Nach den jüngsten Fällen um Publizistin Alice Schwarzer und Staatssekretär André Schmitz hat sich die SPD dafür ausgesprochen, die Möglichkeit der strafbefreienden Selbstanzeige bei Steuerdelikten weitgehend abzuschaffen. Doch auch Befürworter melden sich zu Wort. BFH-Präsident Mellinghof spricht von einer höheren Steuermoral der Deutschen - und die bayerische Staatskasse verzeichnet durch Selbstanzeigen Mehreinnahmen in dreistelliger Millionenhöhe.
Die SPD will ein weitgehendes Ende der Straffreiheit bei geständigen Steuersündern. "Wir wollen die strafbefreiende Selbstanzeige bis zu einer Bagatellgrenze abschaffen", sagte die neue SPD-Generalsekretärin Yasmin Fahimi am Dienstag. Die Bagatellgrenze sei wegen des komplizierten deutschen Steuersystems notwendig, um vor allem kleine und mittelständische Betriebe zu schützen.
Damit ging sie über Forderungen von SPD-Fraktionschef Thomas Oppermann hinaus, der als Konsequenz aus den Fällen der Publizistin Alice Schwarzer und des Berliner Kulturstaatssekretärs André Schmitz (SPD) Änderungen in Aussicht gestellt hatte. Gleichzeitig müsse aber auch die Steuerfahndung verbessert werden, so Fahimi. "Steuerhinterziehung muss mit aller Härte verfolgt werden. Der Ehrliche darf nicht der Dumme sein."
Empörung über Schwarzer & Co
Vorausgegangen war öffentliche Empörung über die Steuersünden von Schmitz und Schwarzer. Schmitz trat als Konsequenz der Affäre am Dienstag zurück, Schwarzer leistete Abbitte und kündigte an, eine gemeinnützige Stiftung für Chancengleichheit von Frauen gründen zu wollen.
Am Montagabend hatte sich Nordrhein-Westfalens Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) in der TV-Talkrunde "hart aber fair" über Schwarzer echauffiert. "Das ist eine Straftat und jemand, der die begeht, ist auch Täter", so Borjans. Die 71-Jährige hatte am Sonntag zugegeben, über Jahrzehnte ein Schweizer Konto verheimlicht zu haben. Nach eigenen Angaben hat sie rund 200.000 Euro plus Säumniszinsen für die vergangenen zehn Jahre an den Fiskus nachgezahlt. Für den davor liegenden - verjährten - Zeitraum muss sie indes keine Nachzahlungen leisten.
Abschaffung der Selbstanzeige könnte Staat teuer zu stehen kommen
Trotz der vielfach empfundenen Ungerechtigkeit hat die Selbstanzeige auch zahlreiche Befürworter. Einer davon ist Horst Vinken, Präsident der Bundessteuerberaterkammer. Nach seiner Ansicht ist das Instrument schon deshalb sinnvoll und legitim, weil der Staat oft nicht das Personal habe, um komplexe Fälle aufzudecken.
Ähnlich sieht es der stellvertretende FDP-Vorsitzende Wolfgang Kubicki: "Wer aus moralischer Empörung auf die Selbstanzeige verzichten will, der wird dazu beitragen, dass der Staat deutlich weniger Geld einnimmt", sagte der Kieler Steuerstrafrechtler am Dienstag. Ohne Selbstanzeigen müsste die Steuerfahndung jeden einzelnen Steuerbetrüger überführen: "90 Prozent der Fälle würden wir nicht mehr erreichen. Das wäre ein unglaublicher Aderlass an öffentlichen Einnahmen", meinte Kubicki. Die Selbstanzeige habe sich bewährt, zumal die rechtlichen Vorgaben deutlich verschärft worden seien.
Seit Hoeneß: 230 Millionen Mehreinnahmen in Bayern
Eine Auskunft des bayrischen Finanzministeriums gibt dem FDP-Politiker offenbar Recht: Der durch die Schlagzeilen um den FC Bayern-Präsidenten Uli Hoeneß verursachte Boom von fast 4.000 Selbstanzeigen hat im vergangenen Jahr 230 Millionen Euro zusätzliche Steuereinnahmen eingebracht, wie das Ministerium in München am Dienstag auf Anfrage mitteilte. Rein rechnerisch hat damit jeder Steuerhinterzieher nachträglich knapp 58.000 Euro bezahlt.
Bundesfinanzhof-Präsident Rudolf Mellinghoff sprach von einer gestiegenen Steuermoral der Deutschen. "Wir haben heute ein ganz anderes Steuerbewusstsein als noch vor 20 Jahren". Den Menschen sei bewusst, dass Steuerhinterziehung kein Kavaliersdelikt sei, sondern strafbares Unrecht. Die Selbstanzeige in Deutschland habe eine lange Tradition, sie müsse für Bürger jedoch auch ohne größere Probleme anwendbar sein.
Faires System fördert faires Verhalten
Auch der Steuerpsychologe Prof. Erich Kirchler warnt vor falschen Schlussfolgerungen aus den in jüngster Zeit bekannt gewordenen Steuerfällen. "Was Sie nicht sagen können, ist, dass Reiche ehrlicher oder unehrlicher wären als Arme." Die Möglichkeiten seien das Entscheidende und nicht die Einkommenshöhe. Ganz nach der Devise: Gelegenheit macht Diebe.
Allerdings hätten Studien gezeigt, dass ein als gerecht empfundenes Steuersystem die Steuerehrlichkeit fördere. Kirchler erläutert: "Wenn Menschen den Eindruck haben, nicht fair behandelt zu werden, versuchen sie, diese Fairness selbst wieder herzustellen." Wichtig sei deshalb, dass ein Steuersystem nicht zu komplex konstruiert sei, denn das fördere Misstrauen. Außerdem dürfe der Bürger nicht den Eindruck haben, dass alle anderen schummeln, nur er selbst nicht. Denn der ehrliche Dumme - der will nun wirklich niemand sein.
dpa/una/LTO-Redaktion
Hoeneß, Schwarzer, Schmitz und Co.: . In: Legal Tribune Online, 04.02.2014 , https://www.lto.de/persistent/a_id/10883 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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