Die Veröffentlichung von lebensmittelrechtlichen Verstößen im Internet könnte gegen Unions- und Verfassungsrecht verstoßen. Somit ist sie zumindest bis zur Entscheidung in der Hauptsache zu untersagen. Das entschied der VGH Baden-Württemberg in einem kürzlich bekannt gegebenen Beschluss.
Das Landratsamt Rhein-Neckar-Kreis hatte im September 2012 in einer Speisegaststätte Verstöße gegen das Lebensmittelgesetz (LFGB) festgestellt. Eine weitere Kontrolle eine Woche später ergab keine Beanstandungen mehr. Einen guten Monat danach veröffentlichte das Landratsamt jedoch Namen, Adresse und Betreiber der Gaststätte auf seiner Homepage. Als Grund der Beanstandung gaben die Beamten "Mängel bei der Betriebshygiene, ekelerregende Herstellungs- oder Behandlungsverfahren" an.
Gestützt hatte sich das Landratsamt dabei auf § 40 Abs. 1a Nr. 2 LFGB. Dieser erlaubt eine Veröffentlichung der Daten bei einem hinreichenden Verdacht auf einen Verstoß gegen das Gesetz.
Der Gastwirt ging gegen die Veröffentlichung mittels Eilantrag vor. Das Verwaltungsgericht Karlsruhe hatte der Behörde diese daraufhin vorläufig untersagt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg wies die dagegen gerichtete Beschwerde des Landratsamts nun zurück (Beschl. v. 28.01.2013, Az. 9 S 2423/12).
Verstoß gegen Unionsrecht, Bestimmtheitsgebot und Verhältnismäßigkeitsgrundsatz
Zwar seien die Mängel und gravierenden Rechtsverstöße unbestritten. Die Veröffentlichung im Internet greife aber mit ihrer Prangerwirkung schwerwiegend in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung sowie die Berufsausübung ein. Eine abschließende Bewertung bliebe jedoch dem Hauptsacheverfahren vorbehalten. Da das Landratsamt zudem keine neuen Mängel nachweisen konnte, müsse die Veröffentlichung im Internet vorläufig unterbleiben.
Neben dem Verfassungsrecht könnte die Vorschrift aus dem LFBG auch gegen eine EU-Verordnung zum Lebensmittelrecht verstoßen, da die Veröffentlichung nicht der Abwehr einer konkreten Gesundheitsgefahr diene, sondern nur dem vorsorgenden Gesundheitsschutz. Ob dies ausreiche, werde der EuGH in einem anhängigen Verfahren in absehbarer Zeit klären (Az. C-636/11). Zweifeln könnte man auch daran, ob die Voraussetzungen für die Veröffentlichung, nämlich dass "die Verhängung eines Bußgeldes von mindestens 350 Euro zu erwarten ist", den rechtsstaatlichen Geboten der Normenklarheit und Bestimmtheit gerecht werde. Es fehle an einem objektiven und transparenten Maßstab für diese Prognose, etwa in Gestalt eines Bußgeldkatalogs. Gerade im Hinblick auf die gesetzlich nicht geregelte Dauer der Veröffentlichung könne sich die Maßnahme zudem als unverhältnismäßig erweisen.
In einem anderen Verfahren hatte das VG Karlsruhe kürzlich bezweifelt, ob das Gesetz die Behörde zu einer Veröffentlichung zwinge.
Der VGH setzte dem Gastwirt in dem unanfechtbaren Beschluss nun eine Frist bis zum 1. März 2013 um ein gerichtliches Hauptsacheverfahren einzuleiten.
blü/LTO-Redaktion
VGH Baden-Württemberg zu Hygienemängeln: . In: Legal Tribune Online, 31.01.2013 , https://www.lto.de/persistent/a_id/8077 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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