Bachelet spricht im UN-Bericht von "ernsten Menschrechtsverletzungen" Chinas. Betreiber eines Bewertungsportals müssen darlegen, dass Bewertungen von einem Gast stammen. Die Lufthansa darf Zubringerflüge für Konkurrenten nicht reduzieren.
Thema des Tages
UN/China – Uiguren: Als letzte Amtshandlung veröffentlichte die UN-Hochkommissarin für Menschenrechte, Michelle Bachelet, ihren seit mehreren Jahren in Arbeit befindlichen Bericht zur Menschenrechtssituation in der chinesischen Provinz Xinjiang und kritisiert den Umgang mit Minderheiten in China massiv. Der Umfang willkürlicher und diskriminierender Inhaftierung von Angehörigen der Uiguren und anderen überwiegend muslimischen Gruppen sei enorm. Es seien "ernste Menschenrechtsverletzungen" begangen worden, die "Verbrechen gegen die Menschlichkeit" darstellen können. Auch sei davon auszugehen, dass den Menschen fundamentale Rechte vorenthalten wurden. Sie fordert die Regierung Chinas dazu auf, die Vorwürfe von Folter, sexueller Gewalt und Todesfällen in Haft oder Polizeigewahrsam zu untersuchen sowie die Opfer von Menschenrechtsverletzungen zu entschädigen. Die Situation in Xinjiang erfordere die "dringende Aufmerksamkeit" der Vereinten Nationen und der internationalen Gemeinschaft. China hält die Anschuldigungen für "falsch und illegal". Dies berichten SZ (Florian Müller/Isabel Pfaff), FAZ (Friederike Böge), taz (Fabian Kretschmer), LTO und spiegel.de (Christoph Giesen).
Peter Sturm (FAZ) hält die Freilassung aller Inhaftierten für das "Mindeste", was verlangt werden könne. Es bleibe spannend, wie weit der "Mut" der Mitgliedstaaten gegenüber China reichen wird. China stehe nun in einer Ecke, aus der es nur schwer entkommen könne, so Stefan Kornelius (SZ). Insgesamt liegen zwar keine neuen Erkenntnisse zur Situation und den Umgang mit Minderheiten in Xinjiang vor, es handele sich aber dennoch um einen "Durchbruch für Betroffene und Angehörige, findet Fabian Kretschmer (taz). Er betont, dass ein "Wegschauen" international nun nicht mehr möglich sei.
Rechtspolitik
Gasumlage: In einem Interview mit LTO (Hasso Suliak) äußert sich Rechtsprofessor Martin Burgi kritisch zur geplanten Gasumlage und der Sorge, dass die Ausgestaltung der Verordnung dazu führen könnte, dass auch Unternehmen, die nicht in Not sind, von ihr profitieren (Trittbrettfahrer-Problematik). Er betont, dass das Geld nicht aus dem Staatshaushalt komme und die Umwälzung auf Verbraucher diesen wiederum in einem Energiemarkt, der durch "sehr viele komplexe Verhältnisse von mehrfach gestuften Beteiligungen charakterisiert" sei, zugutekommen werde. Ein Vorbild der Verordnung sei die EEG-Umlage, die ein "weitmaschiges verfassungsrechtliches Kontrollraster" habe. Seiner Meinung nach sind Korrekturen der Gasumlage aus verfassungsrechtlicher Sicht nicht geboten und nur eine Frage der "politischen Akzeptanz". Der Spielraum sei weit. Wolle man jedoch Trittbrettfahrer ausschließen, müsse sowohl die Verordnung als auch die Ermächtigungsgrundlage § 26 Absatz 5 EnSiG im Bundestag geändert werden. Durch einschränkende Formulierungen wie "systemrelevant" oder "Gewinne an anderer Stelle" könne der Kreis der Anspruchsberechtigten verkleinert werden.
Notfallinstrument für EU-Binnenmarkt: Wie die SZ (Björn Finke) berichtet, will die EU-Kommission in den kommenden zwei Wochen einen Verordnungsvorschlag mit dem Namen "Notfallinstrument für den Binnenmarkt" (SMEI) vorlegen, der sicherstellen soll, dass die Mitgliedstaaten bei Ausbruch einer Krise besser vorbereitet sind und der Waren- und Personenverkehr möglichst nicht eingeschränkt wird. Wichtige Güter und Dienstleistungen, die im Notfall knapp werden könnten, sollen aufgelistet werden. Zudem soll ein Frühwarnsystem Gefahren erkennen, die Europas Versorgung und die Funktionsweise des Binnenmarktes beeinträchtigen könnten.
Ersatzfreiheitsstrafe: Justizminister Marco Buschmann (FDP) analysiert in der Welt die Vor- und Nachteile der Ersatzfreiheitsstrafe. Er sieht sie zwar in der Praxis als "wirksames" Mittel, um eine Geldstrafe durchzusetzen, findet jedoch gleichzeitig, dass sie oft "über das Ziel hinausgehe", wenn sie vollstreckt wird. So sei die Berechnung, nach der ein Tagessatz Geldstrafe einem Tag Inhaftierung entspreche, "überzogen". Die Lösung sei sein Gesetzentwurf, der zwei Tagessätze Geldstrafe für einen Tag Inhaftierung vorsehe. Die Ersatzfreiheitsstrafe halbiere sich auf diese Weise und es werde eine verhältnismäßige Strafe geschaffen.
