Deutschland ist laut "Reporter ohne Grenzen" nicht mehr Teil der weltweiten Spitzengruppe im Bereich Pressefreiheit. Die Gewalt gegen Journalisten habe hierzulande zugenommen - vor allem auf Demonstrationen.
In einer heute veröffentlichten Rangliste von Reporter ohne Grenzen (RSF) ist Deutschland in puncto Pressefreiheit auf Platz 13 weltweit abgerutscht (2020: Platz 11). Damit fällt Deutschland zum ersten Mal überhaupt aus der Spitzengruppe heraus. "Aufgrund der vielen Übergriffe auf Corona-Demonstrationen mussten wir die Lage der Pressefreiheit in Deutschland von 'gut' auf nur noch 'zufriedenstellend' herabstufen. Ein deutliches Alarmsignal", so die Organisation in einer Erklärung.
Im Vergleich zum Vorjahr habe sich die Zahl der gewalttätigen Angriffe auf Journalisten von 13 auf 65 verfünffacht. Etwa drei Viertel der Angriffe ereigneten sich dabei im Rahmen von Versammlungen. Inbesondere bei Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen seien Journalisten laut RSF bedrängt, bedroht und massiv an der Ausübung ihrer Tätigkeit gehindert worden. Zu nennen seien aber auch Demonstrationen des politisch linken Spektrums, so etwa eine Demonstration gegen das Verbot der linken Internetplattform "linksunten.indymedia.org" oder Proteste gegen die Räumung eines von Linksautonomen besetzten Haus in Berlin. Dabei ginge die Gewalt gegen Journalisten sowohl von Demonstrierenden als auch von der Polizei aus, so RSF.
Lambrecht: "Wer 'Lügenpresse' brüllt, bereitet einem Klima der Gewalt den Boden."
Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) reagierte mit Sorge auf die Herabstufung in der Rangliste. Die demokratische Gesellschaft dürfe die Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten vor allem bei Protesten von Corona-Leugnern keinesfalls hinnehmen, so Lambrecht. Die Ministerin weiter: "Wer 'Lügenpresse' brüllt oder von 'Systemmedien' fabuliert, bereitet einem Klima der Gewalt den Boden." Auch RSF spricht von einem Misstrauen gegen Medien im Rahmen der "Querdenker"-Demonstrationen, welches oftmals in extrem pressefeindliche Stimmung und gewalttätige Übergriffe mündete.
Daneben äußerte sich auch der Deutsche Journalistenverband (DJV) und sprach von einem "Alarmsignal, das Politik und Gesellschaft aufhorchen lassen muss". Deutschland habe ein "massives Problem", so DJV-Bundesvorsitzender Frank Überall, wenn das Grundrecht der Presse- und Meinungsfreiheit immer weiter eingeschränkt würde. Auch der medienpolitischen Sprecher der FDP im Bundestag, Thomas Hacker, forderte die Reaktion des Rechtsstaats "sofort mit aller Entschiedenheit." Das Abschneiden Deutschlands sei "so beschämend wie alarmierend".
Der Geschäftsführer von RSF, Christian Mihr, kritisierte unterdessen das nicht immer angemessene polizeiliche Handeln gegenüber Journalistinnen und Journalisten. In der polizeilichen Aus- und Weiterbildung müssten daher Polizistinnen und Polizisten die Rechte von Journalisten im Rahmen von Berichterstattung besser vermittelt werden.
Positiv bewertete Mihr indes die weitere Festigung der "Recht auf Vergessen"-Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG). Hiernach hätten Presse und Allgemeinheit ein grundsätzliches Interesse an der "fortgesetzten Verfügbarkeit" inhaltlich nicht veränderter Artikel in Online-Archiven. Auch der Prozess wegen Staatsfolter vor dem Oberlandesgericht Koblenz sei für Medienschaffende ein wichtiges Signal gewesen. Hier hatten syrischen Journalisten nach einem Beschluss des BVerfG das Verfahren auf Arabisch verfolgen können.
dpa/jb/LTO-Redaktion
Neue Rangliste von Reporter ohne Grenzen: . In: Legal Tribune Online, 20.04.2021 , https://www.lto.de/persistent/a_id/44766 (abgerufen am: 13.11.2024 )
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