Ärzte sind verpflichtet, sich auf ihrem Fachgebiet regelmäßig fortzubilden und wissenschaftliche Erkenntnisse umzusetzen. Tun sie das nicht, können aus daraus resultierenden Behandlungsfehlern bei Patienten Schmerzensgeldsansprüche entstehen, wie jetzt aus einem vom OLG Koblenz am Mittwoch veröffentlichten Urteil hervorgeht.
Wissenschaftlich gesicherte Erkenntnisse, die in einer führenden Fachzeitschrift veröffentlicht werden, müssen Ärzte zeitnah im Berufsalltag umsetzen. Versäumt der Mediziner diese Pflicht, kann dies zu einem groben Behandlungsfehler führen und einen Schmerzensgeldanspruch des Patienten auslösen (Urt. v. 20.06.2012, Az. 5 U 1450/11).
Im konkreten Fall sprach der 5. Senat des Oberlandesgerichts (OLG) Koblenz einer Patientin nun ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro zu. Die damals 46-Jährige hatte sich im März 2005 in einem Mainzer Krankenhaus einem gynäkologischen Eingriff unterziehen müssen. Vor der Operation hatte sie darauf hingewiesen, dass sie die üblichen Narkosemittel nicht vertrage. Infolge der Narkose litt sie im Anschluss an die Operation drei Tage an heftiger Übelkeit mit Erbrechen. Sie klagte daher gegen das Krankenhaus und den operierenden Arzt auf Schmerzensgeld. Das Landgericht Mainz wies die Klage ab, die Berufung der Klägerin gegen dieses Urteil hatte nun gegenüber dem Krankenhaus in einem Punkt Erfolg.
Grober Behandlungsfehler durch Krankenhaus
Der Senat konnte zwar weder einen Aufklärungsfehler noch einen Behandlungsfehler bei der konkreten Operation feststellen. Die Klage gegen den operierenden Arzt wurde daher auch vom OLG abgewiesen. Die Richter führen in ihrer Entscheidung jedoch aus, die Anästhesie sei nicht mit der erforderlichen Sorgfalt durchgeführt worden, daher hafte das Krankenhaus auf Schmerzensgeld. Wegen der bekannten Überempfindlichkeit gegen die üblichen Narkosemittel hätte der Frau ein weiteres, die Übelkeit minderndes oder gar völlig unterdrückendes Medikament verabreicht werden müssen.
Dass dieser Wirkstoff die Beschwerden lindere, sei mit wissenschaftlich gesicherten Erkenntnissen bereits im Jahre 2004 in einer anerkannten Fachzeitschrift veröffentlicht worden. Dem Anästhesisten hätte daher im März 2005 bekannt sein müssen, dass die Gabe eines dritten Medikaments erforderlich gewesen sei. Die Zeitspanne zwischen Publikation und Operation sei so lang, dass das Versäumnis als grober Behandlungsfehler zu werten sei. Demnach hätte das Krankenhaus nachweisen müssen, dass die Übelkeit auch mit dem Medikament eingetreten wäre. Dieser Nachweis sei nicht erfolgt.
plö/LTO-Redaktion
OLG Koblenz zu Schmerzensgeldansprüchen: . In: Legal Tribune Online, 04.07.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/6533 (abgerufen am: 20.11.2024 )
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