Im Koalitionsvertrag ist sie angedeutet, nun scheint sich in Sachen StPO-Reform etwas zu bewegen. Das BMJV hat diverse Änderungen auf der Liste, in einem Punkt ist man sich nun mit der Union einig.
Es ist schon länger her, dass die Bundesregierung sich darauf verständigte, sich die Strafprozessordnung (StPO) noch einmal vorzunehmen. Genauer gesagt schon deutlich über ein Jahr, nämlich im Koalitionsvertrag zur gegenwärtigen Legislaturperiode. Da lagen die letzten Änderungen an den Strafverfahrensregeln gerade einmal ein halbes Jahr zurück. Anfang 2018 einigte man sich dann auf einen "Pakt für den Rechtsstaat", der allerdings noch einiger Konkretisierung bedurfte. Nach langem Hin und Her beschloss man die versprochene Finanzspritze für die unter großen Personalsorgen leidende Justiz.
Neben mehr Geld und Personal für die Justiz sollte laut Koalitionsvertrag auch der Strafprozess gestrafft werden. Vor allem die Union will verhindern, dass Verteidigungsrechte zur Prozessverschleppung genutzt werden können, ein Dorn im Auge sind CDU/CSU vor allem Befangenheitsanträgen gegen Richter, mit denen Verfahren gezielt sabotiert werden könnten. Auch Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes (DRB), mahnte, Verfahren zu torpedieren und in die Verjährung laufen zu lassen, sei "nicht Aufgabe des Rechtsanwalts".
Zu eben diesem Punkt hat man sich nun in der Koalition geeinigt. Das von SPD-Ministerin Katarina Barley geführte Bundesjustizministerium (BMJV) hat Vorschläge zur Reform der StPO erarbeitet, die in großen Teilen Punkte umfassen, die im Koalitionsvertrag vereinbart waren. In Sachen Beweisanträge stimmte das CDU-geführte Innenministerium nun dem Vorschlag des BMJV zu, wie eine Sprecherin des Ministeriums am Montag gegenüber LTO bestätigte. Am Wochenende hatte bereits der Spiegel darüber berichtet.
Über Beweisanträge ohne Unterbrechung entscheiden
Beweisanträge, auch "missbräuchlich gestellte", sollen künftig ohne Unterbrechung abgelehnt werden können, heißt es in einem BMJV-Papier "Botschaften StPO-Reform". Bis zu zwei Wochen lang soll ein Prozess weitergeführt werden können, auch wenn noch nicht über eine mögliche Befangenheit eines Richters entschieden worden ist. Das hatte der Spiegel zuerst berichtet. Nach Informationen des Magazins müssten auch, falls der Richter abgelehnt wird, alle Prozesstage, die seit dem Befangenheitsantrag vergangen sind, wiederholt werden.
Die weiteren Punkte, die das BMJV bisher ausgearbeitet hat, harren dagegen noch der weiteren Ausarbeitung und Abstimmung. Diese umfassen u. a. auch eine Ausweitung der DNA-Analyse, die dann auch optische Merkmale und das Alter umfassen soll, allerdings alles unter der Zusicherung, "dass die verfassungsmäßigen Grenzen hinsichtlich des Kernbereichsschutzes eingehalten werden".
Im Prozess soll die Interessenvertretung mehrerer Nebenkläger in umfangreichen Verfahren künftig gebündelt werden können, Besetzungsrügen vor oder zu Beginn einer Hauptverhandlung endgültig durch ein Beschwerdegericht beschieden und auf diese Weise der Revision entzogen werden. Daneben will das BMJV auch die Standards für die Vereidigung von Gerichtsdolmetschern vereinheitlichen.
Prozesse sollen nicht wegen Elternzeit platzen
Dem reibungslosen Ablauf von Verfahren sollen auch "harmonisierte Fristen zur Unterbrechung der Hauptverhandlung im Hinblick auf Mutterschutz und Elternzeit" dienen. Sie sollen der Vereinbarkeit von Familie und Beruf gerecht werden, dabei aber verhindern, dass Prozesse platzen.
Bei der Aufarbeitung von Sexualdelikten soll es künftig auch bei allen erwachsenen Opfern möglich sein, eine Videoaufzeichnung der richterlichen Vernehmung in der Hauptverhandlung zu verwenden, um ihnen weitere Traumatisierung zu ersparen und eine angstfreie Aussage zu gewährleisten.
mam/LTO-Redaktion
BMJV plant nächste Änderungen: . In: Legal Tribune Online, 07.05.2019 , https://www.lto.de/persistent/a_id/35221 (abgerufen am: 23.11.2024 )
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