BSG zu Sozialbeiträgen aus Stationsvergütung

Trinkgeld für Referendare

von Constantin Baron van LijndenLesedauer: 4 Minuten
Am Dienstag hat das BSG geurteilt, dass die Länder und nicht die Ausbilder Sozialversicherungsbeiträge tragen müssen, welche auf die Stationsvergütung von Rechtsreferendaren entfallen. Für bereits fertige Referendare könnte die Entscheidung den Weg zu hohen Nachzahlungen bereiten – für künftige hingegen finanzielle Einschränkungen bedeuten.

Mit seinem Urteil vom 31. März 2015 hat das Bundessozialgericht (BSG) entschieden, dass das Land, in dem ein Rechtsreferendar ausgebildet wird, die Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Arbeitslosenversorgung tragen muss, welche auf die Vergütung entfallen, die der Referendar von seinen Ausbildern innerhalb der einzelnen Stationen erhält (Urt. v. 31.03.2015, Az. B 12 R 1/13 R). Typischerweise betroffen ist hiervon die Anwalts-, teilweise auch die Wahlstation. Je nach Ausbilder erhalten die Referendare dort beträchtliche Summen; wer seine Anwaltsstation etwa bei einer Großkanzlei absolviert, kann durchaus 10.000 Euro oder mehr verdienen. Die Frage, wer die hierauf entfallenden Sozialbeiträge entrichten muss, birgt also finanzielle Sprengkraft. Das BSG hat sie am Dienstag zu Ungunsten des Landes Hamburg beantwortet; die Entscheidung dürfte analog auch für sämtliche anderen Bundesländer gelten. Nach den für das BSG bindenden Feststellungen der Vorinstanz kommt den Stationsausbildern lediglich ein Weisungsrecht hinsichtlich der einzelnen Aufgaben zu, die die Referendare bei ihnen zu erledigen haben. Die Schirmherrschaft über den gesamten Ausbildungsprozess liege hingegen weiterhin beim Land, welches daher auch als alleiniger Arbeitgeber anzusehen sei. Dann müsse es aber auch die auf das Stationsentgelt entfallenden Sozialabgaben tragen. Die Entscheidung geht mit der Vorinstanz – aber entgegen der allgemeinen Lebenserfahrung – davon aus, dass die Referendare bei den ausbildenden Kanzleien nicht verpflichtet seien, "über die Ausbildung hinaus Leistungen zu erbringen". Demnach seien sie auch nicht in höherem Maße in den Betrieb der Ausbilder eingegliedert als zu Ausbildungszwecken notwendig. Die durch die Ausbilder geleisteten Zahlungen seien dementsprechend nicht etwa als Gehalt zu betrachten, sondern würden "freiwillig und ohne Rechtsgrund erbracht." Dennoch seien auch diese Einnahmen gemäß § 14 Abs. 1 S. 1 Sozialgesetzbuch (SGB) IV abgabepflichtig, da dieser grundsätzlich alle Einnahmen aus oder im Zusammenhang mit einer Beschäftigung erfasse – unabhängig davon, ob auf sie ein Anspruch bestand oder nicht. Insofern sei die Stationsvergütung eines Referendars ähnlich zu betrachten wie etwa das Trinkgeld eines Kellners.

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In Zukunft strengere Vorgaben zur Stationsvergütung?

Die Referendare selbst sind von dem Urteil nicht unmittelbar betroffen. Es könnte für sie jedoch in zwei sehr unterschiedliche Richtungen Wirkung entfalten. "Ich könnte mir vorstellen, dass die Länder als Reaktion auf das Urteil noch strengere Vorgaben hinsichtlich der zulässigen Stationsvergütung einführen werden, als das ohnehin schon der Fall ist", sagt Nils Neumann, Arbeitsrechtler bei K&L Gates. "Denkbar wäre zum Beispiel, die maximal zulässige Stationsvergütung noch weiter zu beschränken, voll auf die Unterhaltsbeihilfe anzurechnen oder im Extremfall komplett zu verbieten." Damit wären letztlich die Referendare die Leidtragenden der BSG-Entscheidung. Doch auch für die Großkanzleien, die die bisherigen Summen nicht aus reinem Altruismus zahlen, sondern um talentierte Kandidaten frühzeitig an sich zu binden, wäre diese Entwicklung unerfreulich. Neumann rechnet allerdings damit, dass dann alternative Gestaltungen den Weg aus der Misere bahnen würden: "Die Kanzleien würden Wege suchen und finden, um Referendare doch vergüten zu können - zum Beispiel über eine separate Nebentätigkeit, die dann zusätzlich zu der Stationstätigkeit stattfindet."

Rückzahlungsanspruch auf Rentenversicherungsbeiträge?

Daneben verspricht sich Neumann vom BSG-Urteil eine günstige Vorwirkung auf sein eigenes Verfahren vor dem Sozialgericht (SG) Berlin, über das an dieser Stelle bereits ausführlich berichtet wurde. Dort klagt er gegen seine Krankenkasse auf Rückzahlung der von seinem Stationsentgelt abgeführten Rentenversicherungsbeiträge. Diese waren vor dem BSG zwar gerade nicht streitig, dennoch hofft Neumann, in der Entscheidung des BSG ein günstiges Präjudiz für seinen Fall zu haben. Denn seiner Ansicht nach werden von der Stationsvergütung der Referendare bislang zu Unrecht Beiträge an die gesetzliche Rentenversicherung abgeführt. Die Rentenversicherungspflicht bestehe für klassische Arbeitsverhältnisse; die vom Land gezahlten Referendarsbezüge (Unterhaltsbeihilfe) seien hingegen ausdrücklich rentenversicherungsfrei. Wenn nach Ansicht des BSG gerade kein Arbeitsverhältnis zwischen Referendar und Ausbilder bestehe, und die von diesem gezahlte Vergütung eine freiwillige, dem Referendarsverhältnis zuzurechende Sonderzahlung darstelle, dann müsse auch für diese Vergütung die Befreiung von der Rentenversicherungspflicht gelten – und Referendare könnten die zu Unrecht abgeführten Beiträge zurückfordern. Was das in Zahlen bedeutet, hängt naturgemäß davon ab, was der einzelne Referendar von seinen Ausbildern erhält. Wer es in der Anwaltsstation auf 10.000 Euro bringt, könnte nach Neumanns Rechnung knappe 1.000 Euro von seiner Krankenkasse verlangen. Noch ist es für Referendare allerdings etwas zu früh, um nach dem Urteil des OVG Münster zur Höhe der Unterhaltsbeihilfe noch einem zweiten Geldsegen entgegenzufiebern. Eine Entscheidung in Neumanns Verfahren soll nicht vor dem dritten Quartal 2015 ergehen – und das SG ist, anders als das BSG, nicht an die Feststellung eines vorangegangenen Tatgerichts gebunden. Die Sozialrichter in erster Instanz müssen also nicht unbedingt die Auffassung teilen, dass Referendare bei ihren (Großkanzlei-)Ausbildern keine über die Ausbildung hinausgehenden Aufgaben erledigten und von diesen "freiwillig und ohne Rechtsgrund" bezahlt würden.

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