2/2: Kleinstaaterei mit Nachteilen
Kritiker des Föderalismus sehen in der Kleinstaaterei jedoch auch entscheidende Nachteile. Die Mitsprache der starken Länderfürsten über den Bundesrat führt zu oft monatelangen, lähmenden Vermittlungsverfahren, die Entscheidungswege sind lang und kompliziert, und die Doppelstrukturen in Land und Bund machen die Verwaltung teuer.
Mehrfach gab es deshalb Bestrebungen, kleinere Bundesländer zusammenzulegen - bis auf die Gründung von Baden-Württemberg 1952 ohne Erfolg. 1996 scheiterte die bereits beschlossene Fusion von Berlin und Brandenburg am mangelnden Rückhalt in der Bevölkerung. 2003 schlug der damalige rheinland-pfälzische Ministerpräsident Kurt Beck glücklos ein Zusammengehen seines Landes mit dem Saarland vor. Und auch eine Vereinigung von Bremen und Niedersachsen oder Hamburg und Schleswig-Holstein stößt auf wenig Begeisterung.
"Die Deutschen leben in einer paradoxen Föderalismuswelt", sagt Professor Sturm mit Hinweis auf zahlreiche empirische Erhebungen. "Jeder findet die Länder gut und wichtig. Aber im Zweifelsfall sollen alle politischen Entscheidungen am liebsten auf Bundesebene fallen."
Problempunkt Bildung
Besonderer Knackpunkt ist dabei seit jeher die Bildungspolitik. Von Anfang an war im Grundgesetz die Kulturhoheit der Länder festgeschrieben. Nach jahrelanger innenpolitischer Debatte wurde sie
2006 noch um ein ausdrückliches Kooperationsverbot ergänzt. Die Länder hatten damit in der Schul- und Hochschulpolitik allein den Hut auf, der Bund durfte noch nicht einmal Geld geben.
Seither hat sich das deutsche Schulwesen mehr noch als bisher zu einem wahren Flickenteppich entwickelt. Jedes Land experimentiert mit unterschiedlichen Schulformen, Kurs- und Stufensystemen, zwölf- und dreizehnjährigem Abitur munter vor sich hin. Längst klagen Eltern, dass sie mit ihren Kindern nicht mehr von einem Bundesland ins andere ziehen können, die Wirtschaft beschwert sich über nicht vergleichbare Abschlüsse.
Dennoch ist die Kulturhoheit für die Länder bislang ähnlich heilig wie die Innere Sicherheit. Nicht zuletzt machte auch das die Einigung auf einen neuen Finanzausgleich zwischen Bund und Ländern so schwierig.
Erst nach zweijährigen Verhandlungen verständigten sich beide Ebenen Ende vergangenen Jahres darauf, dass die Länder ab 2020 jährlich insgesamt gut 9,75 Milliarden Euro mehr aus der Bundeskasse erhalten. Der Bund bekommt im Gegenzug mehr Gesetzgebungskompetenzen etwa bei Fernstraßen und in der Steuerverwaltung - aber auch bei Investitionen in Schulen.
"Besser Kooperations- und Kommunikationsstrukturen optimieren"
Für Professorin Kropp, die sich seit Jahren mit dem Politischen System der Bundesrepublik beschäftigt, muss mehr Mitsprache des Bundes jedoch nicht notwendig mehr Zentralismus heißen. "Manche Experten halten eine Rückkehr zur sogenannten Politikverflechtung für sinnvoller", sagt sie. "Danach würden Bund und Länder stärker gemeinsam planen, finanzieren und durchführen. Der Punkt wäre aber, den Bund verpflichtend in diese Aufgaben einzubinden."
Und was heißt das für die neuen Herausforderungen durch den internationalen Terrorismus? Die Vizepräsidentin der Europa-Universität Viadrina in Frankfurt (Oder), Ines Härtel, ist skeptisch, ob de Maizières Vorschlag zu einer zentralen Verfassungsschutzbehörde tatsächlich helfen würde.
"Besser wäre es, die Kooperations- und Kommunikationsstrukturen zu optimieren", sagt die Verwaltungsrechtlerin. "Vor Ort haben die jeweiligen Bundesländer bessere Möglichkeiten, verfassungsschutzbezogene Erkenntnisse zu erlangen. Diesen Vorteil des Föderalismus sollte man nicht aufgeben." Nach der Flüchtlingswelle im vergangenen Jahr habe man gesehen, dass solche Verbesserungen möglich seien.
dpa/nas/LTO-Redaktion
Föderalismus vs. Zentralismus: . In: Legal Tribune Online, 09.01.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/21703 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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