Die juristische Presseschau vom 25. August 2022: Kabi­nett besch­ließt Corona-Maß­nahmen / LAG Köln zu Low Per­former / VG Berlin zu Lam­b­recht-Fotos /

25.08.2022

Die Bundesregierung beschloss Vorschläge für den Coronaschutz ab Herbst. Ein Mitarbeiter mit besonders schwacher Arbeitsleistung kann gekündigt werden. Das Verteidigungsministerium muss Helikopter-Fotos von Lambrechts Sohn erklären.

Rechtspolitik

Corona - Schutzmaßnahmen Herbst/Winter: Das Bundeskabinett hat gestern Formulierungshilfen für Änderungen des Infektionsschutzgesetzes (IfSG) beschlossen, die die ab Herbst geltenden Coronaschutzmaßnahmen regeln sollen. So soll in Krankenhäusern und in Pflegeheimen eine FFP2-Maskenpflicht gelten und der Zutritt nur durch einen negativen Testnachweis möglich sein. Eine bundesweite FFP2-Maskenpflicht soll auch in Flugzeugen und Fernzügen gelten. Außerdem soll ermöglicht werden, dass die Bundesländer vom 1. Oktober bis zum 7. April eine Maskenpflicht in Innenräumen anordnen können, aber in Einrichtungen wie Restaurants, Kultur- oder Sportstätten zwingend eine Befreiung für jene zulassen müssen, die ein aktuelles negatives Testergebnis vorlegen können. Die Länder können auch Impfungen und Genesungen als Ersatz fürs Testen zulassen, sollen aber vom IfSG nicht dazu verpflichtet werden. Die Formulierungshilfen sollen von den Ampel-Fraktionen in ein laufendes Gesetzgebungsverfahren eingebracht werden. Der Bundestag könnte die Änderungen des IfSG dann am 8. September beschließen. Zustimmen muss dann auch noch der Bundesrat. FAZ (Christian Geinitz), SZ (Oliver Klasen), Welt (Kaja Klapsa), taz (Linda Gerner), spiegel.de und LTO fassen die geplanten Neuregelungen zusammen.

Zwar habe Justizminister Marco Buschmann (FDP) sich und Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD), ein gerütteltes Maß an "Verfahrensklugheit" attestiert, doch die Kritik, dass der Rückzug des Bundes in der Corona-Politik zu einem uneinheitlichen Vorgehen der Länder führe, bleibe ohne Folgen, kritisiert Kim Björn Becker (FAZ). Von Oktober an werde wieder in den Landeshauptstädten entschieden, wie der Corona-Alltag aussieht. Auch Luisa Hofmeier (Welt) beklagt, dass die Koalition erneut die Verantwortung an die Länder abschiebe. Die müssten nun entscheiden, ob es fast gar keine Maßnahmen mehr gebe oder ob ein totales Regelchaos herrsche.

Corona - Triage: Das Bundeskabinett beschloss auch einen separaten Gesetzentwurf zur Änderung des IfSG, der Regeln zum Umgang mit knappen medizinischen Ressourcen im Fall einer Pandemie vorsieht. Maßgebliches Kriterium bei der Entscheidung, wer etwa an das einzige verfügbare Beatmungsgerät angeschlossen wird, soll die aktuelle und kurzfristige Überlebenswahrscheinlichkeit sein. Ausdrücklich ausgeschlossen werden soll die sogenannte Ex-Post-Triage, bei der einer Patient:in, die bereits in Behandlung ist, die Therapie entzogen wird, um sie einer anderen Patient:in mit besserer Überlebenswahrscheinlichkeit zukommen zu lassen. Dies berichtet RND.

Corona - Homeoffice: Das Bundesarbeitsministerium will die Home-Office-Angebotspflicht wieder aktivieren. Wie FAZ (Dietrich Creutzburg) und SZ schreiben, sieht ein Referentenentwurf vor, dass Arbeitgeber wieder verpflichtet werden sollen, Beschäftigten zum Schutz vor Corona-Infektionen anzubieten, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Regelung soll zum 1. Oktober in Kraft treten und bis zum 7. April 2023 gelten.

Rechtspolitik

E-Scooter-Haftung: Die beim Deutschen Verkehrsgerichtstag erhobene Forderung nach einer Gefährdungshaftung für die Nutzung von E-Scootern beleuchtet die Welt (Matthias Kamann). Danach sollen Verleihfirmen haften, wenn beispielsweise abgestellte E-Scooter umkippen und Autos beschädigen oder auf Gehwegen zu Stolperfallen werden, dem konkreten E-Scooter-Benutzer aber kein Fehlverhalten nachgewiesen werden kann.

Finanzkriminalität: Über das von Bundesfinanzminister Christian Lindner angekündigte "Finanzkriminalamt" als Instrument im Kampf gegen Geldwäsche berichtet jetzt auch die SZ.

