Minderjährige, die in Deutschland subsidiär schutzberechtigt sind, können nach einer Entscheidung des VG Berlin ihre Eltern nur so lange nachholen, bis sie volljährig sind. Das AufenthG diene nicht den eigenständigen Interessen der Eltern.
Wird ein in Deutschland lebendes subsidiär schutzberechtigtes Kind volljährig, können die im Ausland lebenden Eltern nicht mehr nach einer im August 2018 neu eingeführten Regelung im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) zu ihm nachziehen. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin in zwei Klageverfahren entschieden, wie es am Freitag bekannt gab (Urt. v. 29.03.2019, Az. VG 38 K 27.18 V und Urt. v. 03.04.2019, Az. VG 38 K 26.18 V).
Geklagt hatten ein syrischer Vater und eine eritreische Mutter. Sie wollten jeweils zu ihrem Kind nachziehen, dem in Deutschland der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt worden war. Sie beriefen sich auf die seit dem 1. August 2018 geltende Regelung des § 36a Absatz 1 Satz 2 des AufenthG, wonach der Familiennachzug zu subsidiär Schutzberechtigten aus humanitären Gründen erlaubt ist – zumindest begrenzt auf 1.000 Personen im Monat.
Das VG Berlin wies die Klagen der Eltern allerdings ab. Die Eltern können nach Auffassung der Kammer nur solange eine Aufenthaltsgenehmigung erhalten, bis ihr Kind volljährig geworden ist. Danach erlösche die Nachzugmöglichkeit.
Schutzbedürfnis entfällt mit Volljährigkeit
Die Berliner Verwaltungsrichter begründen ihre Entscheidung mit dem Sinn und Zweck der aufenthaltsrechtlichen Bestimmung. Der Elternnachzug diene nicht eigenständigen Interessen der Eltern, sondern dem Schutz des unbegleiteten Minderjährigen und seinem Interesse an der familiären Einheit mit den Eltern. Dieses sei mit dem Eintritt der Volljährigkeit aber nicht mehr gegeben.
Anders sah das der Europäische Gerichtshof (EuGH) im April 2018 beim Elternnachzug zu unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen. Danach behält ein unbegleiteter Minderjähriger, der während des Asylverfahrens volljährig wird, sein Recht auf Familienzusammenführung. Abzustellen sei in solchen Fällen auf den Zeitpunkt der Asylantragstellung – und eben nicht auf die Entscheidung über den Antrag, so der EuGH vor einem Jahr (Urt. v. 12.04.2018, Az. C-550/16).
Übertragen könne man die Rechtsprechung auf die subsidiär schutzberechtigten Kinder allerdings nicht, so das Berliner VG. Der Entscheidung aus Luxemburg liege nämlich die Richtlinie zur Familienzusammenführung (RL 2003/86/EG) zugrunde, die auf diese Fälle nicht anwendbar sei. Bei den subsidiär Schutzberechtigten komme es deswegen auf den Zeitpunkt an, in dem die Eltern den Nachzugsantrag gestellt hätten oder in dem das Kind den subsidiären Schutzstatus erhalten oder diesen beantragt habe. Ist das Kind dann schon volljährig, sei eine Familienzusammenführung nicht mehr möglich.
Rechtskräftig ist Entscheidung des VG Berlin allerdings noch nicht. Die Kammer hat wegen grundsätzlicher Bedeutung in beiden Verfahren sowohl die Berufung zum Oberverwaltungsgericht (OVG) Berlin-Brandenburg als auch die Sprungrevision zum Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) zugelassen.
mgö/LTO-Redaktion
VG Berlin zu subsidiär schutzberechtigten Kindern: . In: Legal Tribune Online, 03.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35181 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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