Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. August 2022: Ex-Wehr­machts­soldat ange­klagt / Schröder will Büro zurück / geheime Doku­mente bei Trump ent­deckt

15.08.2022

Die Berliner Staatsanwaltschaft hat erstmals einen ehemaligen Wehrmachtssoldaten wegen Verbrechen an sowjetischen Kriegsgefangenen angeklagt. Ex-Bundeskanzler Schröder klagt gegen den Bundestag. Das FBI hat auf dem Trump-Anwesen geheime Dokumente gefunden.

Thema des Tages

LG Berlin – Wehrmachtssoldat: Erstmals in der Geschichte der Bundesrepublik ist ein Wehrmachtsoldat wegen seiner mutmaßlichen Beteiligung an Verbrechen gegen sowjetische Kriegsgefangene angeklagt worden. Das berichten Mo-taz (Klaus Hillenbrand) und tagesschau.de (Julian Feldmann). Der heute 98-jährige Mann soll von November 1942 bis zum März 1943 an der Bewachung von sowjetischen Kriegsgefangenen beteiligt gewesen sein, die im Stammlager ("Stalag") 365 in der Ukraine unter unmenschlichen Bedingungen zusammengepfercht waren, so dass viele Gefangene verhungerten bzw. an Krankheiten starben. Die Berliner Staatsanwaltschaft wirft ihm daher Beihilfe zum Mord in 809 Fällen vor. Das Landgericht muss jetzt entscheiden, ob die Anklage zugelassen wird.

Rechtspolitik

Geschlechtliche Selbstbestimmung: Bei dem geplanten neuen Gesetz, nach dem künftig eine "Erklärung mit Eigenversicherung beim Standesamt" reichen soll, um den Geschlechtseintrag zu ändern, müsse auch diskutiert werden, wie Missbrauch zu verhindern sei, schreibt Rechtsprofessor Arnd Diringer in seiner Kolumne in der WamS. Und ebenso offen solle man über andere Probleme sprechen, die sich durch das geplante Gesetz ergeben könnten. In der öffentlichen Auseinandersetzung seien derzeit aber allzu oft Unterstellungen und herabwürdigende Etikettierungen an die Stelle von Argumenten getreten.

Whistleblowing: Die Rechtsanwälte Maike Pflästerer und Michael Matthiessen fassen im Expertenforum Arbeitsrecht zusammen, was sich durch das geplante Gesetz zum Hinweisgeberschutz ändern würde, was Arbeitgeber beachten müssen und wie sie sich vorbereiten können. Unternehmen sollen danach verpflichtet werden, eingereichten Hinweisen auf Verstöße nachzugehen, Maßnahmen zu ergreifen und dabei festgestellten Verstößen abzuhelfen. Ebenso müssen Arbeitgeber dann einerseits den Schutz der Whistleblower vor Repressalien sicherstellen, andererseits aber auch die Möglichkeit eines Missbrauchs der neuen Beweislastumkehr im Auge behalten.

Justiz

VG Berlin – Gerhard Schröders Büro: Der frühere Bundeskanzler Gerhard Schröder will vor dem Verwaltungsgericht Berlin erreichen, dass ihm wieder ein Büro mit Mitarbeiter:innen zur Verfügung gestellt wird. Der Haushaltsausschuss des Bundestages hatte im Mai die entsprechenden Finanzmittel mit der Begründung "ruhend gestellt", der frühere Bundeskanzler nehme keine "nachwirkenden Dienstpflichten" mehr wahr. In der Klage, die von Rechtsanwalt Michael Nagel eingereicht wurde, heißt es, die Streichung der Mittel sei rechtswidrig - es werde nicht festgelegt, was "nachwirkende Dienstpflichten" überhaupt seien, wie ihre Wahr- bzw. Nichtwahrnehmung zu ermitteln sei und welches Procedere es dabei einzuhalten gelte. Dem ganzen Vorgang stehe auf "die Stirn geschrieben", dass es andere Gründe gebe und die Argumentation des Haushaltsausschusse nur vorgeschoben sei. Sa-FAZ (Eckart Lohse), Sa-taz (Christian Rath), zeit.de (Ferdinand Otto), spiegel.de und LTO berichten.

spiegel.de fasst in einem separaten Artikel zusammen, welche Ansprüche Schröder allgemein stellen kann. So könne nach Angaben des Bunds der Steuerzahler die Pension eines Regierungsmitglieds bei bis zu rund 12.000 Euro im Monat liegen. Alle Altkanzler, die Altkanzlerin und ehemalige Bundespräsidenten haben zudem eigentlich Anspruch auf ein Büro.

