Juli 1995: Serbische Einheiten überrennen die UN-Schutzzone Srebrenica im Osten Bosniens und töten 8.000 Menschen. Es ist der schlimmste Völkermord in Europa nach 1945. Der politische Architekt des Massenmordes ist Radovan Karadzic.
Knapp 21 Jahre nach dem Völkermord von Srebrenica im Osten von Bosnien-Herzegowina ist der politisch Hauptverantwortliche, Ex-Serbenführer Radovan Karadzic, dafür schuldig gesprochen und zu einer Gesamtstrafe von 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Der 70-Jährige sei schuld an tausendfachem Mord, urteilte das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag am Donnerstag.
Der ehemalige Psychiater ist nach Ansicht des Gerichts einer der Hauptschuldigen des Massakers in der damaligen UN-Schutzzone. Serbische Einheiten hatten im Juli 1995 nach der Eroberung der Enklave etwa 8.000 muslimische Männer und Jungen abgeführt und in den umliegenden Wäldern ermordet. Als ehemaliger Präsident der selbsternannten bosnisch-serbischen Republik ist Karadzic auch der ranghöchste Politiker, der jemals wegen des Völkermordes in Srebrenica schuldig gesprochen wurde.
Opfer von Strafmaß entäuscht
Die Richter verurteilten Karadzic auch für schwere Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, darunter Mord, Ausrottung, Deportationen, Terror und Vertreibung. Opfer waren bosnische Muslime und Kroaten. "Er verfolgte gemeinsam mit anderen den Plan, alle Nicht-Serben dauerhaft von bosnischem Gebiet zu vertreiben", erklärte der Vorsitzende Richter O-Gon Kwon.
Der Bosnien-Krieg in den 1990-er Jahren kostete mehr als 100.000 Menschen das Leben. Allein bei der mehr als 44 Monate dauernden Belagerung von Sarajevo wurden mindestens 10.000 Menschen getötet. Die Richter sprachen Karadzic allerdings vom Anklagepunkt des Völkermordes in sieben bosnischen Kommunen frei. Die dort von serbischen Einheiten begangenen Verbrechen waren nach Ansicht der Richter kein Völkermord. Aber "der Angeklagte ist individuell strafrechtlich verantwortlich für Ausrottung, Mord und Terror der Zivilbevölkerung", sagte der südkoreanische Richter.
Mehrere Dutzend Opfer des Krieges hatten vor dem Gericht eine Mahnwache gehalten. Sie waren enttäuscht, dass Karadzic keine lebenslange Haftstrafe bekommen hatte. Auch in Serbien und Bosnien verfolgten viele Menschen die Fernsehübertragung der Urteilsverkündung. Die serbische Regierung berief für Freitag zu dem Urteil eine Sondersitzung in Belgrad ein.
Urteil gegen Mladic im kommenden Jahr
Karadzics frühere Partei SDS kritisierte das Urteil in einer ersten Reaktion. Er hoffe, dass im Berufungsprozess "das Unrecht korrigiert wird", sagte ihr Vorsitzender Mladen Bosic in Sarajevo. "Karadzic wird in die Geschichte eingehen als einer der größten Verbrecher", erwartete dagegen der sozialdemokratische Parteichef Nermin Niksic.
Chefankläger Serge Brammertz äußerte sich zufrieden. "Das Gericht erkannte seine individuelle Schuld an", sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Karadzic wurde erst 2008 nach 13 Jahren auf der Flucht festgenommen. Die acht Jahre, die er seitdem im Gefängnis verbracht hat, werden auf die Strafhaft angerechnet. Karadzic reagierte noch nicht auf das Urteil, das er sichtlich fassungslos entgegen nahm.
Vor dem UN-Tribunal läuft nun noch ein Srebrenica-Prozess. Das Urteil gegen Ex-General Mladic, unter dessen Kommando serbische Einheiten die Enklave überrannt hatten, wird im kommenden Jahr erwartet.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Völkermord in Srebrenica: . In: Legal Tribune Online, 24.03.2016 , https://www.lto.de/persistent/a_id/18900 (abgerufen am: 22.11.2024 )
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