Staatsrechtler kritisiert Diätenerhöhung im Berliner Abgeordnetenhaus: "Auf einen Schlag um meh­rere Hun­dert­tau­send Euro rei­cher"

09.03.2020

Seit kurzem sind Berliner Abgeordnete finanziell deutlich besser gestellt. Bei der Erhöhung der Diäten und Altersbezüge herrschte seltene Einmütigkeit im Parlament. Ein Juraprofessor ärgerte sich jedoch derart darüber, dass er ein Buch schrieb.

Der Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim hat an das Berliner Abgeordnetenhaus appelliert, die im vergangenen Herbst beschlossene Erhöhung der Diäten und der Altersversorgung um 58 Prozent rückgängig zu machen. Das neue Gesetz sei "grob rechts- und verfassungswidrig", sagte von Arnim am Montag bei der Vorstellung seines neuen Buches. Es trägt den Titel "Der Griff in die Kasse" und dreht sich um die Vorgänge im Berliner Landesparlament.

Sollte es bei dem Gesetz bleiben, könne dies den Parlamentarismus beschädigen, gab der 80-Jährige zu Bedenken. Die Diätenerhöhung ist aus seiner Sicht eine "schamlose Selbstbereicherung" der Volksvertreter und nicht zu rechtfertigen.

Das Abgeordnetenhaus - bis dato ein Teilzeitparlament - hatte im September 2019 mit den Stimmen von SPD, Linker, Grünen, CDU und FDP beschlossen, dass die Diäten zum 1. Januar 2020 von 3.944 Euro auf 6.250 Euro im Monat steigen. Die Ansprüche der Abgeordneten auf Altersversorgung wachsen ebenfalls deutlich. Dafür sollen sie mehr politisch arbeiten: So dauern zum Beispiel die Sitzungen des Parlaments neuerdings bis 22.00 Uhr statt bis 19.00 Uhr; auch Ausschusssitzungen gehen länger als früher.

Aus Sicht der Befürworter der Diätenerhöhung ist das Abgeordnetenhaus weiterhin kein Vollzeitparlament. Stattdessen erfanden sie den Begriff "Hauptzeitparlament". Die Abgeordneten können weiterhin auch anderen beruflichen Tätigkeiten nachgehen.

"Ein paar Stunden mehr Arbeit rechtfertigen keine 58 Prozent Erhöhung"

Von Arnim, der immer wieder die Größe deutscher Parlamente oder die Versorgung von Abgeordneten kritisiert, stößt sich vor allem am bundesweit einmaligen Ausmaß der Erhöhung der Bezüge. "Ein paar Stunden mehr Arbeit können keine um 58 Prozent erhöhte Entschädigung und Altersversorgung rechtfertigen. Das ist eine vorgeschobene Begründung." Auch das Inkrafttreten der Erhöhung während einer laufenden Legislaturperiode sei nicht nachzuvollziehen. Üblich sei, so etwas für die kommende Legislaturperiode zu beschließen, damit auch die Wähler darüber befinden können, ist von Arnim der Meinung.

Ein weiterer wichtiger Kritikpunkt von Arnims ist die Rückwirkung der aufgestockten Altersvorsorge: Für die aktuell 160 Mandatsträger greift die Erhöhung ihre Altersbezüge nicht mit Inkrafttreten des Gesetzes, sondern mit Beginn ihrer Abgeordnetentätigkeit. "Langjährige Abgeordnete werden so auf einen Schlag um mehrere Hunderttausend Euro reicher", rechnete der Experte während seiner Buchvorstellung vor. Insgesamt kosteten die neuen Diäten und Altersbezüge den Steuerzahler allein für die derzeitigen Abgeordneten zusätzlich 51 Millionen Euro. Ansprüche auf Altersversorgung hat, wer mindestens acht Jahre und 182 Tage im Parlament saß.

Die rückwirkende Erhöhung der Altersbezüge hält von Arnim für verfassungswidrig. Gegen die Bestimmungen des Grundgesetzes und der Landesverfassung verstoße auch, dass das Gesetz keine ausreichende Begründung enthalte, argumentierte er. Er sieht daher die Möglichkeit, das Gesetz per Verfassungsbeschwerde zu Fall zu bringen. Zwar könnten die Bürger in dem Fall keine solche Beschwerde einreichen, aber aus seiner Sicht zumindest die Abgeordneten, die gegen das Gesetz gestimmt hatten. Das waren die AfD-Fraktion und drei Grünen-Abgeordnete.

Die stellvertretende Vorsitzende der AfD-Fraktion, Kristin Brinker, kündigte an, diese werde im Lichte der Ausführungen von Arnims eine mögliche Verfassungsklage prüfen. Fraktionschef Georg Pazderski nannte die Diätenerhöhung einen "Hinterzimmerbeschluss der Altparteien", ohne dass es eine wirkliche Parlamentsreform, verbunden mit einer Verkleinerung des Abgeordnetenhauses, gebe.

Auch der Bund der Steuerzahler Berlin sieht sich durch das Buch von Arnims in seiner Kritik bestätigt. "Die Politik wäre sicher gut beraten, beim Thema Parlamentsreform weiterzugehen", sagte der Vorsitzende Alexander Kraus der Deutschen Presse-Agentur. Auf die Erhöhung der Bezüge müssten Schritte hin zu einem echten Vollzeitparlament folgen.

dpa/acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Staatsrechtler kritisiert Diätenerhöhung im Berliner Abgeordnetenhaus: . In: Legal Tribune Online, 09.03.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/40727 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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