Legal Voices – Die tägliche LTO-Presseschau: Sar­razin bleibt – iPhone spei­chert – Isla­mist geht

23.04.2011

Es war nur ein SPD-Parteigericht, doch die Entscheidung im Fall Sarrazin wurde mit Spannung erwartet. Am Ende wurden die Ausschlussanträge ergebnislos zurückgezogen - was heute viele Medien kommentieren. Außerdem geht es diesmal um fehlenden Datenschutz bei Apple-Geräten und Maßnahmen gegen radikale Moslems.

Parteigericht: Der Buchautor Thilo Sarrazin ("Deutschland schafft sich ab“) wird nicht aus der SPD ausgeschlossen. Vor der Schiedskommission des Berliner SPD-Kreisverbandes Charlottenburg-Wilmersdorf nahmen alle Antragsteller – u.a. der SPD-Parteivorstand – ihre Anträge zurück, nachdem Sarrazin eine Erklärung abgegeben hatte, er sei missverstanden worden. Er habe keine sozialdarwinistischen Theorien verbreitet, keine Migranten diskriminiert und keine sozialdemokratischen Grundwerte verletzt. Unter anderem dokumentierte spiegel.de die Erklärung. In den Kommentaren wurde überwiegend Sarrazin als Sieger gesehen, so bei Nico Fried (SZ), Georg Paul Hefty (FAZ) und Joachim Frank (FR). Nur Torsten Krauel (Welt) meint, Sarrazin habe sich mit seiner Erklärung in gewissem Maß selbst abgeschafft.

Bewegungsbilder:  Die Apple-Geräte iPad und iPhone speichern dauerhaft in einer unverschlüsselten Datei, wann die Geräte wo benutzt wurden. Das berichten SZ (Helmut Martin-Jung) und zeit.de (Kai Biermann/Tilman Steffen)Im SZ-Interview (Varinia Bernau) droht Bayerns Datenschutzbeauftragter Thomas Kranig mit einem Bußgeld in Höhe von bis zu 300.000 Euro. Das Telekommunikationsgesetz fordere, dass der Nutzer Lokalisierungsdienste ausschalten könne. Die FAZ (Stephan Finsterbusch) wundert sich über die aktuelle Aufregung, der Sachverhalt sei doch längst bekannt.

Weitere Themen - Rechtspolitik

Volksabstimmung: Die Welt berichtet, dass die CDU nicht bereit sei, gemeinsam mit SPD und Grünen die Landesverfassung zu ändern. Es geht um eine Senkung des Zustimmungsquorums bei Volksentscheiden. Vor der Wahl hatte die Union noch eine Senkung des Quorums von 33 % auf 25 % vorgeschlagen, das sei aber nur auf Druck des Koalitionspartners FDP geschehen.

Anti-Terror-Gesetz: Über die Pläne von Innenminister Klaus-Peter Friedrich, das Terrorismusbekämpfungsgesetz zu entfristen und zu verschärfen, berichten jetzt auch FAZ (Günter Bannas) und taz.de (Sebastian Fischer).

Tanzverbot: Rund 1.000 Demonstranten protestierten vor dem Frankfurter Rathaus gegen das gesetzliche Tanzverbot an den Osterfeiertagen, so spiegel.de.

Schatzrecht: In Hessen soll eine Regelung eingeführt werden wonach – abweichend von § 984 BGB - alle herrenlose Funde dem Staat gehören. Aus diesem Anlass beschreibt die FAZ (Lukas Weber) die Rechtslage in anderen Bundesländern.

Weitere Themen - Justiz

Islamisten: Die Kölner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen den mutmaßlichen Kopf einer Salafistengruppe, Ibrahim Abou-Nagie, wegen Volksverhetzung, öffentlichem Aufruf zu Straftaten und Verunglimpfung von Religionsgemeinschaften. Das berichtet FR-online.de. Unter anderem fordere er die Steinigung bei Unzucht. Der ebenfalls salafistische Prediger Bilal Philips, der am Mittwoch überraschend bei einer Kundgebung in Frankfurt/M. sprach, folgte nach einem Bericht, ebenfalls von FR-online.de, inzwischen freiwillig einer Ausweisungsverfügung der Behörden in Frankfurt. Die Verfügung stütze sich darauf, dass er früher für Homosexuelle den Tod gefordert hatte. Die taz (Wolf Schmidt) portraitierte Philips. Der von US-Soldaten in Afghanistan festgenommene Hamburger Islamist Ahmad Sidiqi ist nach Monaten in US-Haft auf dem Stütztpunkt Bagram wieder in Deutschland. Das berichtet der Spiegel. Sidiqi werde jetzt von der Bundesanwaltschaft verhört, da ihm Mitgliedschaft in einer ausländischen Terrorgruppe vorgeworfen wird. Er war 2009 mit der so genannten "Reisegruppe" aus Deutschland verschwunden.

RAF: Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen das ehemalige RAF-Mitglied Brigitte Mohnhaupt wegen Mordversuchs an einem Frankfurter Waffenhändler im Jahr 1977, so der Spiegel (Kurzfassung bei spiegel.de) Im Fluchtfahrzeug wurden Zigarettenstummel gefunden, die jetzt per DNA-Analyse Mohnhaupt zugeordnet worden seien. Ob die Stummel bei der Tat oder vorher zurückgelassen wurden, sei jedoch kaum noch festzustellen.

NPD: Laut Focus.de fordert der Zentralrat der Juden erneut ein Parteiverbotsverfahren gegen die NPD. Dieter Graumann, der Präsident des Zentralrats, verwies auf einen aktuellen Vorfall in Winterbach (Ba.-Wü.). Dort hätten fünf Neonazis ein Gartenhaus angezündet, in dem sich Ausländer versteckt hielten. "Rechtstextremismus beginnt nicht erst, wenn Blut fließt", wird Graumann zitiert.

