FragdenStaat obsiegt am VG Berlin: Bund unter­liegt im Streit um Bun­des­ge­setz­blatt

von Manuel Göken

02.12.2021

Nach 15 Jahren sind Geschäftsgeheimnisse kein valides Argument mehr gegen die Herausgabe des Vertrages zum Bundesgesetzblatt. So zumindest entschied es das VG Berlin auf eine Klage von FragDenStaat. Das BMJV hat Berufung eingelegt.

Der Bund muss dem Verein Open Knowledge Foundation Deutschland den weitgehend ungeschwärzten Vertrag mit dem Bundesanzeiger Verlag herausgeben, der das deutsche Bundesgesetzblatt vertreibt. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Berlin kürzlich entschieden (Urt v. 17.09.2021, Az. 2 K 36.19).

Im Bundesgesetzblatt verkündet der Bund neu verabschiedete Gesetze und schließt damit das nach dem Grundgesetz (GG) vorgegebene Gesetzgebungsverfahren ab. Das Bundesgesetzblatt wird vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) herausgegeben und nach einem Vertrag aus dem Jahr 2006 vom Bundesanzeiger Verlag vertrieben. Dieser gehört zu dem Kölner Medienunternehmen DuMont.

Das Portal FragDenStaat, das ein Projekt des eingetragenen Vereins Open Knowledge Foundation ist, stört sich daran, dass der Verlag der Öffentlichkeit manchen Service, wie das Durchsuchen, Kopieren oder Ausdrucken von "zentrale Dokumente der Demokratie" nur eingeschränkt, das heißt mit einem kostenpflichtigen Abonnement, anbietet.

Nähere Informationen über die Vergütung für oder die Urheberrechte an den Dokumenten behielt der Bund unter Berufung auf die Geschäftsgeheimnisse des Unternehmens für sich. Deswegen hat der Verein auf Herausgabe des Vertrages mit dem Verlag geklagt.

Alte Geschäftsgeheimnisse gelten nicht mehr

Dieser Klage hat das VG Berlin nun stattgegeben. Der gemeinnützige Verein kann seinen Herausgabeanspruch auf § 1 Abs. 1 S. 1 des Informationsfreiheitsgesetzes (IFG) stützen. Danach hat jeder nach Maßgabe dieses Gesetzes gegenüber den Behörden des Bundes einen Anspruch auf Zugang zu amtlichen Informationen.

Mögliche Betriebs- oder Geschäftsgeheimnisse, die einem Informationszugang nach § 6 S. 2 IFG entgegenstehen könnten, hat die 2. Kammer nicht gesehen. Der zuständige Einzelrichter ist dabei von einer besonderen Darlegungslast des Bundes ausgegangen, weil der Vertragsschluss bereits mehrere Jahre zurück liegt und dem Verlag darin der ausschließliche Vertrieb des BGBl eingeräumt wurde.

Bund will Gesetzverkündung digitalisieren

Der Bund konnte allerdings nicht darlegen, warum die Offenlegung der geschwärzten Passagen des Bundesgesetzblatt-Vertrags geeignet sein soll, exklusives technisches oder kaufmännisches Wissen Marktkonkurrenten zugänglich zu machen und so die Wettbewerbsposition des Verlages nachteilig zu beeinflussen, heißt es in dem Urteil.

Weder sei die wirtschaftliche Ausgangssituation des Verlages aus dem Jahr 2006 noch der damalige Wettbewerb auf den gegenwärtigen Zeitpunkt übertragbar. Dies gelte umso mehr, als das BMJV die verabschiedeten Gesetze zukünftig nicht mehr schriftlich, sondern in digitaler Form verkünden will, heißt es weiter. Dies hatte das Ministerium nämlich ursprünglich ab dem Jahr 2022 geplant, konnte diesen Zeitplan aber nicht einhalten.

"Mit dem Urteil des Verwaltungsgerichts wird deutlich, dass sich Behörden bei älteren Verträgen nicht pauschal auf Geschäftsgeheimnisse berufen können - schon gar nicht, wenn sie wie in diesem Fall noch nicht einmal genau begründen können, welche Nachteile Unternehmen überhaupt entstehen würden", sagt Arne Semsrott, Projektleiter von FragDenStaat, gegenüber LTO.

Den ungeschwärzten Vertrag erhält der gemeinnützige Verein allerdings noch nicht. Die Entscheidung ist nicht rechtskräftig, das BMJV hat für den Bund Berufung eingelegt.

Zitiervorschlag

FragdenStaat obsiegt am VG Berlin: . In: Legal Tribune Online, 02.12.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/46818 (abgerufen am: 21.11.2024 )

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