Sozialhilfe für arbeitssuchende EU-Bürger: Auch SG Dort­mund stellt sich gegen BSG-Urteil

27.04.2016

Die BSG-Entscheidung, nach der arbeitssuchenden EU-Bürgern nach sechs Monaten Sozialhilfe zu gewähren ist, stößt auf weiteren Widerstand. Nach dem SG Berlin hat nun auch das SG Dortmund gegenteilig entschieden.

Unionsbürger, die in Deutschland Arbeit suchen, haben nach Ansicht des Sozialgerichts (SG) Dortmund auch dann keinen Anspruch auf Sozialhilfe, wenn sie mindestens sechs Monate Aufenthalt im Land haben. Die gegenteilige höhergerichtliche Entscheidung des Bundessozialgerichts (BSG) erscheine kaum nachvollziehbar, befanden die Richter in Dortmund (Beschl. v. 18.04.2016*, Az. S 32 AS 380/16 ER).

Das SG hatte über die brisante und vielfach diskutierte Frage im einstweiligen Rechtsschutz zu entscheiden. Anders als die höchsten Sozialrichter in Kassel Ende letzten Jahres urteilten, geht das SG davon aus, dass für erwerbsfähige Unionsbürger der Zugang zu Sozialhilfeleistungen gem. § 21 S. 1 und § 23 Abs. 1 S. 3 Zwölftes Sozialgesetzbuch (SGB XII) versperrt sei. Und zwar auch dann, wenn beim Antragsteller ein "verfestigter Aufenthalt" vorliegt, sollte er sich bereits mindestens sechs Monate in Deutschland aufhalten.  Das BSG hatte hier entschieden, dass das Ermessen des Sozialhilfeträgers in diesem Fall auf Null reduziert sei.

Dieser Ansicht wollten die Dortmunder Richter, ebenso wie auch das SG Berlin, nicht folgen. Aus der Rechtsprechung des BSG ergebe sich eine sozialleistungsrechtliche "Achterbahnfahrt", so das SG in seinem Beschluss. Denn hieraus ergebe sich die Situation, dass die betroffenen Personen schon einen Anspruch auf Leistungen der Hilfe zum Lebensunterhalt in den ersten drei Monaten ihres Aufenthalts nach § 23 Abs. 1 S. 1 SGB XII hätten. Denn der Ausschlusstatbestand des § 23 Abs. 3 SGB XII schließe für diesen Zeitraum die Leistungen nur aus, soweit die Einreise erfolgt ist, "um Sozialhilfe zu erlangen".

Für die Folgemonate vier bis sechs hätten die Behörden dann wieder einen Ermessensspielraum hinsichtlich der Gewährung von Leistungen. Ab dem siebten Monat setze dann die Quasi-Bindung nach der Rechtsprechung des BSG ein, wonach den Antragstellern wieder aufgrund der Ermessensreduktion auf Null Sozialhilfe gewährt werden müsse. Dieses Ergebnis erscheine nicht nachvollziehbar, so das SG.

Mit ihrem Beschluss wiesen die Richter in Dortmund den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz einer Bulgarin ab.

una/LTO-Redaktion

*Hier war zunächst vom Jahr 2015 die Rede. Geändert am Tag der Veröffentlichung um 12.59 Uhr.

Zitiervorschlag

Sozialhilfe für arbeitssuchende EU-Bürger: . In: Legal Tribune Online, 27.04.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/19222 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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