Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen: Ber­liner Senat läutet Vor­stufe zur Vor­stufe ein

28.08.2023

Die Mehrheit der Berliner will sie und die Expertenkommission hält sie für zulässig: eine Vergesellschaftung großer Wohnungsunternehmen. Dafür braucht es ein entsprechendes Gesetz, doch der Senat will vorerst nur ein Rahmengesetz erlassen.

Der schwarz-rote Berliner Senat will in Kürze damit beginnen, einen Rechtsrahmen für die Vergesellschaftung von Unternehmen zu erarbeiten. Der Senat werde sich dazu innerhalb der nächsten zwei Wochen zu einem Auftakttreffen zusammenfinden, kündigte der Senator für Bauen und Wohnen, Christian Gaebler (SPD), am Montag im Ausschuss für Stadtentwicklung des Abgeordnetenhauses an.

In den ersten Schritten werde es um den Zeitplan für den Gesetzgebungsprozess und um die Struktur des geplanten Vergesellschaftungsrahmengesetzes gehen. An dem Verfahren seien mehrere Senatsverwaltungen beteiligt, die Federführung werde bei der Finanzverwaltung liegen.

Bei einem Volksentscheid im September 2021 hatten gut 59 Prozent der Wähler für die Vergesellschaftung von Immobilienunternehmen mit mehr als 3.000 Wohnungen in Berlin gestimmt. Da die damals amtierende, im Zuge der Neuwahl im Februar 2023 wieder abgewählte Regierende Bürgermeisterin Franziska Giffey (SPD) Zweifel an der juristischen Machbarkeit hatte, setzte der Senat eine 13-köpfige Expertenkommission ein, um das Vorhaben zu prüfen. Nach gut einjähriger Beratung kam die Kommission in ihrem im Juni vorgestellten Abschlussbericht zu dem Ergebnis, dass eine solche Vergesellschaftung verfassungsrechtlich möglich wäre.

Rahmengesetz soll Vorab-Prüfung durch das BVerfG ermöglichen

Demnach ermöglicht das Grundgesetz (GG) dem Land Berlin, die Vergesellschaftung von Grund und Boden in einem Gesetz zu regeln. Eine solche bedeutet gemäß Art. 15 GG die Überführung größerer Boden- und Sachbestände in "Gemeineigentum oder in andere Formen der Gemeinwirtschaft". Hier steht die nach einem möglichen Eigentumsentzug (der nicht zwingend ist) die am Gemeinwohl orientierte spätere Nutzung im Fokus. Sie ist nicht zu verwechseln mit der Enteignung gemäß Art. 14 Abs. 3 GG, welche zwingend mit einem Eigentumsentzug verbunden ist und sich nur auf einzelne, konkret benannte Sachen oder Rechte bezieht.

Wie bei der Enteignung sind die von einer Vergesellschaftung betroffenen Unternehmen für die ihnen entzogenen Rechtspositionen zu entschädigen, so fordert es Art. 15 S. 2 GG. Die Entschädigung darf laut dem Mehrheitsvotum der Expertenkommission unterhalb des Verkehrswertes der Immobilien liegen. Dies sei weder unverhältnismäßig noch sei die Grenze von 3.000 Wohnungen willkürlich.

In ihrem Koalitionsvertrag hatten sich CDU und SPD im April darauf verständigt, im Fall eines solchen Votums ein Vergesellschaftungsrahmengesetz zu erarbeiten. Darin soll es unter anderem um Kriterien für eine Vergesellschaftung von Unternehmen der öffentlichen Daseinsvorsorge gehen, zudem um die Entschädigung. Im Fokus des Gesetzes steht also nicht allein der Bereich Wohnen, sondern zum Beispiel auch die Energie- oder Wasserversorgung.

Die Idee ist, dass das Gesetz erst zwei Jahre nach seiner Verkündung in Kraft tritt. So soll sichergestellt werden, dass das Bundesverfassungsgericht das Gesetz vorher überprüft. Damit will der schwarz-rote Senat eine Panne vermeiden wie diejenige, die Rot-Grün-Rot beim Mietendeckel-Gesetz erlebt hatte: Der war schon in Kraft getreten, als die Richter in Karlsruhe ihn im April 2021 doch noch für verfassungswidrig erklärt hatten.

Ist der Wille des Volkes umsetzbar?

Die Initiatoren des Volksentscheids dagegen halten die Ausarbeitung einer Rahmengesetzes für eine Verschleppungstaktik. "Der Umgang mit dem Volksentscheid ist demokratieschädigend", sagte Isabella Rogner vom Bündnis "Deutsche Wohnen und Co. enteignen" und verwies auf den Umstand, dass seit dem Volksentscheid bald schon zwei Jahre vergangen sind. Nach dem Votum der Expertenkommission müsse auch dem Letzten klar sein, das eine Vergesellschaftung möglich, notwendig und das beste Mittel gegen die Wohnungskrise sei. "Wohnraum ist ein Grundrecht und kein Spekulationsobjekt." Dieser Auffassung schlossen sich Ausschussmitglieder von Linken und Grünen an.

Maren Kern, Vorständin des Verbands Berlin-Brandenburgischer Wohnungsunternehmen (BBU), hielt dagegen. Aus ihrer Sicht dürfte eine Vergesellschaftung von Wohnraum wegen hoher Entschädigungszahlungen entweder unfinanzierbar oder aber verfassungsrechtlich nicht haltbar sein. Nach der Arbeit der Expertenkommission seien außerdem viele konkrete Fragen eines solchen Vorgehens ungeklärt, sagte Kern im Ausschuss. Ein Beispiel seien Kredite, die Banken im Falle einer Eigentumsübertragung der Wohnungen kündigen könnten.

"Eine nachhaltige Bewirtschaftung der Wohnungen in einer neuen Gesellschaft zu Wunschmieten ist wirtschaftlich nicht darstellbar", gab Kern weiter zu bedenken. Denn auch ein neuer Eigentümer – diskutiert wird über eine Anstalt öffentlichen Rechts – müsse wirtschaftlich arbeiten. Und: "Durch Vergesellschaftung ändert sich nichts am Wohnungsangebot in Berlin."

Die Vorsitzende der Expertenkommission, Ex-Bundesjustizministerin Herta Däubler-Gmelin (SPD), berichtete im Ausschuss via Videoschalte noch einmal über die Arbeit des Gremiums. Sie betonte, dass es dabei um die juristische Klärung diverser Fragen ging und nicht um politische Schlussfolgerungen, die sich daraus ergeben.

dpa/mk/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Vergesellschaftung von Wohnungsunternehmen: . In: Legal Tribune Online, 28.08.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/52579 (abgerufen am: 14.11.2024 )

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