Schröders Klage sei aussichtslos, meint Rechtsanwalt Klaus Herrmann auf LTO, schon deshalb, weil die Klagebefugnis fehle. Die Haushaltsplanung des Deutschen Bundestags könne eine eigene subjektive Rechtspositionen eines nicht mehr mit Regierungsaufgaben befassten Bundeskanzlers nicht verletzen. Der Auftritt des Bundeskanzlers a.D. zeige aber die Notwendigkeit auf, die eingesetzten Mittel allgemein zeitlich zu begrenzen, abzuschmelzen und von sonstigen Erwerbs-, Neben- und Privattätigkeiten abzugrenzen. Vor allem müsse unabhängig kontrolliert werden, ob die eingesetzten Mitarbeiter:innen tatsächlich für das Staatswohl oder aber für das Privatinteresse der Ex-Kanzler:innen arbeiteten. So wenig Erfolgsaussichten dieses Verfahren haben dürfte, werfe es doch sehr grundlegende Fragen danach auf, welchen Status die Sachleistungen, die den Altkanzler:innen in Form von ausgestatteten Büros inklusive mehrerer Mitarbeiter:innen bereitgestellt werden, haben und nach welchem rechtlichen Maßstab sie zu beurteilen sind, schreibt Rechtsprofessorin Sophie Schönberger im Verfassungsblog. Der Rechtsstaat dürfe hier nicht willkürlich handeln, kommentiert Reinhard Müller (Sa-FAZ). Die Entscheidung müsse im Rahmen des Rechts geschehen und auch gerichtlich überprüfbar sein. Seinen ruinierten Ruf und seine zerstörte nachwirkende Amtswürde werde Schröder aber auch auf dem Rechtsweg nicht wiederherstellen können.

BGH zur Suizidbeihilfe: Auch die Sa-FAZ (Stephan Klenner) berichtet jetzt über die Entscheidung des Bundesgerichtshofes zur Abgrenzung zwischen einer strafbaren Tötung auf Verlangen und einer straflosen Suizidbeihilfe. Die Karlsruher Richter hatten die Verurteilung einer Frau aufgehoben, die ihrem Ehemann auf dessen Wunsch hin eine tödliche Überdosis Insulin gespritzt hatte. Das Setzen der Insulinspritzen sei keine aktive Sterbehilfe, sondern straflose Beihilfe der Ehefrau zum Suizid ihres Mannes gewesen, der Verstorbene habe sich in erster Linie durch die selbst eingenommenen Medikamente umbringen wollen. Das Spritzen des Insulins diente aus Sicht des Erkrankten lediglich "der Sicherstellung des Todeseintritts".

Der Erwägungen zur Verfassungsmäßigkeit der Strafvorschrift von § 216 StGB in der Entscheidung hätte es nicht einmal bedurft, um das Urteil schlüssig zu begründen, meint Jost Müller-Neuhof (tagesspiegel.de). Aber sie zeigten deutlich, dass es längst nicht mehr der Gesetzgeber ist, der die Sterbehilfe regele.

BAG zu Corona-Quarantäneregeln: Nun weist auch die Sa-FAZ (Marcus Jung) auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichtes hin, nach der Mitarbeiter:innen weiter bezahlt werden müssen, wenn sie aufgrund strengerer als behördlich vorgeschriebener Coronaschutzmaßnahmen ihrer Tätigkeit nicht nachgehen können. Verweigere der Arbeitgeber einem Mitarbeiter, der bei der Einreise nach Deutschland einen aktuellen negativen PCR-Test vorlegt und bei dem wegen Symptomfreiheit keine Absonderungspflicht besteht, den Zugang zum Betrieb, schulde er grundsätzlich Vergütung wegen Annahmeverzugs, so die Richter.

Rechtsanwalt Boris Alles analysiert im FAZ-Einspruch die Entscheidung. Aus dem Urteil könne allerdings gerade nicht gefolgert werden, dass Arbeitnehmer:innen, die aus Risikogebieten heimkehren, generell ihren Entgeltanspruch gegenüber dem Arbeitgeber behielten, so der Autor. Es werde also hier auch zukünftig stark auf den Einzelfall ankommen.

