2/2: "Sie hätten den Brexit verhindern können"
Ein Redebeitrag während der Kölner Demonstration am vergangenen Sonntag erinnerte daran, dass gerade die jungen Menschen in großer Zahl von Einrichtungen wie dem Erasmus Programm profitierten. Und dennoch sei es ihre Generation gewesen, die sich in Großbritannien nicht ausreichend an der Abstimmung über den EU-Austritt beteiligt habe. "Sie hätten den Brexit verhindern können", rief eine junge Demonstrationsteilnehmerin sichtlich aufgewühlt ins Mikrofon. "Ihre Zukunft wird hier mitgestaltet", mahnt auch Christophe Kühl, namensgebender Partner der deutsch-französischen Anwaltssozietät Epp & Kühl in Köln, und Organisator der Bewegung in der Domstadt.
Das Brexit-Beispiel zeige, dass die Privilegien der EU als etwas Alltägliches hingenommen würden, obwohl sie derzeit wie nie zuvor bedroht seien. Kühl sieht in der Gleichgültigkeit der schweigenden Mehrheit der Bürger eine große Gefahr für die weiteren Wahlen in Europa.
"Bleibt bei uns, Niederländer" so lautet die aktuelle Kampagne. Die Initiatoren wollen den Zusammenhalt aller 28 Mitgliedstaaten stärken. Aus der Vereinigung Europas resultiere vor allem Frieden, stellen die Leitlinien heraus. Aber die europäischen Grundfreiheiten der Personenfreizügigkeit, des freien Warenverkehrs, freien Zahlungsverkehrs und der Dienstleistungsfreiheit sicherten auch die individuelle Freiheit und den Wohlstand der Bürger der Union.
Das gleiche Demonstrationsprogramm, europaweit eigenständig organisiert
Die Zeit drängt. Nicht nur, weil die Wahlen kurz bevorstehen. Damit die europäischen Errungenschaften Bestand haben können, bedürfe es starker Demokratien in den Mitgliedstaaten. Kühl betont deshalb auch die Notwendigkeit einer schnellen europaweiten Verbreitung.
"Wichtig ist jedoch, dass die Bewegungen im Ausland stets originär aus dem jeweiligen Nationalstaat kommen und nicht von Deutschland aus implementiert werden", betont Kühl. Obwohl auch viele der Initiatoren im Ausland Bekannte der deutschen Organisatoren sind, gebe es daher keine europaweite zentrale Steuerung. Man spreche sich aber ab und behalte den Rahmen der Demonstration an allen Standorten bei.
Jede der Versammlungen findet Sonntagnachmittags um 14 Uhr statt, in Frankreich um 15 Uhr. Während der einstündigen Veranstaltung gibt es Redebeiträge von freiwilligen Demonstrationsteilnehmern sowie eingespielte Musik, in Köln erwartet man demnächst eine Abordnung eines Kölner Orchesters. Den Abschluss der Veranstaltung bildet regelmäßig eine Menschenkette. Sie soll einen von Mal zu Mal faszinierenderen Eindruck bei den Beteiligten und Zuschauern hinterlassen, erklärte das Ehepaar Kühl am vergangenen Sonntag bei der Kölner Demonstration.
Erst sichern, dann reformieren
In Phase eins geht es den Initiatoren von Pulse of Europe erst einmal nur um den Bestandschutz der EU. "Bisher bezieht Pulse of Europe inhaltlich keine Stellung", so Daniel Röder. "Nach dem Ausgang der Wahlen in den Niederlanden werden wir mit dem zentralen Organisationsteam aus Frankfurt in Klausur gehen. Bei einem europafeindlichen Wahlausgang müssen wir unser Programm neu ausrichten und uns weiter auf Frankreich fokussieren. Gehen die Wahlen hingegen europafreundlich aus, können wir uns auch schon hinsichtlich der Reformforderungen Gedanken machen", erläutert der Wirtschaftsanwalt das weitere Vorgehen.
Die EU habe zweifelsohne Schwachstellen und sei kein Selbstzweck, so kann jeder im Leitfaden lesen. Mit dem pro-europäischen Bekenntnis allein wird es also nicht getan sein. Mit seinem Team will Röder vielmehr auch der Kritik und den Verbesserungsvorschlägen eine Stimme geben. "Primär will Pulse of Europe im Moment die stillen Befürworter Europas motivieren. Daneben ist es uns jedoch gerade auch wichtig, auf die zuzugehen, die Bedenken, Ängste oder Wut gegen die europäischen Institutionen hegen".
Sie wollen sich aber einsetzen für europäische Errungenschaften, die sie für nicht verhandelbar halten. Vor allem aber glauben und hoffen sie, einen Großteil der Bevölkerung hinter sich zu haben, der an Europa festhalten will. Diese stille Mehrheit wollen sie mit ihrer Bewegung infizieren, um ein flächendeckendes Pro Europa sichtbar zu machen. "Es ist fünf vor zwölf, um für Europa auf die Straßen zu gehen", appelliert Christophe Kühl. "Die Wahlprognosen zeigen gefährliche Tendenzen. Jetzt können wir ihnen noch ein Zeichen entgegensetzen".
Die Autorin Isabelle Beaucamp ist Absolventin der Deutsch-Französischen Rechtswissenschaften an der Université Paris I Sorbonne und der Universität zu Köln, Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft der Vereinten Nationen NRW sowie Wissenschaftliche Hilfskraft am Institut für Luft- und Weltraumrecht/Lehrstuhl für Völkerrecht, Europarecht, europäisches und internationales Wirtschaftsrecht der Universität zu Köln 2015.
Pia Lorenz, Pulse of Europe: . In: Legal Tribune Online, 18.02.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/22137 (abgerufen am: 19.11.2024 )
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