Liegen die sonstigen Voraussetzungen vor, können auch eingetragene Lebenspartner in die nach dem Gesetzeswortlaut nur für Ehegatten geltende Lohnsteuerklasse III auf der Lohnsteuerkarte vorläufig eingetragen werden. Dies entschieden die Kieler Richter in zwei am Dienstag bekannt gewordenen Beschlüssen.
Nach Ansicht des Finanzgerichts (FG) gilt dies zumindest bis zu einer Klärung der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses eingetragener Lebenspartner von Ehegatten begünstigenden Regelungen im Lohn- und Einkommensteuerrecht (so genanntes Ehegattensplitting) durch das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) (Beschl. v. 09.12. u. 20.12.2011, Az. 5 V 213/11 u. 5 V 223/11). Beim BVerfG sind bereits Verfahren anhängig.
In den entschiedenen Fällen wollte jeweils eine Partnerin einer eingetragenen Lebenspartnerschaft auf ihrer Lohnsteuerkarte für das Jahr 2011 die nach dem Gesetzeswortlaut Ehegatten vorbehaltene günstigere Lohnsteuerklasse III eintragen lassen. Dies hatte das Finanzamt abgelehnt. Dagegen beantragten die betroffenen Frauen vorläufigen Rechtsschutz beim FG.
Der 5. Senat ordnete die vorläufige Eintragung der begehrten Lohnsteuerklasse auf der Lohnsteuerkarte an. Dabei gingen die Richter davon aus, dass ernstliche Zweifel bestehen an der Verfassungsmäßigkeit des Ausschlusses eingetragener Lebenspartner von den Regelungen im Einkommensteuergesetz zur Lohnsteuerklasseneinteilung, die Ehegatten begünstigen. Diese Zweifel ergaben sich nach Auffassung des FG insbesondere aus einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 21. Juli 2010 zur Erbschaftsteuer (Az. 1 BvR 611/07 u. a.).
In dieser Entscheidung war eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung von Ehe und eingetragenen Lebenspartnerschaften angenommen worden. Darüber hinaus begründeten aber auch eine Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 10. Mai 2011 (Rs. C -147/08) sowie diverse in jüngerer Zeit ergangene finanzgerichtliche Entscheidungen Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der bestehenden gesetzlichen Regelung. Angesichts der relativ geringen Anzahl betroffener Fälle stand für das Gericht schließlich das öffentliche Interesse an einer geordneten Haushaltsführung einer vorläufigen Gewährung der günstigeren Lohnsteuerklasse für eingetragene Lebenspartner bis zur abschließenden Klärung durch das BVerfG nicht entgegen.
tko/LTO-Redaktion
Mehr auf LTO.de:
BVerfG: Benachteiligung homosexueller Lebenspartner bei Erbschaftsteuer verfassungswidrig
FG Niedersachsen: Lebenspartner bei Grunderwerbsteuer auch vor 2010 gleichgestellt
Lebenspartner im Steuerrecht: Der lange Weg zur Gleichberechtigung
Schleswig-Holsteinisches FG: . In: Legal Tribune Online, 10.01.2012 , https://www.lto.de/persistent/a_id/5269 (abgerufen am: 05.11.2024 )
Infos zum Zitiervorschlag