DRV besser als Versorgungswerk?
Referendare befinden sich in einem rentenversicherungsfreien Beschäftigungsverhältnis, weil während des Referendariats grundsätzlich Anwartschaften auf Versorgung nach beamtenrechtlichen Grundsätzen entstehen. Da Referendare bei ihrem Ausscheiden jedoch noch keinen Anspruch auf eine solche Versorgung erworben haben, sind sie gemäß § 8 Abs. 2 Sozialgesetzbuch (SBG) VI nachzuversichern. Die Nachversicherung erfolgt, indem das jeweils ausbildende Land die Rentenversicherungsbeiträge auf das Referendarsgehalt (Unterhaltsbeihilfe) nachträglich entrichtet, und zwar nach dem im Zeitpunkt der Nachversicherung geltenden Beitragssatz (derzeit 18,9 Prozent vom Bruttoeikommen). Grundsätzlich werden die Referendare in der Deutschen Rentenversicherung (DRV) nachversichert. Auf Antrag kann die Nachversicherung aber auch zugunsten der berufsständischen Versorgungswerke erfolgen (§ 186 SGB VI). Da die Versicherung im Versorgungswerk nach allgemeiner Ansicht in der Anwaltschaft gegenüber der gesetzlichen Rentenversicherung vorzuziehen ist (die Versagung dieses Privilegs für Unternehmensjuristen entfachte vergangenes Jahr eine gewaltige Debatte), scheint die Antwort auf die Frage, in welchen Topf die Nachversicherung für die Referendarszeit fließen soll, zunächst einfach. Ein genauer Blick führt jedoch zu überraschenden Ergebnissen.
Ein klassischer Anwaltslebenslauf
Um zu ermitteln, ob eine Nachversicherung im Versorgungswerk oder in der DRV günstiger ist, müssen die jeweiligen Versicherungen und ihre Rentenberechnungsformeln genauer untersucht werden. Zur Veranschaulichung ein fiktiver Fall anhand der Satzung des Versorgungswerkes der Anwälte in NRW: Herr Müller leistete nach dem Abitur für neun Monate Wehrdienst. Nach dem 1. Staatsexamen arbeitete er promotionsbegleitend als wissenschaftlicher Mitarbeiter für 15 Monate in einer Kanzlei. Am 1.1.2011, mit 28 Lebensjahren, nahm er den Vorbereitungsdienst auf. Die Unterhaltsbeihilfe betrug € 1.000. Referendariatsbegleitend arbeitete er für zwölf Monate erneut als wissenschaftlicher Mitarbeiter in einer Kanzlei. Am 28.02.2013 schied er nach Bestehen der 2. Staatsprüfung aus dem Referendardienst aus. Im März 2013 wurde er als Rechtsanwalt zugelassen. Ab diesem Zeitpunkt und bis zur Pensionierung leistet er den Regelpflichtbeitrag zum Versorgungswerk.Versorgungswerk ohne Nachversicherung: 3.937,50 Euro Rente
Die Nachversicherung im Versorgungswerk wirkt sich auf zwei Faktoren der Rentenformel aus. Auf den einen positiv, auf den anderen (in aller Regel) negativ. Die Altersrente aus dem Versorgungswerk wird nach folgender Formel berechnet: Anzahl der Versicherungsjahre x persönlicher Durchschnittsquotientx Rentensteigerungs-betrag = Altersrente Bei Erreichen der Regelaltersgrenze für die Altersrente von 67 Jahren hat RA Müller 45 Versicherungsjahre gesammelt (37 tatsächliche und acht fiktive gemäß § 19 Abs. 3 Nr. 3 Satzung). Sein persönlicher Durchschnittsquotient beträgt 1. Dieser wird errechnet, indem für jeden Monat, in dem eine beitragspflichtige Mitgliedschaft im Versorgungswerk besteht, der Quotient aus Regelpflichtbeitrag und tatsächlich gezahltem Beitrag gebildet wird. Die Summe der Quotienten wird sodann durch die Summe der Beitragsmonate dividiert. Der Rentensteigerungsbetrag wird jährlich von der Vertreterversammlung festgesetzt. Im Jahre 2015 beträgt er € 87,50. Damit ergibt sich für RA Müller ohne Nachversicherung eine Altersrente von € 3.937,50 (45 Versicherungsjahr x 1 x € 87,50).
