierte steht die Tür jedenfalls weit offen, wenn sie die Wahlstation in Saarbrücken absolvieren möchten: Gerade einmal ein bis zwei Kandidaten bewerben sich pro Jahr auf einen Ausbildungsplatz.

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