In einem spektakulären Urteil kippte das BVerfG im Jahr 2020 das Verbot der geschäftsmäßigen Sterbehilfe. Bis jetzt fehlt eine neue Regelung. Der Bundestag hat nun kontrovers über verschiedene Gesetzentwürfe diskutiert.
Der Bundestag hat sich am Mittwoch mit dem sensiblen Thema der Sterbehilfe beschäftigt. In einer Orientierungsdebatte diskutierten die Abgeordneten kontrovers, wie eine neue gesetzliche Regelung ausgestaltet sein könnte. Das Parlament stehe vor einer "schweren Entscheidung", sagte der frühere Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU).
Zahlreiche Abgeordnete warnten davor, Suizid zu einer neuen Normalität des Sterbens werden zu lassen. Außerdem forderten sie nahezu einhellig den flächendeckenden Ausbau von Hospiz- und Palliativangeboten, um schwer kranken Menschen ein schmerzfreies und würdevolles Lebensende zu ermöglichen.
Bereits im Februar 2020 hatte das Bundesverfassungsgericht das seit Dezember 2015 bestehende Verbot geschäftsmäßiger Sterbehilfe gekippt und § 217 StGB für nichtig erklärt. "Geschäftsmäßig" bedeutet dabei "auf Wiederholung angelegt". Zur Begründung hatten die Karlsruher Richter angeführt, dass die Strafvorschrift "die Möglichkeiten einer assistierten Selbsttötung faktisch weitgehend entleert". Das allgemeine Persönlichkeitsrecht umfasse als Ausdruck persönlicher Autonomie ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben. Das gelte für jeden Menschen und nicht nur für unheilbar Kranke. Aktive Sterbehilfe, also Tötung auf Verlangen, etwa durch eine Spritze, blieb verboten.
Im Januar 2021 hatten Abgeordnete unterschiedlicher Parteien Entwürfe vorgelegt, um das Recht der Sterbehilfe neu zu regeln. Die drei Vorhaben unterscheiden sich teilweise deutlich. Sie gehen aber alle davon aus, dass Grundlage eines selbstbestimmten Sterbewunschs ein autonom gebildeter, freier Willen ist. Und alle sehen vor, dass sich die Sterbewilligen vorher ärztlich beraten lassen und über Handlungsalternativen aufgeklärt werden. Außerdem müssten ausreichend wohnortnahe Beratungsstellen und Hilfsangebote zur Verfügung stehen.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) brachte einen "Arbeitsentwurf" in die Orientierungsdebatte ein. Seiner Ansicht nach solle die Hilfe zur Selbsttötung mit einem neuen Straftatbestand im Paragraf 217 unter Strafe stehen und die Hürden zur assistierenden Selbsttötung sehr hoch bleiben. Für ihn sei klar: "Es darf unter keinen Umständen einen sanften Druck geben, gesellschaftlich oder auch im privaten Umfeld, Angebote der Sterbehilfe auch annehmen zu sollen". Er plädierte für "einen regulatorischen Rahmen mit klar definierten Ausnahmen, der Ärztinnen und Ärzte eindeutig vor Strafverfolgung schützt, wenn sie Sterbehilfe leisten".
Der CDU-Politiker Ansgar Heveling sagte: "Unsere Verfassung ist ein Grundgesetz für das Leben und nicht für das Sterben. Und das muss sich in der gesamten Rechtsordnung widerspiegeln."
Abgeordnete der SPD sowie der Opposition sprachen sich gegen ein grundsätzliches Verbot jeglicher Sterbehilfe aus. "Wir sollten uns als Gesetzgeber an die Seite der Menschen stellen, die selbstbestimmt sterben möchten. Ein Recht auf selbstbestimmtes Sterben darf es nicht nur auf dem Papier geben", sagte Katrin Helling-Plahr von der FDP.
Die Grünen-Politikerin Renate Künast forderte einen "klaren rechtssicheren Weg" für die Sterbehilfe. Denn: "Sterbehilfe und Beihilfe findet statt. Vereine gehen in Altersheime und beraten über das Recht am Ende des Lebens. Ärztinnen und Ärzte sind damit konfrontiert."
Allerdings müssten Sterbewillige vor Sterbehilfeorganisationen geschützt werden: Helge Lindh von der SPD verlangte, Sterbehilfeorganisationen, "die es gegen Bezahlung machen, aus dem Weg zu räumen". Ziel müsse es sein, legale Wege zum Suizid zu schaffen.
Dagegen sagte der AfD-Abgeordnete Volker Münz: "Der assistierte Suizid darf nicht zu einer staatlich geregelten Art des Sterbens werden. Er darf nicht zu einer Normalität werden." Sein Parteikollege Norbert Kleinwächter warnte: "Je verfügbarer der Tod wird, desto häufiger wird er auch gesucht werden."
Dass der Bundestag bis zur Wahl im September 2021 ein neues Gesetz beschließt, ist indes unwahrscheinlich. Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) hatte sich kurz nach dem Karlsruher Urteil noch zuversichtlich gezeigt. Seitdem ist aber mehr als ein Jahr vergangen und bis zum Ende der Wahlperiode sind nur noch vier Sitzungswochen vorgesehen. "Es ist nicht mein Eindruck, dass wir das in dieser Wahlperiode noch mit einem neuen Gesetz abschließen können", sagt CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Dann müsste sich der nächste Bundestag des Themas von Neuem annehmen.
dpa/fkr/LTO-Redaktion
Bundestag zur geschäftsmäßigen Sterbehilfe: . In: Legal Tribune Online, 22.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44778 (abgerufen am: 07.11.2024 )
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