Die juristische Presseschau vom 11. Januar 2022: Lemke für "Recht auf Repa­ratur" / Ein­spruch von Djo­kovic erfolg­reich / Fresh­fields expan­diert bei Mas­sen­ver­fahren

11.01.2022

Verbraucherministerin Steffi Lemke will das "Recht auf Reparatur" voranbringen. Tennisspieler Novak Djokovic kann vorerst in Australien bleiben. Freshfields Bruckhaus Deringer eröffnet neue Büros mit jungen Jurist:innen.

Thema des Tages

Recht auf Reparatur: Verbraucherschutzministerin Steffi Lemke (Grüne) will sich für das "Recht auf Reparatur" einsetzen. Hiermit soll es Verbraucher:innen möglich sein, ein Produkt länger zu nutzen oder eine Reparatur zu einem vertretbaren Preis durchführen zu lassen. Die Hersteller sollen verpflichtet sein, Ersatzteile fünf Jahre oder länger vorrätig zu halten. In einem Forschungsvorhaben des Ministeriums werde derzeit ein digitaler Produktpass mit Informationen zu Reparierbarkeit und Ersatzteilen entwickelt. Erste Ansätze von Reparaturpflichten finden sich für Geräte mit relevantem Energieverbrauch in der EU-Ökodesign-Richtlinie von 2005. Seit Beschluss der Richtlinie seien aber noch nicht einmal für zehn Produktgruppen Vorgaben zu Reparierbarkeit und Ersatzteilen gemacht worden. Der Verbraucherzentrale Bundesverband fordert die Bundesregierung daher zu nationalen Regelungen auf. Es berichtet die FAZ (Katja Gelinsky)

Rechtspolitik

Impfpflicht: Die eventuelle Einführung einer Corona-Impfpflicht ist wohl erst später möglich als bisher angenommen, weil der Bundestag im Februar nur eine Sitzungswoche geplant hat. Kanzler Olaf Scholz (SPD) hatte eine Einführung Ende Februar, Anfang März in Aussicht gestellt. In der CDU/CSU-Fraktion gibt es nun Überlegungen, eine Sondersitzung im Februar zu beantragen. Bisher liegen allerdings auch noch keine fraktionsübergreifenden Gruppenanträge vor. SPD-Fraktions-Vize Dirk Wiese betonte, dass eine Impfpflicht nicht kurzfristig wirken könne, sondern eine neue Corona-Welle im kommenden Herbst verhindern soll. Es berichten SZ (Cerstin Gammelin), Welt (Luisa Hofmeier/Nikolaus Doll/Kaja Klapsa) und spiegel.de (Florian Gathmann/Christian Teevs).

Thomas Holl (FAZ) kritisiert, dass Olaf Scholz die Entscheidung über ein wichtiges Vorhaben auf diese Weise "treuherzig zur Gewissensentscheidung jedes Abgeordneten" gemacht habe und nun "kostbare Zeit" vergehe, bis Gruppenanträge formuliert werden. Malte Arnsperger (focus.de) hingegen warnt, dass Eile kein "guter Ratgeber" bei diesem Thema sei und zieht einen Vergleich zur geplanten Impfpflicht in Österreich, die sich auch verzögere, weil man immer wieder auf neue Probleme stoße.

Erbschaftssteuer: In Bayern trifft Unternehmenserb:innen derzeit keine Nachversteuerung bei der Erbschafts- und Schenkungssteuer, wenn sie innerhalb von sieben Jahren nach dem Erbfall Mitarbeiter:innen entlassen müssen und dies eine Folge der Corona-Pandemie ist. Bayern nutzt damit als erstes Bundesland eine Ausnahmeregelung zum Erbschaftssteuerrecht, auf die sich Bund und Länder geeinigt hatten. Sie gilt vorerst für den Zeitraum zwischen 1. März 2020 und 30. Juni 2022. Es berichtet LTO.

Cannabis: Laut spiegel.de (Alexander Preker) arbeitet Justizminister Marco Buschmann (FDP) bereits an Regelungen zum Verkauf von Cannabis, die nach einer Legalisierung der Droge gelten sollen. Eine Lizenz als Cannabis-Verkäufer:in soll nur erhalten, wer Kenntnisse über die Droge und damit verbundene Risiken nachweisen kann. Dies sei zum Beispiel bei Apotheken gegeben. 

