Google will eine neue Vorschrift im NetzDG gerichtlich prüfen lassen. Der Grund: Das Unternehmen will die Daten von Youtube-Usern nicht ohne Weiteres an das Bundeskriminalamt weitergeben.
Vor dem Verwaltungsgericht (VG) Köln sind zwei Verfahren von Google gegen die Bundesrepublik Deutschland anhängig. Mit einer Feststellungsklage sowie einem vorgelagerten Eilverfahren möchte Google gegen § 3a Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG) "und die Pflichten von Google zur massenhaften und automatischen Ausleitung von Nutzerdaten an das Bundeskriminalamt" (BKA) vorgehen, wie das Unternehmen gegenüber LTO bestätigte (Az. 6 L 1277/21 und Az. 6 K 3769/21). Über den Hintergrund der Klage hat ein Blogbeitrag von Youtube Klarheit gebracht.
Der Bundestag hat das in Frage stehende NetzDG vor vier Jahren beschlossen. Es soll Online-Netzwerke wie Twitter, Facebook und die Google-Tochtergesellschaft Youtube in die Pflicht nehmen, härter gegen Hass im Netz vorzugehen. Bereits bei seiner Verabschiedung war das Gesetz umstritten. Das gilt auch für das im April dieses Jahres beschlossene Gesetz zur Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität, welches auch das NetzDG zum Teil reformiert.
Eingeführt wird unter anderem die neue Vorschrift des § 3a NetzDG, die am 1. Februar 2022 in Kraft treten wird. Die Norm verpflichtet Anbieter sozialer Netzwerke, mögliche strafbare Inhalte an das Bundeskriminalamt (BKA) zu übermitteln. Der Anbieter muss zu diesem Zweck ein wirksames Verfahren für Meldungen vorhalten. Welche Inhalte genau übermittelt werden sollen, führt § 3a Abs. 2 NetzDG auf. Darunter fallen Inhalte, die dem Anbieter gemeldet worden sind, die er entfernt oder zu denen er den Zugang gesperrt hat und bei denen konkrete Anhaltspunkte für die Erfüllung eines der genannten Straftatbestände (z.B. Volksverhetzung) vorliegen.
Daten aller Nutzer könnten beim BKA landen
Nach eigenen Angaben stört sich die Plattform Youtube an der Menge der Nutzerdaten, die sie dem BKA künftig bei Vorliegen der Voraussetzungen zur Verfügung stellen muss. So müsste sie unter anderem bereits IP-Adresse und Nutzernamen übermitteln, bevor das BKA den in Frage stehenden Inhalt auf strafrechtliche Relevanz hin überprüft.
Google zufolge schätzt der Gesetzgeber selbst, dass tatsächlich in rund 40 Prozent der durch Anbieter weitergegebenen Inhalte kein strafbarer Inhalt vorliegt. Daher müssten auch alle anderen Nutzerinnen und Nutzer, die rechtmäßige Inhalte veröffentlichen, befürchten, dass ihre personenbezogenen Daten in Datenbanken der Polizei gespeichert werden. Zudem würden die Rechte Betroffener ausgehebelt, da sie erst nach vier Wochen vom Anbieter über die Weitergabe ihrer Daten informiert werden dürften.
Neben dieser datenschutzrechtlichen Problematik sieht Google darin außerdem einen Konflikt mit der Verfassung und europarechtlichen Vorgaben. Hoheitliche Aufgaben würden auf private Unternehmen übertragen und rechtsstaatliche Kontrollen fehlten.
Strafrechtler: "Strafverfolgung muss Sache des Staates bleiben"
Die Plattform betont jedoch, dass der Kampf gegen Hass und Hetze für sie von größter Bedeutung sei, insbesondere im Vorfeld der Bundestagswahl. Es gehe schließlich um das gemeinsame Anliegen, "das Netz als offene Plattform für einen zivilen und konstruktiven Austausch zu verteidigen".
Prof. Dr. Christoph Buchert zufolge ist die angestrebte Klage gut und richtig. "Eine Weitergabe von privaten Daten in diesem Umfang ohne festgestellten Anfangsverdacht halte ich für unzulässig. Strafverfolgung muss Sache des Staates bleiben", so der Of Counsel der Kanzlei Plan A und Strafrechtler an der Hochschule für Polizei und öffentliche Verwaltung NRW in Köln. Er und sein Kollege Dr. Ingo Bott gehen davon aus, dass das VG kurzen Prozess macht und die Regelung für unwirksam erklärt, wie sie der LTO mitteilen.
"Sollte Google das Verfahren gewinnen, fällt die Anzeigepflicht grundsätzlich nur gegenüber Google selbst weg. Damit wäre diese Pflicht aber auch für alle anderen Unternehmen untragbar", erklärt Bott, Fachanwalt für Strafrecht und Inhaber der Kanzlei Plan A.
Verfahren vor dem VG Köln: . In: Legal Tribune Online, 30.07.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/45594 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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