Die Entführung und Ermordung des Bankierssohns Jakob von Metzler liegt fast 15 Jahre zurück. Der verurteilte Mörder will auf Bewährung frei kommen, obwohl bei seiner Verurteilung die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden war.
Es ist 14 Jahre her, dass das Landgericht (LG) Frankfurt den Mann, der damals noch Magnus Gäfgen hieß, schuldig des Mordes an dem 11-jährigen Bankierssohn Jakob von Metzler sprach, ihn zu lebenslanger Haft verurteilte und die besondere Schwere der Schuld feststellte.
Dennoch hat der verurteilte Mörder nun beim LG in Kassel, wo er seine Strafe verbüßt, einen Antrag auf Aussetzung seiner Strafe zur Bewährung gestellt. Diese ist zwar auch bei lebenslanger Freiheitsstrafe nach Ablauf von 15 Jahren möglich, setzt aber voraus, dass nicht die besondere Schwere der Schuld festgestellt worden ist, § 57a Strafgesetzbuch (StGB). Dennoch ist es für den Strafverteidiger Prof. Helmut Pollähne "jetzt der richtige Zeitpunkt, den Antrag zu stellen". Die besondere Schwere der Schuld bedeute normalerweise 15 Jahre plus X. Um heraus zu finden, wie viel das X bei dem verurteilten Mörder Jakob von Metzlers bedeute, müsse dessen Anwalt jetzt den Antrag stellen. "Sonst erfährt er nicht, wie lange er noch mindestens sitzt."
Der ehemalige Jurastudent hat seinen Geburtsnamen Magnus Gäfgen mit Blick auf seine Resozialisierungschancen nach der Haft inzwischen geändert. Er verbüßt seine Strafe in Kassel, wo die Strafvollstreckungskammer nach Angaben des Gerichts jetzt auf seinen Antrag die Mindestverbüßungsdauer für den inzwischen 42-Jährigen klärt.
Dabei prüft sie, ob der Verurteilte weiter eine Gefährdung für die Gesellschaft ist und voraussichtlich erneut Straftaten von einigem Gewicht begehen wird. Laut Strafverteidiger Udo Vetter aus Düsseldorf gehören dazu psychologische Komponenten wie Aggressionen und kriminelle Energie. Es werde auch geschaut, ob der Täter eine Therapie gemacht, gearbeitet, eine Ausbildung oder ein Studium absolviert hat. Auch Reue oder Einsicht in das eigene Tatverhalten können zugunsten eines Verurteilten berücksichtigt werden.
Der Mörder, der sich auf die Menschenrechtskonvention berief
Die Tat und das anschließende Strafverfahren gegen Gäfgen, der den elfjährigen Bankierssohn im September 2002 entführt und anschließend ermordet hatte, um von dessen Eltern ein Lösegeld zu erpressen, hatten damals große Aufmerksamkeit in den Medien erregt.
Seine Verurteilung beruhte im Wesentlichen auf einem Geständnis, das Gäfgen in der Hauptverhandlung abgegeben hatte. Zuvor hatte das LG festgestellt, dass die von ihm während seiner polizeilichen Vernehmung gemachten Einlassungen nicht verwertet werden durften, weil die Polizei verbotene Vernehmungsmethoden angewandt, ihm konkret unmittelbaren Zwang angedroht hatte, um ihn dazu zu bringen, den Aufenthaltsort des entführten Jungen zu nennen, von dem die Beamten glaubten, er lebe noch. Der damalige stellvertretende Polizeipräsident Wolfgang Daschner wurde später wegen Verleitung eines Untergebenen zu einer Straftat (§ 357 StGB), der handelnde Hauptkommissar wegen Nötigung im Amt verurteilt.
Gäfgen zog unterdessen nach seiner Verurteilung durch alle Instanzen. In Deutschland verlor er vor dem Bundesgerichtshof und seine Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen. Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg stellte zwar einen Verstoß gegen die Europäische Menschenrechtskonvention fest, bewertete das Verfahren aber im Ganzen als fair. Daraufhin erstritt Gäfgen 3.000 Euro Entschädigung für die erlittene Folter-Androhung.
Mit seinem Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens drang er jedoch nicht durch. Der im Ermittlungsverfahren festgestellte Verstoß habe keinen Einfluss auf sein Geständnis in der Hauptverhandlung gehabt, auf dem die Verurteilung im Wesentlichen beruhe, entschied das Oberlandesgericht Frankfurt im Jahr 2012 (Beschl. v. 29.06.2012, Az. 1 Ws 3/12).
pl/LTO-Redaktion
Mit Materialien von dpa
Pia Lorenz, Strafaussetzung zur Bewährung beantragt: . In: Legal Tribune Online, 09.08.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/23883 (abgerufen am: 05.11.2024 )
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