Versorgungswerk mit Nachversicherung: keinerlei Vorteile
Wird er im Versorgungswerk nachversichert, so gilt die Zeit als Referendar als Versicherungszeit, sodass er bis zum 67. Lebensjahr 47 Versicherungsjahre sammelt. Die Nachversicherung wirkt sich insofern positiv aus. Für die Referendarszeit leistet das Land die gesetzlichen monatlichen Rentenversicherungsbeiträge in Höhe von € 189,00/Monat (€ 1.000 x 18,9%). Hieraus ergibt sich ein persönlicher Quotient für die Nachversicherungszeit von 0,1724. Insgesamt beträgt sein persönlicher Durchschnittsquotient 0,9540, also kleiner als 1. Die Nachversicherung wirkt sich insofern negativ aus. Mit Nachversicherung ergibt sich eine Altersrente für Herrn Müller von € 3.923,43 (47 Versicherungsjahre x 0,9540 x € 87,50) und damit € 14,07 unter dem Wert ohne Nachversicherung. Insgesamt überwiegt also der negative Effekt der Nachversicherung. Um diesen auszugleichen, sieht § 19 Abs. 5 der Satzung vor, dass die Nachversicherung in diesen Fall insgesamt außer Betracht bleibt. Die vom Land gezahlten Beiträge verpuffen also. Zudem bleiben die bereits aufgrund von Wehrpflicht und wissenschaftlicher Mitarbeit in die DRV eingezahlten Beträge ungenutzt (dazu sogleich).2/2: DRV mit Nachversicherung: eigentlich schlechter, aber…
Die Formel zur Berechnung der Rente aus der DRV unterscheidet sich von der oben erläuterten und lautet (vereinfacht): Entgeltpunkte x aktueller Rentenwert = Altersrente Der Rentenwert entspricht dem Rentensteigerungsbetrag und wird jährlich neu festgesetzt. Er beträgt im Jahr 2015 € 29,21. Die Entgeltpunkte haben die gleiche Funktion wie der persönliche Durchschnittsquotient bei der Versorgungswerksrente. Sie sollen eine Relation zwischen Rentenbeitrag und Rente herstellen. Wer mehr leistet, soll auch eine höhere Rente bekommen. Die Formel für die Berechnung der Entgeltpunkte lautet: beitragspflichtiges Bruttoeinkommen im Kalenderjahr / Durchschnittsentgelt gem. Anl. 1 SBG VI in diesem Kalenderjahr = Entgeltpunkte für dieses Kalenderjahr RA Müller hat durch seine Tätigkeit als Wehrpflichtiger und wissenschaftlicher Mitarbeiter bereits Entgeltpunkte gesammelt. Zu beachten ist jedoch, dass für die gesetzliche Altersrente eine Wartezeit von fünf Jahren gilt. Hat der Versicherte nicht mindestens 60 Beitragsmonate gesammelt, erhält er keine Rente. Diese hat RA Müller noch nicht erreicht, sondern erst 36. Auch durch die Nachversicherung kommt er nur auf 48 Monate, weil zwölf Monate der wissenschaftlichen Mitarbeit mit der Referendarszeit zusammenfallen. Auch hier würde also die Nachversicherung verpuffen. Es besteht aber die Möglichkeit, freiwillig in die Rentenversicherung einzuzahlen. Der Mindestbetrag hierfür beträgt im Jahr 2015 € 84,15/Monat. Leistet RA Müller also für das gesamte Jahr 2015 den Mindestbeitrag, so erreicht er die erforderlichen 60 Beitragsmonate. Hierfür muss er insgesamt € 1009,80 aufwenden.… freiwillige Beitragsleistung kann gewaltigen Unterschied machen
Diese Investition lohnt sich: Es wird lebensnah unterstellt, dass RA Müller durch seine Tätigkeit als Wehrpflichtiger und wissenschaftlicher Mitarbeiter sowie die Nachversicherung 1,5 Entgeltpunkte gesammelt hat. Hieraus ergibt sich eine monatliche Rente von € 43,82 (aktueller Rentenwert von € 29,21 x 1,5 Entgeltpunkte). Hinzu kommt eine Rentensteigerung durch die freiwilligen Beiträge iHv € 52,92. Insgesamt beträgt die Rente nach dem aktuellen Rentenwert 2015 € 96,74.Unterstellt man weiter eine Lebenserwartung von 82 Jahren, so beträgt der Vorteil durch Nachversicherung und freiwillige Beitragszahlung € 17.413,20. Während also die Nachversicherung im Versorgungswerk keine Vorteile bringt, wird durch die Nachversicherung in der DRV mit den freiwilligen Beiträgen eine Rendite von 1.624,42 Prozent erreicht! Müller erhält in diesem Fall mit Eintritt ins Rentenalter eine (kleine) Rente aus der DRV und eine (große) aus dem Versorgungswerk. Fazit: Wer bereits durch Wehrpflicht oder andere rentenversicherungspflichtige Beschäftigung Entgeltpunkte gesammelt hat, sollte vor Stellung eines Antrags nach § 186 SGB VI genau prüfen, ob durch die Nachversicherung in der Deutschen Rentenversicherung, ggf. mithilfe freiwilliger Beiträge, nicht eine höhere Rente zu erzielen ist, als durch die Nachversicherung im Versorgungswerk. Der Autor Christian M. Buchholz, LL.M. (La Trobe) ist Rechtsanwalt in der Düsseldorfer Kanzlei für IP-Recht KRIEGER MES & GRAF v. der GROEBEN.
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2015 M08 6
Referendariat
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