BVerwG zur Klagebefugnis einer Gleichstellungsbeauftragten: Die Gleichstellungsbeauftragte des Bundesnachrichtendienstes ist mangels Klagebefugnis mit einer Klage vor dem Bundesverwaltungsgericht gescheitert. Es ging um eine neue Beförderungsrichtlinie, in der eine nicht gerechtfertigte Diskriminierung moniert wurde. Die in dem Verfahren als verletzt gerügten Vorschriften über die Gleichstellung von Frauen und Männern – etwa das Gleichheitsrecht aus Art. 3 Abs. 2 GG – begründen dem Urteil zufolge keine Organrechte der Gleichstellungsbeauftragten. Die Entscheidung fasst beck-aktuell (Joachim Jahn) zusammen.

LG Düsseldorf zu Lego-Figuren: Wegen zu großer Ähnlichkeit mit den bekannten Lego-Figuren hat das Landgericht Düsseldorf auf die Klage des dänischen Spielwarenherstellers Lego hin einem Paderborner Spielwarenhändler den Verkauf von bestimmten Konkurrenzprodukten aus China untersagt. Die umstrittenen Spielfiguren wiesen zwar allesamt einige formale Unterschiede zu den Lego-Produkten auf, doch der Gesamteindruck der Figuren liege in allen Fällen zu nahe am markenrechtlich geschützten Lego-Produkt, wird auf LTO der Vorsitzende Richter zitiert.

LG Berlin – Coronatest-Betrug: An diesem Montag beginnt vor dem Landgericht Berlin der Betrugsprozess gegen einen 46-Jährigen und seine Schwester. Ihnen wird vorgeworfen, durch falsche Abrechnungen von Tests aus ihren 18 Testzentren mehr als zwölf Millionen Euro zu Unrecht erlangt zu haben. Die Mo-Welt (Martin Lutz/Andreas Macho) berichtet über den Fall und den juristischen Kampf gegen den Abrechnungsbetrug im Zusammenhang mit Coronatests insgesamt und stellt dabei fest, dass die Bundesregierung gegen den Betrug bei Testcentern auch weiterhin kein wirksames Gegenmittel finde.

LG Berlin – Ehrenmord an Maryam H.: spiegel.de (Wiebke Ramm) berichtet vom Fortgang des Prozesses um den Tod von Maryam H., die im Sommer 2021 von ihren Brüdern ermordet worden sein soll. Die Staatsanwaltschaft gehe davon aus, dass die afghanische Familie von Maryam H. mit ihrem Lebensstil nicht einverstanden war und ihren Tod beschloss. In der vergangenen Woche wurde das Vernehmungsvideo von Mahdi H. abgespielt. Die Verteidigung hatte gegen die Vorführung im Prozess protestiert, über die Verwertbarkeit des Gesagten wollen die Richter:innen später entscheiden.

LG München I zum Badewannenmord: Am Freitag hat das Landgericht München I den seit drei Jahren anhängigen Wiederaufnahmeantrag im Fall des so genannten "Badewannenmordes" für begründet erklärt und die Freilassung des Verurteilten aus der Haft angeordnete. Der damals 47-Jährige war 2012 verurteilt worden, eine 87-jährige Frau in ihrer Wohnung bewusstlos geschlagen und danach in ihrer Badewanne ertränkt zu haben. Die Sa-SZ (Hans Holzhaider) berichtet ausführlich über den Fall. Wie LTO schreibt, habe ein neues thermodynamisches Verfahren gezeigt, dass der Todeszeitpunkt erheblich außerhalb des vom Gericht angenommenen Zeitfensters liege. Außerdem liege inzwischen eine neue computergestützte biomechanische Simulation vor, wonach auch ein Sturz als Ursache des Todes der Seniorin infrage komme.

LG Kaiserslautern – Polizistenmorde von Kusel: Über den Prozess zum Polizistenmord von Kusel, in dem sich die beiden Angeklagten gegenseitig beschuldigen, berichtet spiegel.de (Julia Jüttner). Für den Hauptangeklagten Andreas S. sehe es nicht gut aus.

