Justiz
BVerfG zu Kundus-Luftangriff: Nach einem am vergangenen Freitag veröffentlichten Beschluss des Bundesverfassungsgerichts wird es kein Strafverfahren gegen den Bundeswehroberst Georg Klein wegen des Nato-Luftangriffs im afghanischen Kundus geben. Dass die Bundesanwaltschaft die Ermittlungen mangels hinreichenden Tatverdachts einstellte, war für das BVerfG nicht willkürlich. Das melden die Samstags-taz und lto.de.
BGH zu Hoeneß-Erpresser: Weil er Uli Hoeneß in einem Erpresserschreiben mit der Drohung eines "unruhigen Haftverlaufs" zur Zahlung von rund 200.000 Euro nötigen wollte, verurteilte das Landgericht München II einen Mann im Dezember 2014 zu einer Haftstrafe von dreieinhalb Jahren wegen versuchter Erpressung. Wie lawblog.de (Udo Vetter) meldet, hat der Bundesgerichtshof das Urteil im Mai aufgehoben und ans LG zurückverwiesen: Das LG hatte dem Täter strafschärfend zur Last gelegt, er sei anonym aufgetreten, habe Handschuhe getragen und das Erpresserschreiben nicht auf seinem Computer abgespeichert, um keine Spuren zu hinterlassen. Nach Ansicht des BGH hätte das LG aber nicht strafschärfend werten dürfen, dass der Täter den Ermittlungsbehörden seine "Überführung nicht erleichtert habe, indem er keine auf ihn hindeutenden Hinweise schuf".
OLG München – NSU-Prozess: Nachdem vor gut einer Woche bekannt wurde, dass möglicherweise ein Informant des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes bei einem NSU-Anschlag 2001 in Köln vor Ort gewesen sein könnte, wehrt sich der Informant nun im Interview mit Spiegel TV (Jörg Diehl/Roman Lehberger – Online-Meldung) gegen den Verdacht. Er wolle sich als "Undercover-Antifaschist" verstanden wissen und gibt an, den NSU nicht gekannt zu haben.
Bundesanwaltschaft – Oktoberfest-Ermittlungen: Detonierten beim Oktoberfestattentat 1980 eine oder zwei Bomben? Ein ausführlicher Bericht der Montags-SZ (Annete Ramelsberger/Katja Riedel) rankt sich um Toni Müller, Augenzeuge und selbst Verletzungsopfer des Oktoberfestattentats 1980. Ihm zufolge hat es eine zweite Bombe gegeben; die aber kam in der Abschlussverfügung der Bundesanwaltschaft 1982 nicht vor. Im Gegenteil sei seine Aussage damals unter den Tisch gefallen – heute habe sie neues Gewicht.
Schiedsverfahren zur Lkw-Maut: Im Zusammenhang mit dem nicht öffentlichen und schon acht Jahre andauernden Schiedsverfahren wegen des missglückten Starts der Lkw-Maut vor über zehn Jahren ("Toll Collect") konnte der Spiegel (Sven Becker/Andreas Wassermann) die Protokolle der Verhandlungsrunden auswerten. Danach bestehe der Zweifel, dass der Bund ein System verkauft bekommen hat, das "nicht mal in Ansätzen betriebsbereit" war. Der Bericht gibt ein Blick in das Schiedsverfahren. Auch die Montags-SZ (Michael Bauchmüller) berichtet unter dem Titel "Zehn Jahre, null Fortschritt" über das Verfahren, in das der Bund bislang 144 Millionen Euro investiert habe und bei dem schon der Termin ein Staatsgeheimnis sei.
BGH – "Widerrufsjoker": Der Bundesgerichtshof sollte eigentlich ein Grundsatzurteil zur Frage fällen, ob Immobilienbesitzer ihre bereits vor Jahren getilgten Darlehen widerrufen können, ohne dass eine Vorfälligkeitsentschädigung anfällt. Das Handelsblatt (Jens Hagen) meldet, dass die Parteien kurz vor dem Urteil nun einen Vergleich schlossen – und der Kläger seine Revision zurückzog.
BGH zu Anlegeranträgen: Aus einem Urteil des Bundesgerichtshofs vom vergangenen Donnerstag folgt, dass Tausende Anträge ungültig sind, mit denen Anleger eine Verjährung ihrer Schadensersatzforderung verhindern wollten. Im konkreten Fall scheiterten Ehepaare mit Schadensersatzklagen wegen angeblich fehlerhafter Anlageberatung des Finanzdienstleisters AWD Swiss Life Select. Die Anwälte der Anleger hatten zur Verjährungshemmung Güteanträge bei einer staatlich anerkannten Stelle in Freiburg gestellt – allerdings zu unbestimmt, wie der BGH urteilte. Die Samstags-FAZ (Joachim Jahn) und lto.de berichten.
BGH zu Musik im Wartezimmer: Ein Arzt muss keine GEMA-Gebühren entrichten für Hintergrundmusik im Wartezimmer. Das hat der Bundesgerichtshof am vergangenen Donnerstag entschieden. Der BGH hat mit seinem Urteil die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs angewandt, nach der das einschlägige Merkmal der öffentlichen Wiedergabe erst dann gegeben ist, "wenn eine unbestimmte Zahl potentieller Adressaten und gleichzeitig 'recht viele' Personen den Hörgenuss haben". lawblog.de (Udo Vetter) bringt eine Meldung zum Urteil.
VerfGH RP zur Arbeit im Gefängnis: In Rheinland-Pfalz ist die Vergütung für Arbeit im Gefängnis auf monetäre Leistungen beschränkt – im Gegensatz zur einstigen bundesweiten Regelung, nach der die Vergütung auch in Form von Zellenurlaub oder sogar Urlaub aus der Haft vorgesehen war. Die Regelung verstößt nicht gegen die Landesverfassung, entschied der Rheinland-Pfälzische Verfassungsgerichtshof Anfang Juni. lto.de berichtet.
EuGH zum OMT-Programm: Auch der Spiegel (Dietmar Hipp) berichtet zum OMT-Urteil des Europäischen Gerichtshofs und interpretiert das Urteil und seine Vorgeschichte als "wichtigen Schritt der Annäherung" zwischen beiden Gerichten. Für Verfassungsrichter a.D. Udo di Fabio treffen in einer Analyse für die FAS "hinter der diplomatischen Fassade des kooperativen Gerichtsverbundes" zwei "doch sehr unterschiedliche Verständnisse" aufeinander, indem das Bundesverfassungsgericht genau prüfen will, was die EZB tut, während der EuGH ihr "fast freie Hand" gibt.
Medienschelte durch Richter: In den Augen Heribert Prantls (Medienteil der Samstags-SZ) haben die Vorsitzenden Richter bei sehr medienwirksamen Strafverfahren (Kachelmann, Hoeneß, Wulff, Tuğçe) nicht nur Urteile gefällt, sondern zugleich "über das öffentliche Klima geurteilt". Prantl sieht die Tendenz eines geladeneren Spannungsverhältnisses zwischen Gericht und Medienöffentlichkeit. Richter sollten auf Vorverurteilungen von außen jedoch nicht beleidigt, sondern maßvoll und souverän reagieren.
Die juristische Presseschau vom 20. bis 22. Juni 2015: . In: Legal Tribune Online, 22.06.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/15947 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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