In Lindners Maßnahmenkatalog fehle die Einführung einer "Beweislastumkehr", kritisiert Markus Zydra (SZ). Bei Verdacht auf kriminelle Herkunft sollen die Behörden das infrage stehende Geld oder andere Vermögensgegenstände (etwa eine Immobilie) konfiszieren können. Sollte das beschlagnahmte Vermögen einem rechtschaffenen Bürger gehören, werde er leicht belegen können, wie er es verdient und wo er es versteuert habe.

Einwanderung: Rechtsprofessor Daniel Thym bewertet in der FAZ die Pläne der Bundesregierung positiv, die Zuwanderung künftig mit einem Punktesystem zu steuern. Allein die Umsetzung sei schwieriger als der parteiübergreifende Ruf nach Fachkräftezuwanderung suggeriere. Die Kriterien für die Punktevergabe müssten sorgsam austariert und ständig an gesammelte Erfahrungen angepasst werden. Anstatt einen großen Wurf zu präsentieren, wäre die Bundesregierung gut beraten, mit einem Modellprojekt anzufangen und dieses schrittweise auszuweiten, meint Thym.

Justiz

LAG Köln zu Kündigung von Low Performer: Im Interview mit spiegel.de (Florian Gontek) erläutert Anwalt Kilian Friemel ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom Mai. Das LAG hatte die Kündigung eines Mitarbeiters bestätigt, weil er deutlich weniger leistete als Kolleg:innen der gleichen Altersgruppe. Derartige Urteile seien aber selten, weil sich Leistung in der Regel nicht gut messen lasse. Arbeitgeber griffen dann eher zu Abmahnungen wegen anderer Vorwürfe. 

VG Köln zu Helikopter-Fotos von Lambrecht-Sohn: Trotz des privaten Charakters eines Fotos, das den Sohn von Verteidigungsministerin Christine Lambrecht (SPD) in einem Regierungshubschrauber zeigt, muss das Ministerium Fragen zu den näheren Umständen der Aufnahme beantworten. Das hat jetzt das Verwaltungsgericht Köln entschieden. Zur Begründung führte das Gericht aus, dass das Foto "einen hinreichenden Bezug zum Amt als Bundesverteidigungsministerin" und einen "unmittelbaren Bezug zur Bundeswehr" habe. Das Recht auf informationelle Selbstbestimmung der Ministerin müsse hier gegenüber dem journalistischen Auskunftsanspruch zurücktreten. tagesspiegel.de (Jost Müller-Neuhoff), spiegel.de und LTO berichten.

EuGH zu Seenotrettung: Die Doktorandin Mathilde Rocca analysiert im Verfassungsblog das Urteil des Europäischen Gerichtshofes im Fall Sea Watch. Es ging um die staatlichen Befugnisse bei der Kontrolle von Schiffen, die "systematisch und ausschließlich Aktivitäten im Zusammenhang mit der Suche und Rettung von Personen in Gefahr und Seenot durchführen". Der EuGH hat Anfang August festgestellt, dass es einem Staat grundsätzlich erlaubt ist, in seinen Häfen vor Anker liegende Rettungsschiffe auf die Einhaltung von Sicherheitsvorschriften zu kontrollieren. Dazu müsse er allerdings belastbare Anhaltspunkte für eine Gefahr nachweisen. Festhalten könne er solche Schiffe nur im Fall einer eindeutigen Gefahr für Sicherheit, Gesundheit oder Umwelt.

BGH zum Zeitpunkt von Aussagen im Strafverfahren: Strafverteidiger Yves Georg erläutert auf LTO anhand von neuen BGH-Entscheidungen aus dem Juni und Juli die Bedeutung des richtigen Zeitpunktes für eine Einlassung des Angeklagten. Sein Ergebnis: Dass eine bestreitende Einlassung spät komme, dürfe nicht strafbegründend gewertet werden, dass eine geständige Einlassung früh komme, müsse strafmildernd berücksichtigt werden.

LG Berlin – Kokainhandel: spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet über einen Prozess vor dem Landgericht Berlin, in dem zehn Männern vorgeworfen wird, jahrelang Drogen im großen Stil eingeschleust zu haben. Rund vier Tonnen Kokain soll die Bande nach Deutschland eingeführt haben. Unter den Angeklagten ist auch ein Jurist, der bei der Gründung einer Tarnfirma geholfen haben soll.

VG Frankfurt/M. zu Asyl für homosexuellen Algerier: Das Verwaltungsgericht Frankfurt/M. hat die Asylklage eines in Deutschland offen homosexuell lebenden Algeriers abgewiesen. Der Mann hatte geltend gemacht, in Algerien sei sein Leben gefährdet. In einem ersten Verfahren in diesem Rechtsstreit hatte derselbe Richter ihm bereits im März 2020 empfohlen, sein Leben als Homosexueller in Algerien "unauffällig" zu organisieren, schreibt die taz (Christoph Schmidt-Lunau). In der aktuellen Entscheidung heißt es, dass "der Verzicht auf Umarmungen und Küsse in der Öffentlichkeit sich unterhalb dessen bewege, was flüchtlingsrechtlich relevant ist". Der Schwulen- und Lesbenverband LSVD kritisierte, das Urteil ignoriere die Rechtsprechung von EuGH und BVerfG.

