Prozess wegen Terrorverdachts in der Türkei: Steudtner aus U-Haft ent­lassen

26.10.2017

Der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner kommt nach mehr als drei Monaten U-Haft in der Türkei frei, die Bundesregierung reagiert erfreut. Der Prozess gegen die Menschenrechtler in der Türkei wird dennoch fortgesetzt.

Nach mehr als drei Monaten in Untersuchungshaft (U-Haft) in der Türkei sind der deutsche Menschenrechtler Peter Steudtner und sein schwedischer Kollege Ali Gharavi wieder in Freiheit. Nach seiner Entlassung aus dem Hochsicherheitsgefängnis in Silivri westlich von Istanbul sagte Steudtner vor Journalisten: "Wir sind allen sehr dankbar, die uns rechtlich, diplomatisch und mit Solidarität unterstützt haben." Der Anwalt von Steudtner und Gharavi, Murat Boduroglu, sagte der Deutschen Presse-Agentur, seine Mandanten würden voraussichtlich am Nachmittag oder am Abend nach Berlin fliegen.

Ein Gericht in Istanbul hatte in der Nacht zum Donnerstag die Freilassung Steudtners und Gharavis ohne Auflagen beschlossen. Auch die mitangeklagten türkischen Menschenrechtler, die in Untersuchungshaft waren, wurden bis zu einem Urteil in dem Verfahren auf freien Fuß gesetzt, teilweise aber unter Auflagen. Eine Ausnahme stellt der ebenfalls angeklagte Amnesty-Vorsitzende der Türkei, Taner Kilic, dar. Er ist noch wegen eines anderen Verfahrens in Untersuchungshaft, das am Donnerstag in Izmir beginnen soll.

Verfahren wird im November fortgesetzt

Steudtner, Gharavi und neun weiteren Angeklagten wird "Mitgliedschaft in einer bewaffneten Terrororganisation" beziehungsweise "Unterstützung von bewaffneten Terrororganisationen" vorgeworfen, worauf bis zu 15 Jahre Haft stehen. Noch im August hatte das Elfte Istanbuler Strafgericht den einen Einspruch gegen die U-Haft abgelehnt. Das Verfahren wird am 22. November fortgesetzt. Für Steudtner und Gharavi dürfte das nach ihrer Ausreise aus der Türkei aber keine Auswirkungen mehr haben.

Die Bundesregierung begrüßte die Entlassung Steudtners, nach dessen international höchst umstrittener Festnahme sie im Juli ihre Türkei-Politik neu ausgerichtet hatte. Außenminister Sigmar Gabriel sprach von einem "ermutigenden Signal", zugleich jedoch von einem "ersten Schritt".

Steudtners Lebensgefährtin Magdalena Freudenschuss und Gharavis Ehefrau Laressa Dickey zeigten sich "tief erleichtert" über das Ende der U-Haft für die Menschenrechtler. In einer Mitteilung kritisierten Freudenschuss und Dickey allerdings zugleich, dass der Prozess wegen Terrorvorwürfen fortgesetzt wird. "Die weitere Fortführung des Verfahrens ist für uns nicht nachvollziehbar." Steudtner sagte mit Blick auf das Verfahren: "Wir wissen, dass es weitergeht. Aber wir machen das zusammen."

Auch türkische Menschenrechtler aus U-Haft entlassen

Anwalt Boduroglu sagte, Steudtner, Gharavi und dessen Ehefrau Dickey, die in die Türkei gereist sei, seien bei Bekannten in Istanbul untergebracht. Sie seien "sehr froh und sehr erleichtert" und ruhten sich aus. Auch die türkischen Menschenrechtler seien inzwischen aus der U-Haft entlassen worden. Boduroglu sagte: "Wir haben alle Inhaftierten mit drei Bussen vom Hochsicherheitsgefängnis Silivri abgeholt und nach Istanbul gebracht."

Der deutsche Menschenrechtler hatte zum Prozessauftakt am Mittwoch die gegen ihn erhobenen Terrorvorwürfe zurückgewiesen und seine Entlassung aus der Untersuchungshaft gefordert. Steudtner, Gharavi und acht türkische Menschenrechtler waren am 5. Juli bei einem Workshop auf einer Insel bei Istanbul unter Terrorverdacht festgenommen worden. Die beiden Ausländer waren als Referenten zu dem Seminar eingeladen gewesen, bei dem es laut Amnesty International um digitale Sicherheit und die Bewältigung von Stresssituationen ging.

Am 18. Juli ebnete ein Gericht in Istanbul daraufhin den Weg für die U-Haft gegen Steudtner und Gharavi und mehrere andere Beschuldigte. Kilic war bereits im Juni im westtürkischen Izmir in U-Haft genommen worden, sein Fall wurde der Anklageschrift überraschend hinzugefügt.

dpa/mgö/LTO-Redaktion

Zitiervorschlag

Prozess wegen Terrorverdachts in der Türkei: . In: Legal Tribune Online, 26.10.2017 , https://www.lto.de/persistent/a_id/25235 (abgerufen am: 20.11.2024 )

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