Justiz
BGH zu Hotelbewertungen: Der Bundesgerichtshof hat Anfang August entschieden, dass der Betreiber eines Online-Bewertungsportals auf Rüge des Hotels darlegen muss, dass eine anonym oder pseudonym abgegebene Bewertung tatsächlich von einem Gast des Hotels stammt. Kommt er dieser Prüfpflicht hinsichtlich der Gästeeigenschaft nicht nach, sei zu unterstellen, dass die Bewertung nicht von einem Gast stamme. Die entsprechende Bewertung ist dann rechtswidrig. Das Hotel kann die fehlende Gästeeigenschaft aber nur dann ohne weiteres rügen, wenn die Bewertung kein gästespezifisches Sonderwissen enthalte. Dies berichtet LTO.
BVerwG zu Neonazi-Gruppe "Nordadler": Nun berichtet auch beck-aktuell (Joachim Jahn) über die vom Bundesverwaltungsgericht abgewiesene Klage gegen die Verbotsverfügung des Bundesinnenministeriums gegen die Neonazi-Gruppe "Nordadler".
OLG Köln – Cum-Ex/Christian Olearius: Das Oberlandesgericht Köln hat die von Christian Olearius, Gesellschafter der Warburg-Bank, erhobene Beschwerde gegen die Anklage wegen Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit Cum-Ex-Steuertricks zurückgewiesen. Seinem Anspruch auf rechtliches Gehör sei im Ermittlungsverfahren zwar nicht vollständig entsprochen worden, dennoch sei dies nicht so schwerwiegend, dass die Zustellung der Anklage widerrechtlich gewesen sei. Olearius und sein Verteidiger hätten schon seit Jahren von dem Ermittlungsverfahren gewusst, so das Gericht. Es schreiben LTO und Hbl (Sönke Iwersen/Volker Votsmeier).
OLG München - Gender-Leitfaden: Nachdem das Landgericht Ingolstadt die Unterlassungsklage eines VW-Mitarbeiters gegen einen Audi-Leitfanden für geschlechtergerechte Sprache abgewiesen hatte, hat der Mitarbeiter nun Berufung gegen das Urteil eingelegt. Dies melden LTO und spiegel.de.
VG Düsseldorf zu Auto-Posen: Das Verwaltungsgericht Düsseldorf hat entschieden, dass die Stadt Düsseldorf nicht befugt ist, mit Ordnungsverfügungen das Imponiergehabe (durchdrehende Reifen, aufheulende Motoren) von sogenannten "Auto-Posern" zu verbieten, um dann Zwangsgelder zur Durchsetzung des Verbots zu verhängen. Es fehle an einer Rechtsgrundlage. Laut abschließendem Bundesrecht könne die Stadt lediglich ein Bußgeld gem. § 30 Absatz 1 StVO verhängen. LTO berichtet.
LSG Nds-Bremen zu Sozialhilfe und Inflationsausgleich: Das Landessozialgericht Niedersachsen-Bremen hat entschieden, dass es keine gesetzliche Grundlage für eine gerichtlich angeordnete Erhöhung existenzsichernder Leistungen zum Inflationsausgleich gibt. Der grundrechtliche Leistungsanspruch sei dem parlamentarischen Gesetzgeber vorbehalten. Die Fachgerichte können daher keine Leistung zusprechen, die über dem gesetzlichen Regelsatz liege, so das Gericht. Auch sei der Regelsatz trotz hoher Inflation und Preissteigerung nicht unzureichend, da die Bundesregierung und der Gesetzgeber bereits durch Entlastungspakete reagiert hätten. Dies berichtet LTO.
LG Köln zu Dooring-Unfall: Nun berichtet auch spiegel.de über die Entscheidung des Landgerichts Köln, nach der ein Radfahrer nicht verpflichtet ist, zu parkenden Autos einen so großen Abstand zu halten, dass die Kfz-Türen problemlos geöffnet werden können.
LG Leipzig – MDR/Udo Foht: Vor dem Landgericht Leipzig hat der Prozess gegen den ehemaligen MDR-Unterhaltungschef Udo Foht wegen Betrugs, Untreue und Bestechlichkeit begonnen. Ihm wird vorgeworfen sich zwischen 2006 und 2011 in 13 Fällen Geld von bekannten Schlagerstars und Produktionsfirmen geliehen zu haben, ohne es anschließend zurückgezahlt zu haben. Außer seinen Personalien war die Bitte nach Kopfhörern jedoch das Einzige, was er sagte. Fohts Anwälte ließen aber bereits verlauten, dass der Angeklagte an einem Geständnis interessiert sei und wollen sich hierzu am heutigen Freitag äußern. Dies berichten SZ (Anna Ernst) und FAZ.
