Mehr als ein Jahr nach dem Freispruch Christian Wulffs könnten die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Hannover gegen das frühere Staatsoberhaupt möglicherweise ein Fall für den niedersächsischen Landesrechnungshof werden. Wegen des immensen Ermittlungsaufwandes, den die Staatsanwaltschaft seinerzeit betrieb, steht der Vorwurf der "Haushaltsuntreue" im Raum.
Anlass für eine möglichen Einschaltung des niedersächsischen Landesrechnungshofes ist die wiederholte Forderung des Bonner Anwalts und früheren Vize-Chefs des Bundespräsidialamtes, Gernot Fritz. Der Senat des Landesrechnungshofes will sich laut Präsident Richard Höptner am Dienstag mit dem Antrag befassen.
"Die exzessiven Ermittlungen stehen in keinem Verhältnis zum Vorwurf der Vorteilsnahme in Höhe von 753 Euro", sagte Fritz der Deutschen Presse-Agentur in Hannover. Obwohl es bei den Ermittlungen "um zeitlich, örtlich und sachlich sehr eng begrenzte Tatvorwürfe ging", habe eine 28-köpfige Ermittlungsgruppe, bestehend aus vier Staatsanwälten und 24 Beamten des Landeskriminalamtes, 14 Monate gegen Wulff ermittelt. Bundesweit und international seien 93 Zeugen befragt und eine Million Daten ausgewertet worden.
Verhältnismäßigkeitsgrundsatz "massiv verletzt"
Dies zeige schon, dass es ein großes Missverhältnis gebe, sagte Fritz. "Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz ist aber ein Kernprinzip des Rechtsstaats. Er wurde von der Staatsanwaltschaft massiv verletzt." Dadurch könnte die Behörde den Straftatbestand der Haushaltsuntreue nach Paragraf 266 Strafgesetzbuch begangen haben. Darauf steht eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren. Fritz betonte, er wolle nicht die generelle Ermittlungsarbeit der Staatsanwaltschaft infrage stellen, nur den betriebenen Aufwand.
"In der Anfrage sind interessante Angaben, das ist keine Frage“, sagte Höptner. Ob der Landesrechnungshof die Ermittlungen deshalb unter die Lupe nehme, könne er aber nicht sagen. "Unsere Prüfungen sind generell darauf ausgelegt, darauf zu schauen, was uns das für die Zukunft bringt. Das ist hier zumindest sehr erörterungsbedürftig."
Fritz hatte bereits im vergangenen Jahr eine Überprüfung gefordert. Damals hatte der Landesrechnungshof erklärt, er halte es "derzeit nicht für geboten", wolle das Anliegen aber weiter im Auge behalten.
Nachdem nun aber gegen den Celler Generalstaatsanwalt Frank Lüttig wegen Geheimnisverrat im Fall Wulff und im Fall Sebastian Edathy ermittelt werde, hält Fritz eine Überprüfung der Ermittlungen durch den Landesrechnungshof für angebracht. Fritz hatte das Lüttig-Verfahren mit seiner Strafanzeige ins Rollen gebracht.
dpa/mbr/LTO-Redaktion
Nachspiel zu Wulff-Ermittlungen : . In: Legal Tribune Online, 06.03.2015 , https://www.lto.de/persistent/a_id/14876 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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