Tierschutz und Polizeihunde: Die Tierschutz-Hundeverordnung, die Anfang des Jahres in Kraft getreten ist, hat Folgen für den Einsatz von Polizeihunden. Weil die Verordnung schmerzhafte Mittel bei der Erziehung von Hunden verbietet und die Polizeihunde in vielen Bundesländern mit Hilfe von Stachel-Halsbändern im Einsatz kontrolliert werden, könnte ein Zwangsurlaub der Hunde drohen. Niedersachsen hat im Bundesrat eine temporäre Ausnahmeregelung vorgeschlagen, berichtet LTO.

Lieferketten und Menschenrechte: Viele Unternehmen sind mit der Vorbereitung auf das Inkrafttreten des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) im Verzug, berichtet das Hbl (Christoph Schlautmann). Das Gesetz verpflichtet Unternehmen mit mehr als 3000 Beschäftigten ab 2023 dazu, ihre Lieferketten zu kontrollieren und sich um Schutzmaßnahmen zu kümmern. Möglicherweise muss das deutsche Gesetz noch nachgebessert werden. Denn die EU-Kommission plant eine entsprechende Richtlinie, die auch kleine und mittlere Unternehmen in risikoreichen Sektoren erfasst.

Justiz

BGH zu Porsche-Mord: Der Bundesgerichtshof hat laut SZ das Urteil zum sogenannten Porsche-Mord aufgehoben und damit der Revision stattgegeben, die die Verteidigung des wegen Mordes zu lebenslanger Haft verurteilten David H. eingelegt hatte. Das Merkmal der Heimtücke sei nicht erfüllt, entschied der BGH. H. hatte im März 2020 einen Drogendealer durch drei Kopfschüsse in seinem Porsche getötet. 

OVG Koblenz zu Corona-Spaziergängen: Das Oberverwaltungsgericht Koblenz bestätigte die Eil-Entscheidung des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße zum Verbot von sogenannten "Montagsspaziergängen" und wies damit eine Beschwerde zurück. Der Kreis Südliche Weinstraße hatte zuvor durch Allgemeinverfügung die nicht angemeldeten Corona-Spaziergänge mit der Begründung verboten, es sei zu erwarten, dass Teilnehmer:innen infektionshygienische Auflagen nicht einhalten. Laut OVG Koblenz lasse sich nicht feststellen, ob das Verbot offensichtlich rechtswidrig oder rechtmäßig ist. Dies müsse im Hauptsacheverfahren geklärt werden, aufgrund einer Folgenabwägung blieb das Verbot jedoch in Kraft. Es berichten LTO (Markus Sehl) und beck-aktuell.

LTO (Annelie Kaufmann/Markus Sehl) geben einen Überblick über die rechtlichen Probleme und die bisherige Rechsprechung zu dieser Frage. Als komplex gilt dabei das Verhältnis von Infektionsschutzgesetz und Versammlungsrecht. Nach Auslaufen der epidemischen Rechtslage von nationaler Tragweite sind rein infektionsschutz-rechtliche Versammlungsverbote nicht mehr möglich. Zu klären sei nun, ob daraus eine Sperrwirkung für versammlungsrechtliche Verbote folge.

LG Köln zu Schüssen von Ex-CDU-Politiker: Das Landgericht Köln verurteilte den früheren CDU-Kommunalpolitiker Hans-Josef B. zu dreieinhalb Jahren Haft wegen gefährlicher Körperverletzung, Beleidigung und illegalem Waffenbesitz. Laut Gericht habe B. im Jahr 2019 Passanten rassistisch beleidigt und einen 20-Jährigen mit einer Waffe, für die er keine Erlaubnis hatte, durch einen Schuss verletzt. Es berichten spiegel.de (Anette Langer) und taz (Benjamin Weber).

VG Minden – Corona-Entschädigungen und Fleischindustrie: Das Verwaltungsgericht Minden wird am 26. Januar darüber entscheiden, ob Mitarbeiter:innen der Fleischindustrie einen Anspruch auf Entschädigung haben, wenn sie aufgrund der Corona-Pandemie zeitweise nicht arbeiten konnten. Laut IfSG steht demjenigen eine finanzielle Entschädigung zu, der als Träger von Krankheitserregern oder als Verdachtsperson nicht arbeiten darf und sich zum Schutz der Belegschaft absondern muss. Die Landesregierung von Nordrhein-Westfalen hatte jedoch die zuständigen Landschaftsverbände angewiesen, Entschädigungsanträge aus der Fleischindustrie abzulehnen, weil die Unternehmen durch Schutzpflichtverletzungen die Infektionen selbst verursacht hätten. Dagegen hatten Arbeitgeber der Fleischindustrie geklagt. Es berichtet LTO.