VG Stuttgart – Ministerium versus Präsidialrat: Vor dem Hintergrund der beim Verwaltungsgericht Stuttgart anhängigen Auseinandersetzung zwischen dem baden-württembergischen Justizministerium und dem Präsidialrat um die Besetzung des Präsidentenamtes beim Oberlandesgericht Stuttgart beschreibt der Sozialrichter Carsten Schütz im De legibus Blog das Verfahren zur Richterbestellung in Baden-Württemberg und die historische Entwicklung dahin, um so zu zeigen, dass "entgegen manch schwerer verbaler Geschütze nur politische Peinlichkeiten im Raum stehen, aber keinerlei Unabhängigkeitsproblematik der dritten Gewalt".

VG Köln zu AfD-naher Stiftung: Die der AfD nahestehende Desiderius-Erasmus-Stiftung ist vor dem Verwaltungsgericht Köln mit zwei Klagen auf finanzielle Förderung für die Jahre 2018, 2019 und 2021 gescheitert. Anders als von der AfD reklamiert, liege kein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vor, so das Gericht. Das Kriterium des zweifachen aufeinander folgenden Einzugs in den Bundestag sei nicht zu beanstanden, es sei eine praktikable, einfach anzuwendende und politisch neutrale Möglichkeit, die Dauerhaftigkeit und das Gewicht einer politischen Strömung zu bestimmen. Sa-SZ und LTO berichten.

VG Dresden zu "Prozess" gegen Habeck: Das Verwaltungsgericht Dresden hat laut LTO das behördliche Verbot eines inszenierten Prozesses gegen Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck bei einer Kundgebung der rechtsextremen Kleinstpartei Freie Sachsen bestätigt. Die öffentliche Sicherheit sei durch die Aufführung gefährdet, denn diese sei eine Beleidigung einer Person des öffentlichen Lebens (Robert Habeck) und nach dem StGB strafbar. Die geplante Aufführung überschreite die Grenze zulässiger politischer Meinungsäußerungen.

GenStA Berlin – Ex-rbb-Intendantin: In der Affäre um die frühere Intendantin des rbb Patricia Schlesinger hat die Berliner Generalstaatsanwaltschaft die Ermittlungen übernommen. Die Ermittlungen richteten sich gegen Schlesinger, ihren Ehemann, den früheren Spiegel-Journalisten Gerhard Spörl sowie den zurückgetretenen RBB-Verwaltungsratschef und Messe-Chefkontrolleur Wolf-Dieter Wolf und sollen klären, ob die frühere Senderchefin und Wolf miteinander einen zu laxen Umgang bei der möglichen Kollision von beruflichen und privaten Interessen gepflegt haben könnten, schreibt LTO.

Ex-Bundesrichter Thomas Fischer hat sich in seiner Kolumne auf spiegel.de einschlägige Straftatbestände (Betrug, Untreue, Korruption) angeschaut und plädiert angesichts der aktuellen Medienberichterstattung dafür, die juristische Prüfung abzuwarten. "Ob der rbb-Skandal also ein Fall für richtig große Empörung ist, wissen wir nicht. Wir gehen davon aus, dass ein Staat, der seinen Präsidenten wegen Annahme eines Bobbycars verfolgt, die Kraft haben wird, das sach- und regelgerecht aufzuklären.", so Thomas Fischer.

Für einen Auskunftsanspruch auch gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk plädiert Jost Müller-Neuhof (tagesspiegel.de). Der Kammerbeschluss des Bundesverfassungsgerichts, in dem vor 34 Jahren festgestellt wurde, dass sich der aus dem Grundrecht der Pressefreiheit abgeleitete Auskunftsanspruch nicht gegen Rundfunkanstalten richten könne, sei wenn nicht "überholt", dann doch "überholungsbedürftig".

StA Bonn – Cum-Ex/Einziehung: Die Staatsanwaltschaft Bonn hat die im Zusammenhang mit Cum-Ex-Geschäften angekündigte Einziehung von rund 176 Millionen Euro von der Warburg-Bank ausgesetzt. Das Bankhaus habe geltend gemacht, dass diese Zahlungen im Rahmen des Steuerverfahrens bereits an das Finanzamt Hamburg geleistet wurden. Sa-FAZ und spiegel.de berichten,

Marcus Jung (Sa-FAZ) kommentiert, dass eine Klärung rasch erfolgen sollte. Ansonsten seien rechtskräftige Strafurteile und Anordnungen künftig nicht mehr wert als das Papier, auf dem sie stehen.

