Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz: Ände­rung des Gesch­lechts­ein­trags beim Stan­de­samt

09.05.2023

Künftig soll es möglich sein, Geschlechtseintrag und Vorname durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Automatischen Zugang zu geschützten Räumen soll das aber nicht ermöglichen, wie aus dem Entwurf für das SBGG hervorgeht.

Das Bundesministerium der Justiz (BMJ) und das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) haben am Dienstag einen Referentenentwurf für das neue Selbstbestimmungsgesetz (SBGG) veröffentlicht. Transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und nichtbinäre Menschen sollen künftig die Möglichkeit haben, ihren Geschlechtseintrag im Personenstandsregister und ihre Vornamen durch eine Erklärung beim Standesamt ändern zu lassen. Die Vorlage eines ärztlichen Attests oder die Einholung von Gutachten in einem Gerichtsverfahren, wie es das Transsexuellengesetz (TSG) noch vorschreibt, sollen nach dem Entwurf nicht länger erforderlich sein.

§ 2 SBGG-E sieht vor, dass für die Änderung des Geschlechtseintrags künftig kein gerichtliches Verfahren durchlaufen und auch kein Sachverständigengutachten mehr eingeholt werden muss. Ausreichend soll sein, dass die Person eine "Erklärung mit Eigenversicherung" gegenüber dem Standesamt abgibt. In der Erklärung muss die Person versichern, dass die beantragte Änderung ihrer Geschlechtsidentität am besten entspricht und ihr die Tragweite der durch die Erklärung bewirkten Folgen bewusst ist. Die Änderung des Geschlechtseintrags soll dann drei Monate später wirksam werden. 

Auch Minderjährige sollen eine Erklärung zu ihrem Geschlechtseintrag abgeben können. Jugendliche ab 14 Jahren können die Erklärung selbst abgeben, brauchen aber die Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Wird diese Verweigert, kann das Familiengericht die Zustimmung ersetzen, wenn die Änderung des Geschlechtseintrags oder der Vornamen dem Kindeswohl nicht widerspricht. Für unter 14-Jährige wird die Erklärung durch den gesetzlichen Vertreter abgegeben. 

Regelungen gegen Missbrauch

Wer den Geschlechtseintrag oder den Vornamen ändert, muss ein Jahr warten, bevor eine erneute Erklärung abgegeben werden kann. Durch die Sperrfrist soll laut Entwurf verhindert werden, dass die Entscheidung unüberlegt getroffen wird. Personen, die ihren Geschlechtseintrag geändert haben, soll die Eintragung "Elternteil" in der Geburtsurkunde ihrer Kinder ermöglicht werden.

Der Entwurf sieht auch einige Regelungen vor, die Missbrauch vorbeugen sollen. Im Vorfeld waren Bedenken geäußert worden, dass Männer, die ihren Geschlechtseintrag auf weiblich ändern lassen, durch das SBGG Zugang zu geschützten Räume wie Frauensaunas, geschlechtsspezifische Toiletten und Umkleideräume oder Frauenhäuser erhalten könnten. § 6 Abs. 2 SBGG-E stellt klar, dass für den Zugang zu solchen Einrichtungen und Räumen nicht das eingetragene Geschlecht, sondern das Hausrecht maßgeblich ist. Eine bestimmte Behandlung oder Zugang zu geschützten Räumen kann laut Entwurf nicht lediglich unter Berufung auf den Eintrag im Personenstandregister verlangt werden. Zu beachten seien jedoch die Grenzen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG). 

Auch Sportvereine und der Justizvollzug müssen sich laut Entwurf nicht allein am Geschlechtseintrag orientieren. Sportvereine sollen selbst über den Zugang zu Einrichtungen und Veranstaltungen entscheiden können. Im Strafvollzug seien dem Entwurf zufolge die Sicherheitsinteressen und Persönlichkeitsrechte aller Strafgefangenen zu berücksichtigen. Ändert ein bislang männlicher Gefangener seinen Geschlechtseintrag in "weiblich", können also die Interessen der Strafgefangenen einer Verlegung ins Frauengefängnis entgegenstehen. Dies müsse aber im Einzelfall entschieden werden. 

Keine Umgehung im Spannungs- oder Verteidigungsfall

Der Entwurf trifft auch Regelungen zur Geschlechtszuordnung im Spannungs- und Verteidigungsfall. Die Wehrpflicht ist in Deutschland seit 2011 auf den Spannungsfall (Art. 80a Grundgesetz, GG) sowie den Verteidigungsfall (Art. 115a GG) beschränkt, zum Dienst an der Waffe können nur Männer ab 18 Jahren verpflichtet werden. Damit der Dienst an der Waffe nicht durch eine Änderung des Geschlechtseintrags umgangen werden kann, soll die Zuordnung zum männlichen Geschlecht für die Dauer des Spannungs- oder Verteidigungsfalles bestehen bleiben. Eine Änderung des Geschlechteintrags ist für die Einbeziehung zum Dienst an der Waffe auch dann irrelevant, wenn sie innerhalb von zwei Monaten vor dem Spannungs- oder Verteidigungsfall vorgenommen wird.

Bundesjustizminister Marco Buschmann (FDP) sprach am Dienstag von einer überfälligen Besserstellung von Personen, deren Geschlechtsidentität vom Geschlechtseintrag abweicht. "Der Entwurf wahrt Hausrecht und Privat­autonomie - und lässt Raum für sachgerechte Differenzierungen. Ich bin überzeugt: Wir haben damit eine Lösung gefunden, die eine Chance hat auf breite gesellschaftliche Zustimmung", so Buschmann. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Die Grünen) ergänzte: "Mit dem Selbstbestimmungsgesetz führen wir eine einfache und einheitliche Regelung für die Änderung des Geschlechtseintrages ein. So geben wir den Betroffenen einen Teil ihrer Würde zurück, die ihnen von Staats wegen jahrzehntelang vorenthalten wurde."

Der Entwurf wurde am Dienstag an Länder und Verbände verschickt. Diese haben nun Gelegenheit, bis zum 30. Mai 2023 Stellung zu nehmen. Ihr Einverständnis vorausgesetzt, werden die Stellungnahmen laut Information des BMJ ebenfalls auf der Internetseite des BMFSFJ und BMJ veröffentlicht.

acr/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Referentenentwurf zum Selbstbestimmungsgesetz: . In: Legal Tribune Online, 09.05.2023 , https://www.lto.de/persistent/a_id/51723 (abgerufen am: 02.11.2024 )

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