VG Neustadt a.d. Weinstr. sieht eine zulässige Meinungsäußerung: Glocke mit "Hitler"-Schriftzug darf bleiben

23.10.2018

Die Kirchenglocke mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Alles fuer's Vaterland – Adolf Hitler" im pfälzischen Herxheim am Berg verspottet nicht den Holocaust, sondern dient der Auseinandersetzung mit der NS-Zeit, so das VG.

Die sogenannte "Hitler-Glocke" im pfälzischen Herxheim am Berg darf im Turm der dortigen evangelischen Kirche hängen bleiben und der Bürgermeister das Läuten der Glocke als " Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit" bezeichnen. Sowohl der Beschluss des Gemeindesrats zum Erhalt der Glocke als auch die Äußerung des Bürgermeisters seien als zulässige Meinungsäußerung hinzunehmen, entschied das Verwaltungsgericht (VG) Neustadt an der Weinstraße am Montag (Urt. v. 22.10.2018, Az. 3 K 751/18.NW und 3 K 802/18.NW).

Seit dem Jahr 1934 hängt im Kirchturm der protestantischen Kirche in Herxheim am Berg eine mit einem Hakenkreuz und der Aufschrift "Alles fuer's Vaterland – Adolf Hitler" versehene Glocke. Im März dieses Jahres fasst der Gemeinderat den Beschluss, die Glocke "als Anstoß zur Versöhnung und Mahnmal gegen Gewalt und Unrecht weiterhin hängen zu lassen". In diesem Zusammenhang bezeichnete der Bürgermeister das Läuten der Glocke als "Versöhnung mit den Opfern der Nazizeit".

Ein Bürger jüdischen Glaubens und Blutsverwandter von KZ-Dachau überlebenden Naziopfern hatte daraufhin geklagt, den aus seiner Sicht rechtswidrigen Gemeinderatsbeschluss aufzuheben und dem Bürgermeister seine Äußerung zu verbieten. Insbesondere in der Aussage des Bürgermeisters sehe er eine unzumutbare Verspottung und Verhöhnung der Opfer des Hitlerterrors und des Holocaust sowie deren Nachfahren.

Die Glocke dient als der Auseinandersetzung mit dem Nationalsozialismus

Das VG teilte diese Auffassung nicht und wies beide Klagen ab, weil es sich sowohl bei dem Gemeinderatsbeschluss, als auch bei der Äußerung des Bürgermeisters - in Abgrenzung zu Tatsachenbehauptungen - um zulässige Meinungsäußerungen handle. Ob die Glocke eine versöhnende Wirkung habe, sei keiner Beweisaufnahme zugänglich, sondern maßgeblich von wertenden Elementen abhängig.

Meinungsäußerungen lösten nur dann einen Unterlassungsanspruch aus, wenn sie primär auf eine Herabsetzung einer Person oder Personengruppe und nicht auf eine Auseinandersetzung in der Sache ziele, so die Kammer. Dies lasse sich aber nicht feststellen.

Unabhängig davon, wie man inhaltlich zu der Meinungsäußerung der Gemeindeorgane stehe, diene der Umgang mit der Glocke auch unter Berücksichtigung der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) nicht der Verhöhnung von Menschen jüdischer Abstammung, urteilte das Neustädter Gericht. Denn die Auffassung, die Glocke solle im Turm verbleiben und als Anstoß zur Versöhnung dienen, weise bei objektiver Betrachtungsweise einen greifbaren Sachbezug auf. Deswegen ist sie als Meinungsäußerung hinzunehmen, zumal nach dem mehrheitlichen Willen des Ortsgemeinderats die Geschichte der Glocke durch eine Mahntafel erläutert werden solle.

mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

VG Neustadt a.d. Weinstr. sieht eine zulässige Meinungsäußerung: . In: Legal Tribune Online, 23.10.2018 , https://www.lto.de/persistent/a_id/31645 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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