AG Berlin-Tiergarten zu Nötigung durch Klimaaktivist: Nun berichtet auch die taz (Gareth Joswig) über die Verurteilung des 20-jährigen Klimaaktivisten Nils R., der sich als Protest an der Fahrbahn der Berliner Stadtautobahn festgeklebt hatte.
StA Berlin – Anstiftung zu Auftragsmord: Die Staatsanwaltschaft Berlin hat Anklage gegen einen 28-Jährigen wegen versuchter Anstiftung zum Mord erhoben. Ihm wird vorgeworfen im Jahr 2020 im Darknet einen vermeintlichen Auftragsmörder beauftragt zu haben, um den Lebensgefährten eines Mannes, in den er unglücklich verliebt war, töten zu lassen. Hierzu soll er seine Daten und Fotos des potenziellen Opfers auf einem Portal hinterlegt haben sowie eine Summe in Bitcoin angezahlt haben. Tatsächlich handelte es sich bei dem vermeintlichen Auftragsmörder aber um einen Betrüger, der nur das Geld kassierte. spiegel.de berichtet.
StA Dortmund – tödlicher Polizeieinsatz: Die Staatsanwaltschaft Dortmund hat im Zusammenhang mit dem Tod eines 16-jährigen Senegalesen, der bei einem Polizeieinsatz am 8. August erschossen wurde, Ermittlungen gegen fünf Polizeibeamte eingeleitet. Der Vorwurf umfasst unter anderem Totschlag und Anstiftung zur gefährlichen Körperverletzung im Amt. Die Beamten hatten während des Einsatzes den Jugendlichen mit Reizstoff besprüht, Taser eingesetzt und ihn dann mit einer Maschinenpistole erschossen. SZ (Gunnar Herrmann) und spiegel.de berichten.
Linke/Freie Sachsen: Wie taz (Rieke Wiemann) und spiegel.de berichten, haben die Linken-Politiker Gregor Gysi und Sören Pellmann gegen die rechtsextreme Splitterpartei Freie Sachsen (nicht näher erläuterte) "rechtliche Schritte" eingeleitet, nachdem die Partei fälschlicherweise den Eindruck erweckt hatte, Linke und Rechtsextreme würden in Leipzig zusammen gegen die Energiepolitik protestieren.
Recht in der Welt
Chile – neue Verfassung: Am 4. September stimmen die Chilen:innen über eine neue Verfassung ab, die indigenen Völkern erstmals ein Recht auf eigene Gebiete geben würde. Die SZ (Christoph Gurk) schildert in einer Seite-Drei-Reportage, welche Hoffnungen die Indigenen in diese neue Verfassung haben und welche Probleme sich stellen könnten.
Spanien – Katalonien-Konflikt: Wie die taz (Reiner Wandler) berichtet, hat der Menschenrechtsausschuss der Vereinten Nationen entschieden, dass die Suspendierung des Ex-Vizeregierungschefs der Region Katalonien, Oriol Junqueras, und dreier Minister der Autonomieregierung durch die spanische Zentralregierung in Madrid eine Verletzung ihrer politischen Rechte als Volksvertreter darstellt. Sie wurden im Oktober 2017 nach einem untersagten Unabhängigkeitsreferendum aus ihren Ämtern enthoben und kamen in Untersuchungshaft.
Sonstiges
Zubringerflüge: Das Bundeskartellamt sieht in der Einschränkung von Zubringerflügen der Lufthansa für Langstreckenflüge anderer Flugunternehmen eine wettbewerbsrechtliche Behinderung der Konkurrenten und hat entschieden, dass die Lufthansa deshalb die langjährigen Kooperationsvereinbarung mit dem Konkurrenzunternehmen Condor nicht kündigen darf. Dem Bundeskartellamt zufolge erreichen Ferntouristen ihren Überseeflug zu 30 bis 40 Prozent mit Zubringerverbindungen. Allein die Lufthansa könne ein umfassendes Zubringernetz zu den Flughäfen Frankfurt, München und Düsseldorf anbieten und habe daher eine marktbeherrschende Stellung. Dies begründe einen Anspruch auf Zubringerflüge der Airline. Es schreiben SZ und LTO.
Hans-Christian Ströbele: In einem Nachruf erinnert der Strafverteidiger und Medienrechtler Johannes Eisenberg auf LTO an den Rechtsanwalt und ehemaligen Grünenpolitiker Hans-Christian Ströbele, der am Montag starb. Eisenberg beschreibt ihn als "unbestechlichen, unendlich fleißigen, mutigen und zugleich schlauen" Verteidiger, der "keine Allüren" gehabt habe, "was es bei Strafverteidigern praktisch nicht gibt".
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Am Montag erscheint eine neue LTO-Presseschau.
LTO/ok
(Hinweis für Journalist:innen)
Was bisher geschah: zu den Presseschauen der Vortage.
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Die juristische Presseschau vom 2. September 2022: . In: Legal Tribune Online, 02.09.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49509 (abgerufen am: 24.11.2024 )
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