Die juristische Presseschau vom 21. August 2019: Miet­p­reis­b­remse rech­tens / Wie weiter mit Indy­media? / Unfall am Probe­tag

21.08.2019

Die Mietpreisbremse entspricht dem Grundgesetz. Gibt das BVerfG damit einen Fingerzeig für den Mietendeckel? Außerdem in der Presseschau: Interview zum Stand des Indymedia-Verbots und Versicherungsschutz für Unfall am Probetag.

Thema des Tages

BVerfG zu Mietpreisbremse: Die 2015 eingeführte Mietpreisbremse ist verfassungskonform. Dies stellte das Bundesverfassungsgericht in mehreren nun veröffentlichten Beschlüssen von Mitte Juli klar. Zwei dieser Entscheidungen betrafen Vorlagen des Landgerichts Berlin, das die Ansicht vertreten hatte, Vermieter würden aufgrund der Koppelung der Obergrenze an die ortsübliche Vergleichsmiete ungleich gegenüber Vermietern etwa in München behandelt. Das LG habe diese Auffassung aber nicht ausreichend begründet, so der ausführliche Bericht von lto.de. Die Verfassungsbeschwerde einer Vermieterin, die einen ungerechtfertigten Eingriff in ihr Eigentums-Grundrecht geltend gemacht hatte, wurde vom BVerfG mangels ausreichender Erfolgsaussichten nicht zur Entscheidung angenommen. Nach dem diesbezüglichen Beschluss würde die grundgesetzliche Eigentumsgarantie gerade keinen dahingehenden Vertrauensschutz bieten, künftig niemals in der Nutzung beschränkt zu werden. Die beanstandete Beschränkung sei angesichts des mit ihr verfolgten sozialpolitischen Zwecks gerechtfertigt. Berichte zu den Entscheidungen bringen auch FAZ (Hendrik Wieduwilt), taz (Christian Rath), Welt (Michael Fabricius) sowie tagesschau.de.

Christian Rath (taz) bezeichnet die Entscheidung in seinem Kommentar als "nicht überraschend". Die Karlsruher rechtlichen Wertungen seien auch auf die soeben beschlossenen gesetzlichen Nachbesserungen übertragbar. Ob dies gleichermaßen für Ideen wie den Berliner Mietendeckel gelte, sei weniger eindeutig, aber "politisch wünschenswert". Reinhard Müller (FAZ) dagegen erinnert im Leitartikel an die Aufgabe des Gerichts. Dieses habe darauf zu achten, "ob die Grenzen des Grundgesetzes überschritten wurden". Bei einer Regelung, "die auf Dauer zu Verlusten für den Eigentümer" führen würde, sei dies nicht mehr der Fall. Olaf Gersemann (Welt) schließlich spricht den Karlsruher Richtern wirtschaftlichen Sachverstand ab. Wie bereits bei der Entscheidung zur Euro-Rettung kapitulierten sie "vor der normativen Kraft des Faktischen". Dass dem Gesetzgeber und dessen "wohnungspolitischer Regulierungswut" darüber hinaus ex ante ein "Freibrief" ausgestellt werde, "wird handfeste Folgen haben".

Rechtspolitik

Uploadfilter: Bei der nun anstehenden Umsetzung der EU-Urheberrechtsreform wird die Bundesrepublik nicht um die Einführung der umstrittenen Uploadfilter herumkommen. Dies ist der Tenor von Fachmeinungen, denen sich die FAZ (Hendrik Wieduwilt) widmet. Der von der CDU mit ihrer Zusage, auf die Filter verzichten zu wollen, eröffnete Spielraum habe sich durch die jüngste Sampling-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs weiter verengt. Die Luxemburger Richter hätten klargemacht, "was sie von nationalen Ausnahmen im Urheberrecht halten: nichts".

§ 175 StGB n.F.? Die SPD-Bundestagsabgeordneten Johannes Kahrs und Karl-Heinz Brunner haben einen Gesetzentwurf erarbeitet, der das Anbieten sogenannter Konversionstherapien unter Strafe stellt. Ein neuer § 175 Strafgesetzbuch solle Ärzte mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren auch dann bestrafen, wenn sie vom "Patienten" ernstlich bestimmt würden, dessen Homosexualität zu "therapieren", schreibt die SZ (Ronen Steinke) und gibt zu bedenken, dass der gewählte Wortlaut des Diskussionsentwurfs auch Therapien für Sexualstraftäter oder Pädophile unter Strafe stellen würde.