Ermittlungen gegen die Mafia: "Verfahren gegen italienische Mafiaorganisationen in Deutschland werden oftmals verschleppt oder ohne nachvollziehbare Gründe eingestellt, engagierte ErmittlerInnen mundtot gemacht", beklagt die Politologin Theresa Reinold in der Mo-taz. Daran hätten auch die Duisburger Mafiamorde, bei denen vor 15 Jahren sechs Italiener hingerichtet wurden, nichts geändert. Teilweise "zu laxe Gesetze, die "einseitig die Rechte mutmaßlicher Mafiosi" schützten und die "rigiden Voraussetzungen der Verdachtsberichtserstattung", die eine "extrem hohe Hürde für investigative journalistische Recherche, beziehungsweise wissenschaftliche Forschung zum Thema Mafia" darstellten, hätten Deutschland zum Land mit der höchsten Mafiapräsenz in Europa außerhalb Italiens gemacht, so die Autorin.

Reichsbürger als Gerichtsgutachter: Über den Reichsbürger Klaus Maurer, der seit Jahren als psychiatrischer Gerichtsgutachter tätig ist, schreibt der Spiegel (Sven Becker/Sven Röbel u.a.). Oft sei der Arzt, der als führender Ideologe der Reichsbürgerbewegung gilt, beispielsweise in Betreuungsverfahren eingesetzt worden. Der Fall werfe auch ein Schlaglicht darauf, wie wenig die Gerichte offenbar überprüften, wen sie als Gutachter bestellten, heißt es im Text.

Gerichtsöffentlichkeit: Die interessanten Dinge fänden vor Gericht oft hinten, im Rücken der Prozessbeteiligten, dort, wo das Publikum sitze, statt, schreibt Verena Mayer (Sa-SZ) in ihrer Kolumne "Vor Gericht". Im Zuschauerraum eines Gerichtssaals kämen die unterschiedlichsten Menschen zusammen - manchmal habe die Stimmung im Publikum etwas von einem Betriebsausflug, manchmal aber auch etwas Gespenstisches.

Internet im Gefängnis: In Berlin werden Haftraummediensysteme eingeführt, die Gefangenen den freien Zugang zu rund 100 Webseiten geben, etwa zu Sprachlernportalen, eine, Jobportal, der Seite der Caritas-Suchtberatung und der des Berliner Zentrums für Gewaltprävention. Außerdem soll es ein Bezahl-Angebot geben. Zudem werden den Häftlingen 16 PC-Spiele wie Schach, Tetris und Angry Birds angeboten. Das Vorhaben soll ab 1. September in der Frauen-JVA Lichtenberg ausprobiert werden.

Recht in der Welt

USA – Donald Trump/Durchsuchung: Bei der Durchsuchung des Anwesens des früheren Präsidenten Donald Trump seien Dokumente der Geheimhaltungsstufe "Top Secret/SCI" gefunden worden, heißt es u.a. auf LTO. Das gehe aus der Quittung hervor, die ein Gericht im US-Bundesstaat Florida veröffentlichte. Einen Überblick über die Hintergründe der Durchsuchungen gibt LTO in einem weiteren Text. Das FBI ermittle wegen drei Delikten: Das "Sammeln, Übermitteln oder Verlieren von Verteidigungsinformationen", das "Entfernen oder Zerstören offizieller Dokumente" und "das Zerstören oder Verändern von Dokumenten, um Ermittlungen zu behindern". Der US-amerikanische Justizminister Merrick Garland hat die Durchsuchung gegen Kritik verteidigt, schreibt ebenfalls LTO. Der Durchsuchungsbefehl sei von einem Bundesgericht nach der erforderlichen Feststellung eines hinreichenden Verdachts genehmigt worden, wird der Justizminister zitiert. Trump und andere Republikaner hatten die Durchsuchung kritisiert und dem demokratischen US-Präsidenten Joe Biden vorgeworfen, das FBI zu politisieren.

Die Mo-FAZ (Sofia Dreisbach) porträtiert den amerikanischen Justizminister Merrick Garland. Er gelte als radikaler Anhänger der Regeln und Prozesse, die nach der Watergate-Affäre eingeführt wurden und sei daher auch methodisch, unaufgeregt und gegenüber der Öffentlichkeit und den Medien beinahe stillschweigend die Ermittlungen gegen die Trump-Regierung angegangen. Seine Prämisse sei ein Recht, das sich nicht in parteipolitischen Machtkämpfen verstricke.

