Rückstau auf der Autobahn, Gefahr durch gegenläufige Versammlungsströme und Nähe zur Abbruchkante – die Polizei hatte den Ablauf einer Versammlung in Lützerath untersagt und einen Alternativort zugewiesen. Zu Unrecht, so das VG Aachen.
Eine Großdemonstration, die für den 14. Januar 2023 unter dem Motto "Lützerath bleibt" geplant ist, kann weitgehend so stattfinden, wie geplant. Das Polizeipräsidium Aachen hat nicht hinreichend glaubhaft gemacht, warum die örtliche Veränderung des Ablaufs eine unmittelbare Gefahr darstellt. Das hat das Verwaltungsgericht (VG) Aachen entschieden und einem Eilantrag der Veranstalterin, der Initiative "Klimagerechtigkeitsbewegung DE" teilweise stattgegeben (Beschl. v. 13.01.2023 – Az. 6 L 35/23). Erst am Vortag hatte das VG Aachen die Verlegung zweier Mahnwachen aus Lützerath heraus als voraussichtlich rechtmäßig eingestuft (Beschl. v. 12.01.2023 – Az. 6 L 25/23 und 6 L 26/23).
Das Polizeipräsidium Aachen hatte eine Verfügung unterlassen, die der Veranstalterin den Einsatz von zehn Traktoren als Hilfsmittel, aber auch den geplanten örtlichen Ablauf untersagte. Die Veranstalterin hatte geplant, mit einer Auftaktkundgebung auf der L277 nördlich von Keyenberg zu beginnen. Dann sollte die Demonstration durch den Ortskern von Keyenberg zu einer Schlusskundgebung nordwestlich von Lützerath führen. Die Polizei wies der Veranstalterin einen Alternativstandort der Auftaktkundgebung westlich von Keyenberg zu. Es drohe ansonsten ein Rückstau von Anreisenden, die Abbruchkante sei zu nah an der Versammlung gelegen und es bestehe eine Gefahr durch gegenläufige Versammlungsströme der anreisenden Teilnehmer.
Keine unmittelbare Gefahr durch örtlichen Ablauf
Das Gericht teilt diese Bedenken nicht, jedenfalls habe die Polizei die für die Zuweisung eines Alternativstandorts erforderliche unmittelbare Gefahr allerdings nicht hinreichend glaubhaft gemacht. So sei nicht dargelegt, dass der Gefahr des Rückstaus nicht auch durch verkehrslenkende polizeiliche Maßnahmen oder sonstige Vorgaben gegenüber der Versammlungsleitung Rechnung getragen werden könne. Von der Abbruchkante gehe bereits wegen einer Distanz von immerhin 150 m – 500 m zur Versammlung keine Gefahr aus. Der Gefahr durch gegenläufige Versammlungsströme anreisender Teilnehmer sei im Einzelfall durch geeignete polizeiliche Maßnahmen am Versammlungstag zu begegnen.
Anders beurteilte das Gericht indes die Untersagung des Mitführens von 10 Traktoren. Gerade im Rahmen einer Großdemonstration mit bis zu 8.000 Personen und einem "potentiell dynamischen Versammlungsablauf" gehe von den landwirtschaftlichen Großgeräten ein erhebliches Gefahrenpotential für die unmittelbar davor und dahinter befindlichen Teilnehmer der Versammlung aus. Die Untersagung sei insoweit rechtmäßig. Gegen den Beschluss ist Beschwerde beim Oberverwaltungsgericht (OVG) des Landes Nordrhein-Westfalen möglich.
lm/LTO-Redaktion
VG Aachen zu Protesten in Lützerath: . In: Legal Tribune Online, 13.01.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/50761 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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