Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts: Ein Urteil mit Folgen für den Fall Maddie?

06.08.2020

Kann der Verdächtige im Fall Maddie auf eine baldige Entlassung aus dem Gefängnis hoffen? Ein Urteil des EuGH könnte in der Hinsicht eine entscheidende Rolle spielen, es geht um die Regeln des Europäischen Haftbefehls.

Der Tatverdächtige im Fall Maddie hat bei seinen Bemühungen um eine Freilassung aus dem Gefängnis einen Rückschlag hinnehmen müssen: Der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofes (EuGH), Michal Bobek, kam am Donnerstag in seinen Schlussanträgen zu dem Ergebnis, dass der 43 Jahre alte Deutsche im Dezember 2019 vom Landgericht Braunschweig wegen der Vergewaltigung einer US-Amerikanerin verurteilt werden durfte (Anträge v. 06.08.2020, Az. C-195/20 PPU). Der EuGH ist an die Auffassungen seiner Generalanwälte in deren Schlussanträgen nicht gebunden, er folgt ihnen allerdings recht häufig.

Relevant ist das Verfahren auch wegen möglicher Auswirkungen auf den Fall der vor 13 Jahren verschwundenen Britin Madeleine "Maddie" McCann. Sollte der Mann vom EuGH Recht bekommen, könnte ihm womöglich in Deutschland nicht der Prozess gemacht werden. Er wird inzwischen verdächtigt, die dreijährige Britin 2007 aus einer Ferienanlage an der portugiesischen Algarve entführt zu haben. Die deutschen Ermittler gehen davon aus, dass das Mädchen tot ist. Derzeit sitzt der Verdächtige in Kiel eine Gefängnisstrafe von 21 Monaten wegen Drogenhandels ab.

Konkret geht es in dem EuGH-Verfahren darum, dass der 43-jährige Mann eine Aufhebung des Urteils wegen der Vergewaltigung fordert, weil er ursprünglich auf Grundlage eines Europäischen Haftbefehls für eine andere Straftat an Deutschland ausgeliefert worden war. Er verweist dabei darauf, dass es die EU-Regeln für den Europäischen Haftbefehl verböten, dass jemand dann auch wegen anderer vor der Auslieferung begangener Straftaten belangt wird.

Nach Auffassung Bobeks ist diese Regelung aber für den Fall des Mannes irrelevant, da er Deutschland zwischenzeitlich wieder freiwillig verlassen habe und erst über einen neuerlichen Europäischen Haftbefehl zurück nach Deutschland gekommen sei. Dieser wurde von Behörden in Italien vollstreckt, die ihrerseits auch zugestimmt hätten, dass der Mann wegen der Vergewaltigung verfolgt und verurteilt wird. In einem solchen Fall greifen die Einschränkungen für den ersten Haftbefehl nach Auffassung des Generalanwalts nicht mehr.

Nicht die erste Straftat des 43-Jährigen

Der heute 43-Jährige war ursprünglich 2017 von Portugal an Deutschland übergeben worden, damit er dort wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes belangt werden konnte. Die wegen dieser Tat gegen ihn verhängte Freiheitsstrafe von einem Jahr und drei Monaten verbüßte er laut EuGH-Angaben bis zum 31. August 2018. Danach reiste er aus Deutschland aus und kam erst über den neuerlichen Europäischen Haftbefehl wegen Drogenhandels wieder zurück.

Nach Verbüßung der deswegen verhängten Freiheitsstrafe von 21 Monaten könnte er nach derzeitigem Stand zunächst einmal die Strafe wegen Vergewaltigung der zur Tatzeit 72 Jahre alten Amerikanerin antreten müssen. Die Strafe war unter Einbeziehung früherer Verurteilungen auf sieben Jahre festgesetzt worden. Die Vergewaltigung wurde 2005 in Praia da Luz verübt - dem späteren Entführungsort von Maddie.

Seit kurzem ermittelt die Staatsanwaltschaft Braunschweig wegen Mordverdachts gegen den 43-Jährigen, der sich zwischen 1995 und 2007 regelmäßig an der portugiesischen Küste aufhielt. Eine erste Spur zu ihm hatte es bereits 2013 nach der Ausstrahlung einer ZDF-Sendung "Aktenzeichen XY... ungelöst" gegeben. Die damaligen Informationen reichten aber für Ermittlungen nicht aus. Eine Anklage gibt es aber noch nicht.

Wie stark die Indizien gegen den Mann im Fall Maddie sind, ist unklar. Zuletzt führten Ermittler Ende Juli Grabungen in einem Kleingarten am Stadtrand von Hannover aus. Ob und möglicherweise was bei der zweitägigen Polizeiaktion gefunden wurde, teilte die Staatsanwaltschaft Braunschweig bislang aber nicht mit. 

dpa/vbr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Schlussanträge des EuGH-Generalanwalts: . In: Legal Tribune Online, 06.08.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/42429 (abgerufen am: 24.11.2024 )

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