Genfer Konvention: Ronen Steinke (SZ) würdigt die Genfer Konventionen, deren vor 70 Jahren beschlossener Teil militärische Gewalthandlungen gegenüber Zivilisten ächtete, als "Minimum der Menschlichkeit". Angesichts sich verändernder Kriege sei das Genfer Recht in einem "Sumpf" versunken, der sich durch Zwischenformen wie den vom damaligen US-Verteidigungsminister Donald Rumsfeld eingeführten "unrechtmäßigen Kämpfern" auszeichne. Um "das alte Prinzip in die neue Zeit" zu bringen, bedürfe es einer "neuen Genfer Konvention".

Steuer-Reformen: Die SZ (Cerstin Gammelin) bringt einen Überblick zum jeweiligen Stand von acht Gesetzesvorhaben aus dem Bereich des Steuerrechts.

Justiz

BGH zu paritätischem Aufsichtsrat: Bei der Ermittlung der Schwellengrenze, ab der ein Unternehmen zur Einrichtung eines paritätisch besetzten Aufsichtsrates verpflichtet, können Leiharbeiter mitgezählt werden. Voraussetzung ist jedoch nach einem nun veröffentlichten Beschluss des Bundesgerichtshofes von Ende Juni , dass die Einsatzdauer der Leiharbeiter sechs Monate übersteige, so lto.de über die Entscheidung, von der die FAZ (Hendrik Wieduwilt) ebenfalls berichtet.

BVerwG – Indymedia: Vor zwei Jahren verfügte der damalige Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) das Verbot des Portals "linksunten.indymedia". Hiergegen ist eine Klage beim Bundesverwaltungsgericht anhängig. Im Interview mit der taz (Katharina Schipkowski) äußert sich die Rechtsanwältin Katrin Pietrzyk zum Stand dieses und anderer Verfahren zu der Angelegenheit. Nach dem separaten Kommentar von Katharina Schipkowski (taz) belegen die jüngsten Ermittlungseinstellungen gegen vermeintliche Aktivisten des Portals und der schleppende Fortgang des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, dass das Verbot "ein populistischer Akt des Innenministeriums im Bundestagswahlkampf 2017" gewesen sei. Seine Aufhebung sei auch nötig, um die Betreiber "unliebsamer Webportale" oder einfacher Nachbarschafts-Initiativen vor der sonst stets drohenden Einstufung als verfassungsfeindlicher Verein zu schützen.

BSG zu Probetag: Auch die bei einem Probetag ausgeübte Arbeit unterfällt dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Dies entschied nach Bericht von lto.de das Bundessozialgericht. Zwar liege ein Beschäftigungsverhältnis nicht vor. Ein zur Probe Arbeitender sei jedoch als "Wie-Beschäftigter" zu behandeln, weil er eine dem Willen des Arbeitgebers entsprechende Tätigkeit von wirtschaftlichem Wert erbringe.

BFH zu Steuerberaterkosten: Die vom Arbeitgeber übernommenen Steuerberatungskosten von Arbeitnehmer zählen nicht zum Arbeitslohn. Dies entschied nach Meldung der FAZ (Hendrik Wieduwilt) unter Änderung seiner bisherigen Rechtsprechung der Bundesfinanzhof im Mai. Das betreffende Unternehmen handele bei der Kostenübernahme überwiegend im eigenen Interesse, konkret zur Erfüllung einer Nettolohnvereinbarung.

KG Berlin – Diesel-Skandal: Auch das Kammergericht ist der Ansicht, dass VW die Käufer seiner Diesel-Fahrzeuge vorsätzlich und sittenwidrig geschädigt hat. Dies geht aus gerichtlichen Hinweisen in zwei anhängigen Verfahren hervor, über die lto.de berichtet.

OLG Celle – Abu Walaa: Im Strafverfahren gegen den mutmaßlichen IS-Aktivisten Abu Walaa wurde die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU) am Oberlandesgericht Celle als Zeugin vernommen. Hintergrund sei die frühere Tätigkeit der Ministerin als Richterin, meldet die SZ.

LAG Köln zu Scheinselbständigkeit: Ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln aus dem Mai nimmt Rechtsanwalt Jannis Kamann (Hbl-Rechtsboard) zum Anlass für vertiefte Praxishinweise für die rechtssichere Beschäftigung vermeintlich freier Dienstleister.

LAG Düsseldorf zu Tanztheater-Intendantin: Wie bereits die Vorinstanz ist auch das Landesarbeitsgericht Düsseldorf zur Auffassung gelangt, dass die Kündigung der Intendantin des Wuppertaler Tanztheaters unwirksam ist. Ob dies zu einer weiteren Beschäftigung der klagenden Kulturmanagerin führt, werde später entschieden, meldet die FAZ.

