Das Land Baden-Württemberg vertraut auf die von der Industrie versprochene Nachrüstung älterer Dieselmotoren, um unpopuläre Fahrverbote abzuwenden. Zu Unrecht, so das VG Stuttgart. Ob es dann 2018 so weit ist, bleibt dennoch unklar.
Fahrverbote für ältere Dieselautos sind in Stuttgart weiter möglich. Das Land Baden-Württemberg scheiterte am Freitag vor dem Verwaltungsgericht (VG) Stuttgart mit dem Versuch, durch Nachrüstungen vieler älterer Motoren durch die Autohersteller solche Verbote zu verhindern. Die Deutsche Umwelthilfe (DUH) hat vielmehr einen Anspruch auf Fortschreibung und Ergänzung des Stuttgarter Luftreinhalteplanes um Maßnahmen, die zu einer schnellstmöglichen Einhaltung der überschrittenen Immissionsgrenzwerte für Stickstoffdioxid der Umweltzone führen, entschied das Gericht. Der bisherige Plan sei unzureichend (Urt. v. 28.07.2017, Az. 13 K 5412/15).
Der Gesundheitsschutz sei höher zu bewerten als Interessen der Diesel-Fahrer, befand das Gericht. Zwar enthalte der vorgelegte Plan Fahrverbote, diese seien aber nicht umfassend genug. Das Land dürfe sich bei der Luftreinhaltung nicht darauf verlassen, dass die Autoindustrie nach seinen Vorstellungen reagiert, hieß es. Fahrverbote seien daher das wirksamste Mittel, um die seit Jahren hohe Belastung mit giftigem Stickstoffdioxid zu reduzieren. Alle anderen von der Planungsbehörde in Betracht gezogenen Maßnahmen wie Geschwindigkeitsbeschränkungen, Verkehrsverbote nach Kfz-Kennzeichen, City-Maut, Nahverkehrsabgabe und die "Nachrüstlösung" seien von ihrem Wirkungsgrad nicht gleichwertig.
Ein Fahrverbot stoße auch auf keine rechtlichen Bedenken, so das VG. Insbesondere bestehe keine rechtliche Notwendigkeit, das Verkehrsverbot so lange zu verschieben, bis die Zahl der davon betroffenen Verkehrsteilnehmer nur noch 20 Prozent der Stuttgarter Autofahrer betrifft. Hierbei handele es sich um eine von der Planbehörde willkürlich vorgenommene Begrenzung des vom Verkehrsverbot betroffenen Adressatenkreises, für die es keine sachliche Rechtfertigung gibt, so das VG.
Auch andere Städte diskutieren Fahrverbot
Ob und wann es tatsächlich zu Fahrverboten für viele Dieselmodelle kommt und wie diese aussehen könnten, ist aber noch offen. Es ist damit zu rechnen, dass der Streit letztlich beim Bundesverwaltungsgericht weitergeht. Das VG war sich jedenfalls sicher, dass Fahrverbote auch umsetzbar sind. Daran hatte es zuletzt Zweifel gegeben.
Die DUH war vor Gericht gezogen, um ein generelles Fahrverbot für Dieselautos in Stuttgart zu erreichen. Die Landesregierung baute dagegen auf von der Industrie versprochene Nachrüstungen älterer Dieselmotoren, um unpopuläre Fahrverbote zu verhindern.
Welche Schritte einzuleiten sind, könne er jetzt noch nicht sagen, sagte der Sprecher von Landesverkehrsminister Winfried Hermann (Grüne) am Freitag. Wie wahrscheinlich Fahrverbote für Dieselautos schon zum 1. Januar 2018 seien, wollte er nicht abschätzen.
Das Urteil könnte auch die Debatte um Fahrverbote in anderen Großstädten wie München oder Berlin beeinflussen. Beim Berliner Diesel-Gipfel beraten in der kommenden Woche zudem Vertreter von Bund, Ländern und Autoindustrie über konkrete Maßnahmen gegen zu hohe Schadstoffwerte durch den Autoverkehr.
dpa/acr/LTO-Redaktion
VG Stuttgart zu Diesel-Belastung: . In: Legal Tribune Online, 28.07.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23695 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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