AG Hanau zu transfeindlicher Beleidigung: Wegen der transfeindlichen Beleidigung der Bundestagsabgeordneten Tessa Ganserer (Grüne) wurde ein 75-jähriger Mann vom Amtsgericht Hanau zu einer Geldstrafe von 675 Euro (45 Tagessätze) verurteilt. Gegen den ursprünglichen Strafbefehl hatte der Angeklagte Widerspruch eingelegt. Kurz nach der Erteilung der Rechtsmittelbelehrung habe er bereits angekündigt, Berufung einzulegen und auf keinen Fall Geld zahlen zu wollen. LTO berichtet.

GenStA Berlin – Anlagebetrug/Cannabis: Nun berichtet auch die FAZ (Marcus Jung) über Ermittlungen der Generalstaatsanwaltschaft Berlin zu einem möglichen Anlagebetrug mit Cannabispflanzen, die wohl gar nicht existieren. Betroffen ist die Plattform "juicyfields.io".

StA Bonn – Weitergabe von Olearius-Tagebüchern: Die Bonner Staatsanwaltschaft ermittelt gegen "Unbekannt", wer die beschlagnahmten Tagebücher des unter Cum-Ex-Verdacht stehenden Warburg-Bankers Christian Olearius an die Presse weitergegeben hat. Die Tagebücher sollen Informationen über eine etwaige Einflussnahme des seinerzeitigen Hamburger Bürgermeisters und jetzigen Bundeskanzler Olaf Scholz auf Hamburger Finanzbehörden im Cum-Ex-Skandal enthalten. spiegel.de und LTO berichten.

Urteile zu Missbrauch in der Kirche: Laut einer Antwort des bayerischen Justizministeriums auf eine parlamentarische Anfrage haben die bayerischen Gerichte in den vergangenen zehn Jahren 30 Verurteilungen im Zusammenhang mit sexuellem Missbrauch in der Kirche ausgesprochen, 24 betreffen die katholische und sechs die evangelische Kirche. LTO berichtet,

Recht in der Welt

Großbritannien – Streik der Anwaltschaft: Die FAZ (Marcus Jung) stellt Jo Sindhu, den Präsidenten der Vereinigung der Strafverteidiger in England und Wales vor. Er ist renommierter Strafrechtler und eine der maßgeblichen Figuren bei dem angekündigten Streik der Barrister für eine höhere Vergütung.

Iran – Haustiere: Ein Gesetzentwurf von 75 Abgeordneten, über den das iranische Parlament möglicherweise demnächst entscheiden wird, will den Besitz von Haustieren einschränken, wie die SZ (Sina-Maria Schweikle) berichtet. Im Gesetzentwurf werden Krokodile, Schildkröten, Schlangen, Eidechsen, Katzen, Mäuse, Kaninchen, Affen, Hunde und andere als unrein geltende Tiere genannt. Wer sie halten möchte, soll künftig bei den Behörden eine Genehmigung beantragen müssen.

Sonstiges

Kommentarautor Maaßen: Der C.H.Beck-Beck-Verlag will an seinem umstrittenen Grundgesetz-Kommentator Hans-Georg Maaßen festhalten, meldet jetzt auch die SZ (Wolfgang Janisch). Der Verlag habe inzwischen die übrigen Autoren angeschrieben und um ihre weitere Beteiligung an dem Werk geworben. 

Der Verlag sollte sich selbst und der Gesellschaft den Gefallen tun, sich schleunigst von diesem Autor zu trennen, schreibt Wolfgang Janisch (SZ) in einem separaten Kommentar. Nicht wegen seiner Kommentierung des Asylrechts, die konservativ, aber vertretbar sei. Aber ein Autor, der mit zunehmender Schärfe gegen Andersdenkende und Minderheiten agitiere, sei nicht geeignet. Janisch plädiert für eine "wehrhafte Rechtswissenschaft". Die anderen Co-Autoren sollen den Verlag vor die Alternative stellen: Er oder wir.

Ex-rbb-Intendantin Schlesinger: Die taz (Christian Rath) weist darauf hin, dass der rbb-Verwaltungsrat die frühere Intendantin Patricia Schlesinger am 22. August nur "vorsorglich" fristlos gekündigt hat, weil er inzwischen davon ausgeht, dass bereits die Abberufung Schlesingers als Intendantin am 15. August das Dienstverhältnis beendet habe. 

Juristin mit Asperger-Syndrom: Im Interview mit LTO-Karriere (Franziska Kring) erzählt eine Juristin über ihren Werdegang und die Herausforderungen, die sie als Asperger-Autistin meistert. Sie hat über ihre Erfahrungen ein Buch geschrieben, das im vergangenen Monat erschienen ist.

 

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pf

(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 25. August 2022: . In: Legal Tribune Online, 25.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49419 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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