Reaktionen auf Entschädigungs-Entscheidung: Urteil im Fall Gäfgen "nur sehr schwer erträglich"

04.08.2011

Magnus Gäfgen entführte und ermordete den elfjährigen Bankierssohn Jakob von Metzler - aufgrund eines Urteils des LG Frankfurt am Main vom Donnerstag muss ihm das Land Hessen nun eine Entschädigung zahlen, weil die Polizei im Verhör mit Folter gedroht hatte. Das Urteil stößt nicht überall auf Verständnis.

Die höhere Forderung des 36-Jährigen auf mindestens 10.000 Euro Schmerzensgeld und zusätzlichen Schadensersatz wegen der Folterandrohung wies das Landgericht (LG) Frankfurt am Main ab (Urt. v. 04.08.2011, Az. 2-04 O 521/05). Hessens Innenminister Boris Rhein (CDU) nannte das Urteil der Zivilkammer "nur schwer erträglich". Gäfgens Anwalt sah dagegen seine Rechtsauffassung bestätigt. Beide Seiten beraten noch, ob sie in Berufung gehen.

Auch die Gewerkschaft der Polizei (GdP) nannte das Urteil "emotional nur sehr schwer erträglich", es müsse aber unter dem Gesichtspunkt der
Rechtsstaatlichkeit geschluckt werden.

Bei der Opferhilfe-Organisation Weißer Ring stieß das Urteil dagegen auf
Unverständnis: "Es rührt sehr stark an dem Rechtsempfinden der
Menschen."

Die Folterdrohung sei eine schwere Verletzung der Menschenwürde Gäfgens, "die nicht auf andere Weise befriedigend ausgeglichen werden kann", begründete der Vorsitzende Richter Christoph Hefter das Urteil. "Das Verbot der Folter gilt absolut und duldet keine Ausnahme."

Das Gericht stützt seine Entscheidung auch auf das Urteil des
Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR). Dieser hatte die Folterandrohung als "unmenschliche Behandlung eingestuft" und eine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention gerügt.

"3000 Euro sind notwendig, angemessen und ausreichend", betonte Hefter. Es gebe keine Anhaltspunkte dafür, dass die Polizei Gäfgen - wie von diesem behauptet - geschlagen, ihm mit sexueller Gewalt im Gefängnis gedroht oder einen Verteidiger vorenthalten habe. "Der Eingriff dauerte nur
etwa zehn Minuten und hinterließ beim Kläger keine bleibenden
Schäden", begründete der Richter die Höhe der Entschädigung.

cla/LTO_Redaktion

Mehr auf LTO.de:

Nach Folterandrohung zur Kindsrettung: 3.000 Euro Schmerzensgeld für Magnus Gäfgenhttps://www.lto.de/de/html/nachrichten/3937/Gaefgen_lg_frankfurt/

EGMR-Verfahren Gäfgen gegen Deutschland: "Wichtige Rechtsfragen am falschen Sachverhalt aufgehängt"

Zitiervorschlag

Reaktionen auf Entschädigungs-Entscheidung: . In: Legal Tribune Online, 04.08.2011 , https://www.lto.de/persistent/a_id/3945 (abgerufen am: 22.11.2024 )

Infos zum Zitiervorschlag
Jetzt Pushnachrichten aktivieren

Pushverwaltung

Sie haben die Pushnachrichten abonniert.
Durch zusätzliche Filter können Sie Ihr Pushabo einschränken.

Filter öffnen
Rubriken
oder
Rechtsgebiete
Abbestellen