VGH BaWü: Nächt­liche Aus­gangs­sperre gekippt

08.02.2021

Wegen der im Vergleich zu Dezember und Januar veränderten Corona-Situation hält der VGH eine landesweite Ausgangsbeschränkung für unverhältnismäßig. Das Land will nun nur noch in Hotspot-Regionen den Ausgang beschränken.

In Baden-Württemberg hat die Justiz die Corona-bedingte nächtliche Ausgangssperre gekippt. Der Verwaltungsgerichtshof Baden Württemberg (VGH) in Mannheim entschied in einem am Montag veröffentlichten Beschluss, dass die Ausgangsbeschränkungen von 20 Uhr abends bis 5 Uhr morgens noch diese Woche außer Vollzug gesetzt werden müssen (Beschl. v. 05.02.2021, Az. 1 S 321/21). Zum letzten Mal gelten sie in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag. Damit war der Eilantrag einer Frau aus Tübingen erfolgreich.

Der 1. Senat argumentierte, die Regelung des Bundeslandes habe zuletzt die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt. Dem Infektionsschutzgesetz zufolge seien Ausgangsbeschränkungen nur möglich, wenn ihr Unterlassen zu Nachteilen in der Pandemiebekämpfung führe. Sie kämen nur dann in Betracht, wenn der Verzicht auf Ausgangsbeschränkungen - auch unter Berücksichtigung aller anderen ergriffenen Maßnahmen - zu einer wesentlichen Verschlechterung des Infektionsgeschehens führe. Diese Vorgaben werden nach Auffassung des VGH hinsichtlich der Ausgangsbeschränkung nicht mehr berücksichtigt.

Zudem müsse die Landesregierung prüfen, ob die Ausgangsbeschränkungen landesweit angeordnet werden dürfen oder ob differenziertere, am regionalen Infektionsgeschehen orientierte Regelungen in Betracht kommen. Den gesetzlichen Anforderungen habe das Land zuletzt - anders als Ende Dezember und Mitte Januar, als Eilanträge erfolglos blieben - nicht mehr entsprochen. Im Dezember habe nämlich, so der VGH, der Sieben-Tage-Inzidenzwert in den Landkreisen Baden-Württembergs zwischen 100 und über 200 gelegen, im Januar lagen die Zahlen auch immerhin noch fast ausnahmslos bei 51 bis 200. Aktuell würden aber nur noch fünf Kreise eine Inzidenz von mehr als 100 aufweisen, die meisten lägen im Bereich zwischen 50 und 100, einige sogar unter 50.

Baden-Württemberg kündigt neue Regelungen an

Das Land hatte auf diese Zahlen mit dem Argument reagiert, dass eine "verfrühte" Aufhebung der Ausgangsbeschränkungen möglicherweise zu einem erneuten exponentiellen Anstieg der Zahlen führe. Dieses Vorbringen wies der VGH jedoch als zu pauschal und undifferenziert ab, da sich das Pandemiegeschehen im Land "in beachtlichem Umfang verändert" habe. An diesen regional auch unterschiedlichen Infektionsgeschehen müssten sich die Schutzmaßnahmen orientieren.

Nach der Entscheidung des VGH will das Land nur noch für Corona-Hotspots weitreichende Maßnahmen wie Ausgangsbeschränkungen ergreifen. Es sei absehbar gewesen, dass angesichts der sinkenden Infektionszahlen in Baden-Württemberg die Frage der Verhältnismäßigkeit gestellt werden würde, sagte Regierungssprecher Rudi Hoogvliet am Montag der dpa in Stuttgart. "Jetzt haben wir juristische Klarheit." 15 Stadt- und Landkreise liegen bei der sogenannten Sieben-Tage-Inzidenz unter 50, nur noch vier Kreise über 100.

"Auch wir hatten schon überlegt, die landesweite Regelung aufzuheben und eine regionale Regelung daraus zu machen", sage Hoogvliet. Man habe am Wochenende schon Kontakt mit der Staatsregierung in Bayern gehabt, um gemeinsam mit dem Nachbarn zu überlegen, ob und wann man die landesweite Regelung im Gleichschritt aufheben könne. In Bayern drohte die bayerische FDP-Fraktion nach der Entscheidung aus Baden-Württemberg bereits damit, ebenfalls gerichtlich gegen die Ausgangebeschränkung vorzugehen, wenn diese nicht mit Ablauf der aktuellen Corona-Verordnung auslaufen würde. Die aktuelle Verordnung, die auch den Lockdown regelt, gilt noch bis zum 14. Februar.

ast/LTO-Redaktion mit Materialien der dpa

Zitiervorschlag

VGH BaWü: . In: Legal Tribune Online, 08.02.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44215 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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