In der EU gelten für Online-Medien strenge Vorgaben zum Umgang mit illegalen Inhalten. Laut einem Bericht will sich Twitter/X diesen Regeln nicht unterwerfen und zieht das Ende der Plattform in der EU in Betracht. Musk aber dementiert.
Elon Musk erwägt, seinen Online-Nachrichtendienst X/Twitter aus der EU abzuziehen. Auslöser sei die Unzufriedenheit mit dem im November 2022 verabschiedeten Digital Services Act (DSA), schrieb der Business Insider in der Nacht zum Donnerstag unter Berufung auf eine mit dem Unternehmen vertraute Person.
Der DSA verpflichtet große Online-Plattformen, konsequent und schnell unter anderem gegen Hassrede vorzugehen und illegale Inhalte zu löschen. So müssen Nutzer beispielsweise gemäß Art. 20 Abs. 1-3 DSA die "leicht zugänglich und nutzerfreundliche" Möglichkeit haben, sich beim Plattformbetreiber über unzulässige Inhalte zu beschweren. Der Betreiber ist gemäß Abs. 3 und 4 der Norm verpflichtet, die Beschwerden "zeitnah" zu bearbeiten und die Entscheidung dem sich beschwerenden Nutzer "unverzüglich" mitzuteilen. Bei Verstößen drohen sowohl verwaltungsrechtliche Sanktionen (Geldbußen) als auch privatrechtliche (Schadensersatz). Deren Ausgestaltung obliegt gemäß Art. 52 DSA den EU-Mitgliedstaaten. Was die Höhe von Bußgeldern angeht, dürfen die Staaten bis zu sechs Prozent des weltweiten Jahresumsatzes des Plattformbetreibers veranschlagen.
X bekam jüngst einen Fragenkatalog der EU-Kommission, die mehr darüber wissen will, wie der Dienst seinen Verpflichtungen nachkommt. Grund waren Hinweise auf die Verbreitung von Gewaltaufrufen und Falschinformationen nach dem Terrorangriff der islamistischen Hamas auf Israel. EU-Kommissar Thierry Breton verwies unter anderem auf Berichte über manipulierte Bilder und Mitschnitte von Videospielen, die für echte Aufnahmen ausgegeben worden seien.
Vertreibt der DSA Online-Nachrichtendienste aus der EU?
Die Frist zur Beantwortung der Fragen lief am Mittwoch ab. Statt zu kooperieren, sendete Musk nun aber ein anderes Signal: Er erwägt, X vom Plattformmarkt der EU zu nehmen, um sich den Regeln zu entziehen. Musk hatte die Plattform im Mai bereits aus der europäischen Selbstverpflichtung zum Kampf gegen Falschinformationen austreten lassen. Breton schrieb damals unter Verweis auf den DSA, man könne zwar weglaufen, aber sich nicht verstecken.
Business Insider zufolge beriet Musk nun darüber, X nicht mehr in der EU verfügbar zu machen oder den Zugang für Nutzer in der Region zu blockieren. Praktisch umgesetzt: Die App könnte aus den Download-Plattformen in der Region entfernt werden, der Zugang zum Dienst könnte anhand von GPS-Daten oder IP-Adressen blockiert werden.
Der mögliche Rückzug von X wäre nicht der einzige Fall, in dem die EU-Regelungen Plattformen abschrecken: Auch der Facebook-Konzern Meta lässt seinen in diesem Jahr gestarteten Konkurrenzdienst Threads bisher nicht in der Region nutzen – unter Verweis auf die EU-Digitalgesetze. Im Fall von Threads mutmaßen Beobachter allerdings, dass es einen anderen Grund geben könnte: die Beschränkungen für das Zusammenlegen von Daten aus verschiedenen Diensten unter dem Dach eines Konzerns. Die Regeln verankern, dass dafür die ausdrückliche Zustimmung der Nutzer notwendig ist.
Musk weist Spekulationen zurück
Musk hatte nach dem Kauf von Twitter für rund 44 Milliarden Dollar mehr als die Hälfte der Belegschaft entlassen. Stark davon betroffen waren auch die für Inhalte-Kontrolle zuständigen Teams. Der US-Milliardär, der politische Ansichten der amerikanischen Rechten vertritt, behauptete, vor der Übernahme habe Twitter die Redefreiheit zu stark eingeschränkt. Musk habe schon nach der Übernahme vorgeschlagen, den Dienst nur auf die USA zu reduzieren, um Kosten zu sparen, schrieb Business Insider.
Für ein Statement stand Musk laut dem Bericht zunächst nicht zur Verfügung. Inzwischen äußerte sich Musk jedoch auf X und widersprach dem Medienbericht mit klaren Worten; dieser sei "völlig falsch".
dpa/lmb/LTO-Redaktion
Wegen Digital Services Act: . In: Legal Tribune Online, 19.10.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52958 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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