LG Dortmund zu Vertragsbeendigung: Die Sparkasse Dortmund darf nach einer noch nicht rechtskräftigen Entscheidung des örtlichen Landgerichts Kunden gegenüber nicht mehr behaupten, dass deren Widersprüche gegen Entgelterhöhungen zu einer Vertragsbeendigung ohne übliche Kündigungsfrist führen. Die von Verbraucherschützern erfochtene Entscheidung stellt das Hbl (Frank M. Drost) vor.

LG Frankfurt/M. – Falk-Erbe: Am heutigen Mittwoch beginnt am Landgericht Frankfurt/M. der Strafprozess gegen den Verlagserben Alexander Falk, dem die Beauftragung eines Mordes vorgeworfen wird. Die Verteidigung habe eine umfassende Erklärung angekündigt, schreibt das Hbl (René Bender) in einem ausführlichen Vorbericht. spiegel.de (Julia Jüttner) berichtet ebenfalls vertieft über den ungewöhnlichen Fall.

Recht in der Welt

USA – Polizeigewalt: Der FAZ-Einspruch (Katja Gelinsky) berichtet zu einer jüngst veröffentlichten US-amerikanischen Studie über tödliche Polizeigewalt im Lande. Forscher hätten ermittelt, dass sich die Wahrscheinlichkeit, als Schwarzer bei einem Polizeieinsatz erschossen zu werden, nicht dadurch erhöht, dass der schießende Beamte weißer Hautfarbe ist. Tatsächlich seien schwarze Opfer derartiger Tötungen gegenüber anderen ethnischen Gruppen überrepräsentiert, die Hautfarbe des jeweiligen Schützen spiele hierbei aber keine entscheidende Rolle.

El Salvador – Abtreibung: Die taz (Ralf Leonhard) porträtiert eine junge Frau aus El Salvador, die nach einer Verurteilung wegen schweren Mordes nun freigesprochen wurde. Vor zwei Jahren hatte die Frau eine Totgeburt erlitten, das salvadorianische Recht mit einem "der schärfsten Abtreibungsverbote der Welt" beurteilte Derartiges regelmäßig als Rechtsbruch.

Sudan – Omar Al-Bashir: Über die Eröffnung des Verfahrens gegen den früheren sudanesischen Diktator Omar Al-Bashir schreibt nun auch die taz (Karim El-Gawhary).

Juristische Ausbildung

HanseMoot: Am 4. und 5. November findet in Hamburg der 2. HanseMoot statt. Der Wissenschaftliche Mitarbeiter Philipp Kleiner (juwiss.de) stellt das diesjährige Thema "Sitzungsausschluss einer Parlamentarierin im Bundestag" und das Verfahren beim bundesweiten verfassungsrechtlichen Moot Court für Studenten vor.

Sonstiges

Mandantenakquise: Der Aufbau eines Mandantenstamms ist Voraussetzung für das wirtschaftliche Gelingen anwaltlicher Praxis. Auf lto.de stellt Carmen Schön, Assessorin und Coach, erfolgversprechende Strategien, speziell bei der sogenannten Kaltakquise, bei der vor dem Mandat noch keine Geschäfts- oder persönliche Beziehung bestanden hat, vor.

Rechtsjournalismus: Der dieswöchige SWR RadioReportRecht (Ramon Babazadeh) unternimmt einen Blick hinter die Kulissen juristischer und rechtspolitischer Berichterstattung. Zu diesem Zweck lässt sich der themenferne Autor von Kollegen deren Arbeitsweise erklären.

E-Roller: Im Gespräch mit der FAZ (Constantin van Lijnden) zieht Rechtsprofessor Dieter Müller ein vorläufiges Fazit zu rechtlichen Aspekten der seit zwei Monaten auf deutschen Straßen fahrenden E-Roller.

Das Letzte zum Schluss

Andenken: Dieses Urlaubssouvenir wird ein französisches Ehepaar bestimmt nicht so bald vergessen, auch ohne die Möglichkeit behaglicher Betrachtung auf der heimischen Couch: Wie die SZ (Martin Zips) schreibt, wollte das Paar auf 14 Plastikflaschen verteilte 40 Kilo sardischen Sand auf die nach Frankreich gehende Fähre mitnehmen. Unterbunden hat dies die Guardia di Finanza, nun drohten angeblich bis zu sechs Jahre Haft.

Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen Internet-Angebot des jeweiligen Titels.

Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

lto/mpi

(Hinweis für Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 21. August 2019: . In: Legal Tribune Online, 21.08.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/37159 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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