Die juristische Presseschau vom 10. August 2022: Trump und die Doku­mente / Steuern und Infla­tion / Berger und sein Geständnis

10.08.2022

FBI-Ermittler haben das Privatanwesen von Ex-Präsident Donald Trump durchsucht. Finanzminister Christian Lindner will die kalte Progression im Steuerrecht abmildern. Steueranwalt Hanno Berger setzte seine Einlassungen am LG Bonn fort.

Thema des Tages

USA – Donald Trump: FBI-Ermittler haben das Anwesen des früheren US-Präsidenten Donald Trump durchsucht. Ohne Bestätigung des ungewöhnlichen Vorgangs durch offizielle Stellen sei davon auszugehen, dass die Maßnahme der Sicherung geheimer Dokumente dienen soll, die Trump im Widerspruch zu geltenden Regeln aus dem Weißen Haus mitgenommen haben könnte. Dies berichten LTO, FAZ (Sofia Dreisbach) und SZ (Christian Zaschke).

Die SZ (Nicolas Freund) gibt einen Überblick über weitere, aktuelle Ermittlungen gegen Trump. Während im Bundesstaat New York noch immer wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung ermittelt werde, konzentriere man sich in Georgia auf den Vorwurf des Wahlbetrugs. Inwiefern Trump wegen der Ausschreitungen des 6. Januars 2021 zur Verantwortung gezogen werde, sei noch offen.

Nach Ansicht von Carsten Luther (zeit.de) sei es kaum verwunderlich und wenig überraschend, sollte Trump gegen amtliche Dokumentationspflichten verstoßen haben. Angesichts der politischen Brisanz der jetzigen Durchsuchung müsse davon ausgegangen werden, dass sich die Beteiligten "ihrer Sache sehr sicher" seien. Damit stehe dann auch ein möglicher Ausschluss Trumps von politischen Ämtern zur Debatte. Für Jens Münchrath (Hbl) ist eine Anklage Trumps "nicht nur zur politischen Selbsthygiene, sondern allein aus juristischer Perspektive" geboten. Gleichwohl müsse bedacht werden, dass bereits drohende juristische Verfolgungen Trump in seiner Absicht, erneut zu kandidieren, nur bestärken würden.

Rechtspolitik

Steuern und Inflation: In einem Gastbeitrag für den Wirtschafts-Teil der FAZ stellt Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) seine Pläne für einen Ausgleich der sogenannten kalten Progression vor. Um inflationsbedingten Erhöhungen des Steuersatzes entgegenzusteuern, sollen sowohl steuerrechtlicher Grundfreibetrag als auch Steuertarif aktualisiert werden. Dies sei geboten, weil der Staat nicht von "demokratisch nicht legitimierten Einnahmen" profitieren dürfe.

Gerechtigkeit sei "eine Frage der Sichtweise", kommentiert Henrike Roßbach (SZ). "Gerade für Geringverdiener" sei die kalte Progression ein schmerzhaftes Phänomen, dessen gebotener Ausgleich nicht daran scheitern sollte, das "Gutverdiener mehr vom Vorschlag haben als Geringverdiener."

AKW-Laufzeiten: Im Gespräch mit Libra (Marie-Luise Schlicker) beschreibt Rechtsanwalt Christian Raetzke ausführlich, welche Gesetzesänderungen nötig wären, um eine Laufzeitverlängerung der letzten drei Atomkraftwerke zu ermöglichen. Im Atomgesetz müssten sowohl die Abschaltdaten hinausgeschoben als auch die Reststrommengen erhöht oder abgeschafft werden. Zudem müsste die Regelung über die periodische Sicherheitsprüfung so verändert werden, dass diese später oder in reduzierter Form durchgeführt werden kann. 

Wiederaufnahme: Gegenüber Libra (Anne Paschke) äußert die frühere Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) deutliche Kritik an der neuen Wiederaufnahmemöglichkeit zulasten eines Freigesprochenen nach § 362 Nr. 5 Strafprozessordnung. Auf "der Ebene der Verfassung" sei die Abwägung zwischen Rechtssicherheit und materieller Gerechtigkeit "mit einer eindeutigen Präferenz" für Erstere entschieden worden. Die unklare Formulierung der Neuregelung sei als Verstoß gegen das Rückwirkungsverbot einzuordnen.

Unterbrechung von Strafprozessen: Nach Auslaufen der coronabedingten Sonderregel, die Unterbrechungen von Hauptverhandlungen auch über die reguläre Frist von drei Wochen ermöglichte, will Niedersachsen dies nun eher häufiger gesetzlich erlauben. In Fällen "höherer Gewalt" wie Naturkatastrophen oder Seuchenlagen sollten längere Unterbrechungen möglich sein, so LTO über die angekündigte Bundesrats-Initiative. Nach derzeitigem Stand würde die Corona-Ausnahme erst wieder mit dem nächsten Corona-Maßnahmenpaket im kommenden Herbst gelten. 

