Die juristische Presseschau vom 19. April 2016: Wie weiter mit Böh­m­er­mann? / Pegida vor Gericht / Islam und Grund­ge­setz

19.04.2016

Zum Fall Jan Böhmermann ist noch immer nicht alles gesagt. Außerdem in der Presseschau: in Dresden sind Pegida-Aktivisten angeklagt bzw. schon verurteilt, Islam und Grundgesetz sowie eine rabiate Alternative zum gerichtlichen Ordnungsgeld.

 

 

Thema des Tages

StA Mainz – Jan Böhmermann: Die möglichen prozessualen Varianten in der Ermittlungssache Jan Böhmermann geht Rechtsprofessor Henning Ernst Müller auf lto.de durch. Die Staatsanwaltschaft Mainz müsse zunächst die nach § 104a Strafgesetzbuch erforderliche Gegenseitigkeit prüfen, d.h. feststellen, ob eine § 103 StGB vergleichbare Norm auch in der Türkei gelte und durchsetzbar wäre. Dass die Bundesregierung ihre Ermächtigung zur Strafverfolgung erteilte, ohne die Einschätzung der Anklagebehörde abzuwarten, sei unschädlich. Denn eine Bindung der Bundesregierung an die Richtlinien für das Straf- und Bußgeldverfahren existiere nicht. Hinsichtlich des Vorwurfs einer Verletzung von § 103 StGB hält der Autor eine Einstellung nach § 153a Strafprozessordnung für möglich, hierfür sei aber eine Mitwirkung des Beschuldigten vonnöten. Bei einer Verurteilung Böhmermanns sei die angekündigte Abschaffung von § 103 StGB beachtlich. Wenn das Verfahren bis dahin noch anhängig sei - gegebenenfalls in der Revisionsinstanz -, müsse freigesprochen werden. Bei einem Verfahren wegen einfacher Beleidigung nach § 185 StGB sei das umstrittene Konkurrenzverhältnis zu § 103 StGB von Bedeutung. Mit möglichen strafrechtlichen Konsequenzen setzt sich auch die BerlZ (Christian Bommarius) auseinander.

Bei dem anstehenden Verfahren wird Böhmermann durch den Berliner Anwalt Christian Schertz vertreten. Das Hbl (Volker Votsmeier) stellt den Juristen, der üblicherweise auf Seiten "der Beleidigten, nicht bei den angeblichen Beleidigern" stehe, vor.

Rechtspolitik

§ 90 StGB: Die Bundesregierung plant nach einer Meldung von lto.de keine Abschaffung des § 90 Strafgesetzbuch, nach dem bei einer öffentlichen Verunglimpfung des Bundespräsidenten bis zu fünf Jahre Haft drohen.

Sammelklagen: Auf einem Treffen der Verbraucherschutzminister mehrerer Bundesländer sollen am morgigen Mittwoch zwei an Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) gerichtete Vorschläge beraten werden. Nach dem ersten sollen sich Bürger künftig an Musterklagen gemeinnütziger Verbände beteiligen können, der zweite sieht eines Entschädigung für rechtswidrige Geschäftspraktiken durch Unternehmen vor. Die SZ (Markus Balser/Kristiana Ludwig) berichtet.

Videoüberwachung im ÖPNV: Die Verkehrsminister der Länder haben sich nach Darstellung von netzpolitik.org (Jonas Klaus) auf eine "flächendeckende, tageszeitunabhängige Videoaufzeichnung in öffentlichen Verkehrsmitteln" verständigt. Hierzu sollten geltende Datenschutzbestimmungen Regelungen des Bundespolizeigesetzes angepasst werden.

Prostituiertenschutzgesetz: Über Länderkritik an Regelungen des geplanten Prostituiertenschutzgesetzes berichtet die taz (Simone Schmollack). So kritisiere etwa Nordrhein-Westfalen die vorgesehene Kondompflicht als "jenseits jeglicher Realität". Die Bundesregierung gehe gleichwohl von fehlender Zustimmungspflichtigkeit des Bundesrates aus.

Haftungsumgehung bei Kartellbußen: Eine anstehende Novelle des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen soll die bisher mögliche Praxis von Unternehmen, verhängte Kartellbußen durch Auflösung betroffener Tochterunternehmen zu umgehen, verhindern. Wie dies konkret erreicht werden soll, ist nach Bericht des Hbl (Heike Anger) bislang noch nicht festgelegt. Ein vom Bundesverband der Deutschen Industrie beauftragtes Gutachten bezeichne die Haftung von Muttergesellschaften wegen Verstoßes gegen das Schuldprinzip als verfassungswidrig.

 

 

Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 19. April 2016: . In: Legal Tribune Online, 19.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19041 (abgerufen am: 23.07.2024 )

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