Der Mord am nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke hatte bundesweit Entsetzen ausgelöst. Nun steht der mutmaßliche Mörder vor Gericht. Auch die Begleitumstände des Prozesses sind äußerst ungewöhnlich.
Rund ein Jahr nach dem Mord am nordhessischen Regierungspräsidenten Walter Lübcke hat der Prozess gegen den mutmaßlichen Täter begonnen. Das twitterte das Frankfurter Oberlandesgericht (OLG) am Dienstagvormittag. Journalisten können wegen der verhängten Auflagen nicht live aus dem Gerichtssaal berichten.
Angeklagt wegen Mordes ist der 46 Jahre alte Stephan E. Er soll den CDU-Politiker vor einem Jahr auf dessen Terrasse in Nordhessen erschossen haben, weil dieser sich für Flüchtlinge eingesetzt hatte. Die Bundesanwaltschaft sieht bei E. eine "von Rassismus und Fremdenfeindlichkeit getragene völkisch-nationalistische Grundhaltung" als Motiv.
Nach seiner Festnahme legte der 46-Jährige ein Geständnis ab, dass er aber später widerrief. Mitangeklagt wegen Beihilfe zum Mord ist der 44 Jahre alte Markus H. Er soll unter anderem den Kauf der späteren Tatwaffe eingefädelt haben. E. wird zudem ein Angriff auf einen irakischen Asylbewerber im Januar 2016 vorgeworfen. Das Opfer wurde bei einem Messerangriff von hinten erheblich verletzt.
Lübcke hatte als Regierungspräsident eine Art Mittelbehörde zwischen dem Land und den Kommunen geleitet. Ausgangspunkt für den späteren Mord soll eine Bürgerversammlung im nordhessischen Lohfelden 2015 gewesen sein, bei der E. anwesend war. Lübcke verteidigte dabei die Aufnahme von Flüchtlingen. Auf Schmährufe aus dem Publikum rief er: "Da muss man für Werte eintreten, und wer diese Werte nicht vertritt, der kann jederzeit dieses Land verlassen, wenn er nicht einverstanden ist, das ist die Freiheit eines jeden Deutschen." Dieser Satz verbreitete sich im Internet und machte Lübcke zur Hassfigur von Rechten.
Wegen Corona nur begrenzte Zuschauerzahl
Die Ehefrau und zwei Söhne des Ermordeten nehmen als Nebenkläger an dem Prozess teil. Der Sprecher der Familie, Dirk Metz, sagte vor Beginn der Verhandlung, dass die Witwe und die beiden Söhne von Lübcke einvernehmlich beschlossen hätten, zum Prozessauftakt zu kommen. "Die Familie hat das natürlich abgewogen, weil sie ja weiß, dass das für sie mit schwersten emotionalen Belastungen verbunden ist", sagte der Sprecher. Es sei den drei Hinterbliebenen aber auch darum gegangen, ein "klares Signal der Verbundenheit" zu ihrem Ehemann und Vater wie auch ein Signal gegen Hass und Gewalt zu setzen.
Der Prozessauftakt vor dem Staatsschutzsenat findet unter hohen Sicherheitsvorkehrungen statt. Zudem ist die Zahl der Zuschauer wegen der Corona-Pandemie stark begrenzt. Bereits Stunden vor Beginn der Verhandlung bildeten sich lange Warteschlangen. Zum Teil verbrachten Medienvertreter die gesamte Nacht vor dem Gerichtsgebäude, um einen Platz im Gerichtssaal zu bekommen. Das Gericht hatte es aus Sicherheitsgründen abgelehnt, einen größeren Verhandlungssaal außerhalb des Oberlandesgerichts zu suchen. Für die Berichterstattung ließen sich mehr als 200 Journalisten von 70 in- und ausländischen Medien beim Oberlandesgericht akkreditieren.
Es gelten im Zuschauersaal und auf der Pressetribüne eineinhalb Meter Mindestabstand, das Tragen von Mund-Nase-Bedeckungen ist vorgeschrieben. Während auf der Pressetribüne normalerweise Platz für 60 Medienvertreter ist, können unter den Corona-Bedingungen nur 19 Journalisten dort Platz finden. Für 41 weitere gibt es eine Tonübertragung in einen Saal nebenan. Im Zuschauerraum finden 18 Besucher Platz.
Der Prozessauftakt wird von Kundgebungen begleitet. Unter anderem zeigte sich die nordhessische Initiative "Offen für Vielfalt" vor dem Gerichtsgebäude. "Demokratische Werte sind unsterblich" stand auf einem großen Transparent, das auf einem Fahrzeug angebracht war.
dpa/acr/LTO-Redaktion
Hohe Sicherheitsvorkehrungen am OLG Frankfurt: . In: Legal Tribune Online, 16.06.2020 , https://www.lto.de/persistent/a_id/41912 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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