Justiz

LG Bonn – Cum-Ex/Hanno Berger: Im Verfahren gegen Hanno Berger versuchte sich der Angeklagte am Landgericht Bonn an Klarstellungen zu seiner Einlassung vom Vortag, die weniger eindeutig war als die Interpretation seines Anwalts gegenüber der Presse. Berger räumte nun ein, dass er ab 2009 zumindest ein "rudimentäres" Verständnis davon hatte, dass seine Cum-Ex-Steuermodelle illegal sein könnten. Das Gericht machte Berger jedoch deutlich, dass es Zweifel an der Darstellung habe, ihm sei die Rechtswidrigkeit der von ihm erdachten Tricks erst durch ein Schreiben des Finanzministeriums aus dem Jahr 2009 bewusst geworden. Es könne für Berger nachteilig sein, so das Gericht, wenn der Eindruck entstehe, sein Teilgeständnis diene nur dazu, Tatbeiträge vor 2009 zu verschleiern. Das Hbl (Rene Bender u.a.) berichtet.

Volker Votsmeier (Hbl) bezeichnet Bergers Einlassung in einem Kommentar als "halbherziges Geständnis". "Eine Aneinanderreihung von Konjunktiven ist keine Tateinsicht", fehlende Entschuldigungen und unterlassener Ausgleich des angerichteten Schadens müssten vom Gericht entsprechend gewürdigt werden. Auch Klaus Ott (SZ) erinnert in seinem Kommentar an die fast ein Jahrzehnt dauernde Flucht von "Mr. Cum-Ex". Dass er jetzt "klein beigibt", belege die Richtigkeit der "konsequent und unbeirrt" ermittelnden Oberstaatsanwältin Anne Brorhilker. Jenen, die sich wie Brorhilker in Finanz- und Ermittlungsbehörden "trotz heftigster Gegenwehr" gegen das "asoziale" Treiben der Steuertrickser einsetzten, gebühre nun Anerkennung.

BGH zu Geschäftsführungs-Eintrag: Auch Vorstrafen wegen sogenannter Sportbetrügereien nach den §§ 265c bis 265e Strafgesetzbuch schließen den registermäßigen Eintrag einer Geschäftsführung aus. Dies stellte der Bundesgerichtshof in einem nun veröffentlichten Beschluss von Ende Juni klar, über den beck-aktuell (Joachim Jahn) berichtet. Der unterlegene Beschwerdeführer hatte argumentiert, dass die entsprechenden Bestimmungen im GmbH-Gesetz einen statischen Verweis auf das Strafgesetzbuch darstellten und Urteile wegen der erst vor wenigen Jahren eingeführten Sportbetrugs-Tatbestände damit irrelevant seien. Dem folgte der BGH in einer am Sinnzusammenhang der einschlägigen Normen orientierten Auslegung nicht.

OLG Düsseldorf – Spionage für Russland: Ab dem morgigen Donnerstag muss sich ein Oberstleutnant der Reserve am Oberlandesgericht Düsseldorf wegen des Vorwurfs der Spionage für den russischen Militärgeheimdienst GRU verantworten. Der Angeklagte soll unter anderem Informationen zum Reservistenwesen der Bundeswehr übermittelt haben, so spiegel.de (Maik Baumgärtner u.a.). Geld habe er für die behaupteten Dienste nicht erhalten, vielmehr habe er "aus Sympathie für Russland" gehandelt.

StA Dresden – Darstellung von Habeck-Entführung: Die Dresdner Staatsanwaltschaft hat Ermittlungen wegen eines jüngst veröffentlichten Videos unternommen, in dem zur Werbung für ein straßentheater-artiges Volkstribunal die Entführung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) inszeniert wird. Rechtsanwalt Arne Klaas prüft auf LTO die in Frage kommenden Straftatbestände §§ 111, 131, 185 und 241 unter Berücksichtigung der grundrechtlichen Gemengelage mit der Meinungs-, Kunst- und Versammlungsfreiheit .

StA Berlin – Straßenblockaden: Die Berliner Staatsanwaltschaft hat mitgeteilt, sie habe wegen Straftaten im Zusammenhang mit Straßenblockaden durch Klimaaktivist:innen bis Anfang August 76 Strafbefehle beantragt. Ob nun auch Hauptverhandlungen folgen, sei angesichts laufender Einspruchsfristen noch nicht absehbar. LTO berichtet.

Schiedsgerichtsbarkeit: Die Corona-Pandemie und der Krieg in der Ukraine haben für eine "Hochkonjunktur" der internationalen Schiedsgerichtsbarkeit gesorgt, schreibt Rechtsanwalt Daniel Engel im Recht und Steuern-Teil der FAZ. Lieferschwierigkeiten und Preiserhöhungen machten im Konfliktfall eine genaue Prüfung geschlossener Vereinbarungen erforderlich. Daneben seien zukünftig auch Verhandlungen zu entschädigungslosen Enteignungen zu erwarten.