Garland müsse sich jetzt um Recht und Gesetz kümmern – ohne Rücksicht auf Politik, kommentiert Andreas Ross (Mo-FAZ). Für Amerika hänge viel davon ab, ob die Bundesstaatsanwaltschaft erstmals einen früheren Präsidenten anklagen werde.

Sonstiges

Datenschutz: Die Mo-FAZ (Corinna Budras) berichtet über eine Entscheidung der Vergabekammer Baden-Württemberg, durch die die Nutzung von Diensten amerikanischer Cloudanbieter faktisch ausgeschlossen würde. Dabei stütze sich die beim Regierungspräsidium Karlsruhe angesiedelte Vergabekammer auf das "latente Risiko" eines Zugriffs auf personenbezogene Daten durch US-Behörden, das in Vertragsklauseln nicht hinreichend eingedämmt werden könne. Kritik komme u.a. vom zuständigen Landesdatenschutzbeauftragten Stephan Brink, der sich daran störe, "dass hier das bloße Risiko gleichgesetzt werde mit einem Szenario, in dem die Daten auch tatsächlich an die Behörden übermittelt würden".

Es sei absurd, wenn nun wie in Baden-Württemberg die Rechtsprechung des EuGH auch noch weiter gedreht werde als unbedingt nötig und gar nicht mehr zwischen realem und theoretisch denkbarem Risiko unterschieden werde, schreibt Corinna Budras (Mo-FAZ) in einem separaten Kommentar. So viel pauschaler Verfolgungswahn helfe niemandem – auch nicht dem Datenschutz.

Vergewaltigungsvorwürfe: Die Anwältin Arabella Pooth schildert im Interview mit spiegel.de (Nina Ponath), wie sie in Fällen von Vergewaltigungsvorwürfen verteidigt. Häufig seien Fälle, "in denen eine Partei keine Lust zum Sex hat", dann aber doch mitmacht, weil sie Erwartungen an die Beziehung hat. Wenn diese sich dann nicht erfüllen, fühle sich diese Person missbraucht. "Solche Beschuldigungen klären sich dann meist vor Gericht."

Neuorientierung von Unternehmensstrategien: Wie sich die geostrategischen Neuorientierung und die damit verbundene Änderungen wirtschaftlicher Bindungen zwischen Staaten auf die Sorgfaltspflichten in Unternehmen auswirken können, erläutert Rechtsanwalt Boris Schilmar in einem Gastbeitrag für LTO. Die anstehenden Herausforderungen bedürften einer individuellen Lösung unter Beteiligung der Rechts- bzw. Compliance-Abteilung, wobei unter anderem zu klären sei, welche Fachabteilungen in den Prozess zu involvieren seien.

Wiedergutmachung historischen Unrechts: Martin Rath stellt auf LTO einen im vergangenen Jahr erschienenen Band vor, der Beiträge enthält, die zeigen sollen, "wie vielfältig die Forderungen nach Wiedergutmachung historischen Unrechts inzwischen sind". Beschrieben werden beispielsweise die Auseinandersetzung zwischen der indigenen US-Nation der Cherokee und den Nachkommen afroamerikanischer Sklaven, Fragen zum Wohlstand, den britische Universitäten einst aus der transatlantischen Sklavenwirtschaft zogen, bis hin zu den straf- und haftungsrechtlichen Konsequenzen, die das Hungern oder Aushungern größerer Bevölkerungsgruppen haben könnte.

Das Letzte zum Schluss

Zwanzig Rupien: Ein indischer Anwalt hatte 1999 beim Kauf von Bahnkarten zu wenig Wechselgeld herausbekommen. Wegen dieser 20 Rupien (ca 24 Cent) verklagte er die indische Bahngesellschaft und bekam nun endlich Recht. Die Bahn muss ihm die 20 Rupien (inkl. Zinsen) auszahlen, außerdem erhält er umgerechnet 180 Euro Straf-Schadensersatz von der Bahn. Der heute 66-jährige Anwalt glaubt laut Sa-SZ (Florian J. Müller), dass sein Fall anderen als Inspiration dienen werde, dass "man nicht aufgeben muss, auch wenn der Kampf hart aussieht".

 

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Morgen erscheint eine neue LTO-Presseschau.

LTO/pf

(Hinweis für Journalistinnen und Journalisten)

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Zitiervorschlag

Die juristische Presseschau vom 13. bis 15. August 2022: . In: Legal Tribune Online, 15.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49314 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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