Der Neuerteilung der Fahrerlaubnis nach Entzug derselbigen durch ein Strafgericht muss unter bestimmten Voraussetzungen eine MPU vorausgehen. Erst recht bei einer "überdurchschnittlichen Alkoholgewöhnung", so der VGH in Mannheim.
Indizien für eine "weit überdurchschnittliche Alkholgewöhnung" können eine medizinisch-psychologische Untersuchung (MPU) vor der Neuerteilung einer Fahrerlaubnis notwendig machen, urteilte der Verwaltungsgerichtshof (VGH) Baden-Württemberg in einem jetzt bekannt gewordenen Urteil (v. 07.07.2015, Az. 10 S 116/15).
Einem Autofahrer wurde der Führerschein wegen einer Fahrt unter Alkoholeinfluss entzogen. Nach Ende der Sperrfrist beantragte er die Neuerteilung der Fahrerlaubnis. Als die Fahrerlaubnisbehörde die Neuerteilung der Fahrerlaubnis nicht beschied, erhob der Mann Klage vor dem Verwaltungsgericht (VG) Freiburg. Daraufhin ordnete die Behörde eine MPU an. Sie berief sich dabei auf § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) Fahrerlaubnisverordnung (FeV), nach dem mit Verweis auf den Buchstaben a) derselben Vorschrift ("Alkoholmissbrauch") die Anordnung einer MPU vor der Neuerteilung geboten ist.
Als der Kläger kein MPU-Gutachten vorlegte, wies das VG die Klage ab. Mit seiner Berufung machte der Mann geltend, § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV sei nur einschlägig, wenn die Fahrerlaubnis auch durch die Behörde entzogen wurde. In seinem Fall sei dies stattdessen durch ein Strafgericht geschehen. Somit widerspreche die vom VG im Anschluss an die Rechtsprechung des VGH vertretene weite Auslegung der Vorschrift der Gesetzessystematik und werde in anderen Bundesländern, etwa Bayern, zu Recht nicht geteilt. Der VGH hat seine Rechtsprechung bestätigt und die Berufung zurückgewiesen.
Fehlendes Gutachten erlaubt Rückschluss auf fehlende Kraftfahreignung
Die Fahrerlaubnisbehörde habe den Kläger zu Recht zur Beibringung einer MPU aufgefordert und aufgrund der Nichtbeibringung richtigerweise auf das Fehlen der Kraftfahreignung des Klägers geschlossen. Auch bei einer Entziehung durch den Strafrichter sei nach § 13 Satz 1 Nr. 2 Buchstabe d) FeV stets ohne Weiteres eine MPU anzuordnen. Die Entstehungsgeschichte der Vorschrift bestätige dies: Der Verordnungsgeber messe der strafgerichtlichen Entziehung einer Fahrerlaubnis wegen einer Trunkenheitsfahrt eigenständige Bedeutung zu. Eine solche Entscheidung gebe auch nach Ende der Sperrfrist noch Anlass zu Eignungszweifeln. Es komme in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob der ansonsten geltende Schwellenwert von 1,6 Promille Blutalkoholkonzentration (Buchstabe c) derselben Vorschrift) überschritten worden sei.
Unabhängig davon sei im Falle des Klägers die Anordnung einer MPU schon nach der Auffangvorschrift des Buchstaben a) rechtmäßig. Beim Kläger hätten deutliche Indizien für eine weit überdurchschnittliche Alkoholgewöhnung vorgelegen, nämlich das Fehlen jeglicher Ausfallerscheinungen trotz seiner nach der Trunkenheitsfahrt festgestellten 1,49 Promille Blutalkoholkonzentration. Daher habe die Behörde bei einer Geamtschau auf eine gravierende Alkoholproblematik schließen dürfen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache hat der VGH die Revision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zugelassen.
ms/LTO-Redaktion
VGH Baden-Württemberg zu MPU-Extremfall: . In: Legal Tribune Online, 05.08.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/16491 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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