Recht in der Welt

USA – Ben & Jerry´s: Wegen Verstoßes gegen das im Jahr 2000 geschlossene Übernahmeabkommen hat der Eisfabrikant Ben & Jerry´s seine Muttergesellschaft Unilever an einem New Yorker Gericht verklagt. Das sozial engagierte Eisunternehmen hatte im vergangenen Jahr angekündigt, seine Produkte nicht mehr in den von Israel besetzten palästinensischen Gebieten verkaufen zu wollen. Nach Protesten gegen diese Entscheidung habe Unilever das betroffene Geschäft an die Lizenznehmer vor Ort veräußert. Die Eisfabrikanten sehen hierdurch die ihnen 2000 zugestandene Autonomie verletzt. Welt (Christoph Kapalschinski) und FAZ (Roland Lindner/Christian Meier) berichten.

Großbritannien – Schottland: Durch den britischen Supreme Court will die schottische Regionalregierung prüfen lassen, ob ein Unabhängigkeitsreferendum auch ohne Zustimmung der Zentralregierung zulässig sein kann. In einer schriftlichen Eingabe an das Gericht hat die Zentralregierung diese Annahme nun bestritten, berichtet LTO.

Sonstiges

Tech-Anwälte: In ihrem Unternehms-Teil bringt die FAZ (Bastian Benrath) ein großes Interview mit den Rechtsanwälten Boris Feldman und Lars Meyer. Die Großkanzlei-Partner sind vorwiegend für die Tech-Branche tätig, beschreiben deren Aussichten in Pandemie- und Kriegszeiten und geben auch eine Einschätzung zur EU-Datenschutzgrundverordnung ab. Diese sei "sinnlos", so Feldman, ihre Wirkung beschränke sich darauf, überall "einen sinnlosen Klick" hinzugefügt zu haben.

Anti-Diskriminierungsanwältin: In der Reihe "Small Talk" über juristische Berufswege spricht LTO-Karriere (Pauline Dietrich) mit der Anwältin Frederike Boll. Die Fachanwältin für Arbeitsrecht engagiert sich schwerpunktmäßig im Anti-Diskriminierungsrecht und ist in der queeren Community gut vernetzt.

Mitbestimmung und Nachhaltigkeit: Im ExpertenforumArbeitsrecht beschreiben Michael Johannes Pils und Katja Schiffelholz Semedo, Rechtsanwalt und Rechtsanwältin, Inhalte und Grenzen der betrieblichen Mitbestimmung bei den für Unternehmer:innen immer wichtiger werdenden Nachhaltigkeitsthemen.

Hamburg/Cum-Ex: In Hamburg setzte der Parlamentarische Untersuchungsausschuss zur Cum-Ex-Affäre seine Arbeit nach der Sommerpause fort. Hierbei wurde bekannt, dass die in Sachen Cum-Ex federführende Kölner Staatsanwaltschaft aufgrund eines Beschlusses vom 30. März das amtliche E-Mail-Postfach des jetzigen Bundeskanzlers, seine Zeit als Regierender Bürgermeister der Hansestadt betreffend, durchsuchte. Der Kanzler werde am 19. August erneut vor dem Ausschuss aussagen, so die SZ (Peter Burghardt).

Social Media: Im Recht und Steuern-Teil der FAZ erinnert die Habilitandin Viktoria Kraetzig an rechtliche Vorgaben des Urheber-, Marken- und Persönlichkeitsrechts beim Hochladen von Inhalten auf Social Media-Plattformen. Ein zu unbekümmerter Umgang mit fremden Inhalten könne die Nutzer:innen von sozialen Medien teuer zu stehen kommen. Sie sollten sich nicht darauf verlassen, dass die Rechte-Inhaber vor allem an einer Monetarisierung der Nutzungen interessiert sind.

Ökotoken: Die bayerische Idee eines Ökotokens will über ein Punktesystem ökologisch korrekt handelnde Menschen durch finanzielle Vergünstigen belohnen. Der wissenschaftliche Mitarbeiter Carsten Kusche legt auf Libra dar, dass der Plan angesichts der Freiwilligkeit der Teilnahme nicht mit dem chinesischen "Social Scoring" vergleichbar sei und sich wohl auch datenschutzkonform umsetzen ließe. In jedem Fall wäre eine Totalüberwachung auch zum Schutze des Klimas unverhältnismäßig.

Das Letzte zum Schluss

Kostendruck: Ein klein wenig übertrieben hat die rheinland-pfälzische Polizei bei der korrekten Abrechnung der Verwahrung eines sichergestellten Autokennzeichens. LTO und law blog (Udo Vetter) berichten, dass dem vormaligen Eigentümer stolze 2.331 Euro für eine fast ein Jahr währende Verwahrung des Kennzeichens in Rechnung gestellt wurden. Die Forderung sei aber unverhältnismäßig, so nun das Verwaltungsgericht Trier. Vielmehr hätten schon zwei Wochen ausgereicht, um festzustellen, ob die Voraussetzungen für Verwertung oder Vernichtung des Kennzeichens vorliegen.

 

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LTO/mpi

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 10. August 2022: . In: Legal Tribune Online, 10.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49276 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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