Silvana Koch-Mehrin: Gegen die FDP-Politikerin Silvana Koch-Mehrin, die in ihrer Doktorarbeit abgeschrieben haben soll, wird nicht wegen Verletzung des Urheberrechts ermittelt, berichtet FR-online.de. Der Vorfall sei verjährt, so die Staatsanwaltschaft Heidelberg.

Oliver Kahn: Der Ex-Torhüter hat in Dubai 44 Kleidungsstücke im Wert von rund 7.000 Euro gekauft und bei der Rückkehr nach Deutschland nicht verzollt. Wie die SZ (Martin Zips) berichtet, hat Kahn zwar zunächst rund 2.000 Euro Einfuhrabgaben gespart, muss jetzt aber nach einem Urteil des Amtsgerichts Landshut 125.000 Euro Strafe wegen versuchter Steuerhinterziehung zahlen.

Hüftprothesen: Spiegel.de (Udo Ludwig/Ansgar Mertin/Barbara Schmid) gibt einen Überblick über die rechtlichen Auseinandersetzungen um schadhafte künstliche Hüftgelenke.

Radioaktivität: Wegen strahlender Bauteile, die von japanischen Firmen nach Europa geliefert werden, rechnen Experten mit Schiedsverfahren zwischen europäischen und japanischen Geschäftspartnern, erläutert ftd.de (Kathrin Werner). "Viele der juristischen Fragen im Zusammenhang mit Radioaktivität sind völlig ungeklärt", wird der Anwalt Markus Burianski zitiert.

Detektivkosten: Nach einer Entscheidung des OLG Koblenz müssen in einem Zivilprozess Detektivkosten in Höhe von 70.000 Euro von der unterlegenen Partei nicht übernommen werden, wenn sie unangemessen hoch sind, berichtet LTO

Sexsucht: Der Spiegel portraitiert eine Frau, die im Regionalzug mit einem Vibrator masturbiert hat und nun ein Verfahren wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses erwartet.

Verkehr: Nach älteren Urteilen des OLG Bamberg sei es nicht verboten, barfuß oder in Socken Auto zu fahren. LTO (Adolf Rebler) beschreibt die Rechtslage umfassend.

Weitere Themen – Recht im Ausland

Tunesien – Ben Ali: Die tunesische Übergangsregierung hat einen internationalen Haftbefehl gegen den früheren Präsidenten Zine El Abidine Ben Ali beantragt, berichtet die taz (Reiner Wandler). Vorgeworfen werden ihm Verschwörung gegen die Sicherheit des Staates, Mord, Konsum und Handel von Drogen sowie die "unrechtmäßige Aneignung von Gütern". Ben Ali soll sich in Saudi-Arabien aufhalten.

Spanien – Atheisten: Das oberste Gericht von Madrid hat eine Prozession "zur Förderung des atheistischen Gedankenguts", die am Gründonnerstag geplant war, verboten, so die FAZ (Leo Wieland). Es handele sich um einen Affront gegen die Gläubigen und eine "Beleidigung der katholischen Religion". Die Prozession ist jetzt am 13. Mai geplant.

Großbritannien – Persönlichkeitsrechte: Wie die FAZ (Gina Thomas) berichtet, nimmt in England die Zahl erfolgreicher Unterlassungsklagen von Prominenten zu, die sich zur Vermeidung von Persönlichkeitsrechts-Verletzungen vor britischen Gerichten auf die Europäische Menschenrechtskonvention berufen. Die Entwicklung sei umstritten, weil Politiker durch die Urteile das Parlament entmachtet sehen.

Großbritannien – Korruption: LTO (Sebastian Jungermann) stellt das neue englische Antikorruptionsgesetz vor, das im Juli in Kraft tritt. Neu sei vor allem eine Strafvorschrift für Betriebe, die kein angemessenes Compliance-System errichtet haben. Auch für deutsche Unternehmen mit Geschäftskontakten nach England schaffe der UK Bribery Act  Handlungsdruck, so der Bericht.

USA – Lehman Brothers: In einem Vergleich, der noch gerichtlich genehmigt werden muss, hat die Großbank JPMorgan jetzt Bargeld und Wertpapiere im Wert von 861 Millionen Dollar an einen Treuhänder der Opfer des Zusammenbruchs der Bank Lehman Brothers übergeben. Dies berichtet ftd.de. JPMorgan wickelte Wertpapier-Geschäfte der kollabierten Bank ab.

Sonstiges

Betreuungsgesetz: Im Interview mit dem Spiegel spricht die Rechtsanwältin Irmela Nagel über ihre Arbeit als Betreuerin, die viel mit Respekt zu tun habe.

Opferfamilie: Der erste Junge, den der jüngst verhaftete Martin N. getötet haben soll, war 1992 der damals 13-jährige Stefan. Der Spiegel beschreibt wie seine Eltern all die Jahre mit dem Verbrechen umgegangen sind. Insbesondere der Vater hatte so verbissen nach dem Täter gesucht, dass er einmal wegen Beleidigung selbst vor dem Richter landete.

Am Dienstag erscheint eine neue LTO-Pressesschau.

(Beiträge, die in der Presseschau nicht verlinkt sind, finden Sie nur in der heutigen Printausgabe oder im kostenpflichtigen epaper.des jeweiligen Titels)

Zitiervorschlag

Legal Voices – Die tägliche LTO-Presseschau: . In: Legal Tribune Online, 23.04.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3113 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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