StA Mainz – Luca-App: In einem Kommentar kritisiert Jannis Brühl (SZ) den unberechtigten Zugriff der Mainzer Staatsanwaltschaft auf Daten der Luca-App. Die Politik verspiele das Vertrauen, wenn sie immer wieder betone, dass "Anti-Corona-Technik nie Überwachungstechnik" werde und dann doch nicht "sauber trennt". 

Rechtsextremer Richter Jens Maier: Auf dem Verfassungsblog fordert Rechtsprofessor Andreas Fischer-Lescano das sächsische Justizministerium auf, ein Disziplinarverfahren gegen den in den Justizdienst zurückkehrenden rechtsextremen Richter Jens Maier einzuleiten, mit dem Ziel ihn aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Auch während Maiers Zeit als AfD-Bundestagsabgeordneter hätten seine beamtenrechtliche Pflichten nicht völlig geruht. Das Vertrauen der Allgemeinheit sei nach Maiers rassistischen und rechtsextremistischen Äußerungen endgültig verloren gegangen.

Recht in der Welt

Australien – Einreise Djokovic: Der Tennisspieler Novak Djokovic hatte mit seinem Einspruch gegen die Verweigerung seiner Einreise nach Australien Erfolg. Dies entschied ein australisches Gericht mit der Begründung, die Ablehnung des Visums sei früher entschieden worden als zuvor angekündigt. Djokovic habe 48 Minuten zu wenig Zeit gehabt, Gründe gegen die Ablehnung vorzubringen. Unklar blieb zunächst, ob der australische Einwanderungsminister Alex Hawke ihm das Visum erneut entziehen wird. Dies könnte mit der "Bedrohung der öffentlichen Sicherheit" begründet werden. Es berichten spiegel.de (Markus Krämer), LTO, und faz.net (Christoph Hein).

Myanmar – Aung San Suu Kyi: Laut spiegel.de (Felix Keßler) und SZ wurde die frühere Regierungschefin Aung San Suu Kyi in einem neuen Prozess zu einer vierjährigen Gefängnisstrafe verurteilt. Das Gericht nannte den illegalen Import und Besitz von zwei Walkie Talkies sowie den Verstoß gegen Coronavorschriften als Gründe für die Verurteilung. 

Tunesien – Politiker:innen vor Gericht: Am 19. Januar müssen sich 19 Politikgrößen vor dem Strafgericht in Tunis verantworten. Ihnen wird verbotene Wahlwerbung, Verletzung des Wahlgeheimnisses oder die Annahme von illegalen Parteispenden aus dem Ausland vorgeworfen. Unter den Angeklagten sind die ehemaligen Regierungschefs Youssef Chahed und Elyes Fakhfakh, der ehemalige Präsidentschaftskandidat Nabil Karoui sowie Rached Ghannouchi, der Chef der moderaten Islamistenpartei Ennahda und Präsident des im Juli vom neu gewählten Präsident Kais Saied suspendierten Parlaments. Es schreibt die taz (Mirco Keilberth).

USA – Guantanamo: Laut SZ haben Bundestagsabgeordnete von SPD, Grünen und Linken in einem Brief an US-Präsident Joe Biden gefordert, das mittlerweile seit 20 Jahren existierende Gefangenen-Lager in Guantanamo zu schließen. In einem Gastbeitrag für die SZ kommentiert der Anwalt Wolfgang Kaleck : "wer über Menschenrechte redet, darf zu Guantanamo nicht schweigen". 

Sonstiges

Freshfields: Juve-Chefredakteur Aled Wyn Griffiths kommentiert in seiner Hbl-Kolumne die Entscheidung von Freshfield Bruckhaus Deringer, eine Einheit für Massenverfahren aufzubauen und für neue Büros in Uni-Städten hunderte junger Jurist:innen einzustellen. Freshfields diktiere damit wieder einmal die Spielregeln. Außerdem zeige der Vorgang, dass die Bedeutung von Legal Tech in Massenverfahren immer noch überschätzt werde. 

 

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lto/ok

(Hinweis für Journalist:innen)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 11. Januar 2022: . In: Legal Tribune Online, 11.01.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/47164 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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