Zwischen einigen Bundesländern und dem Bundesjustizminister gibt es Zoff wegen der im Koalitionsvertrag zugesagten Neuauflage des Bund-Länder-Rechtsstaatspakts zur Stärkung der Justiz. Am 16. September kommt es nun zum Krisengipfel.
"Wir verstetigen mit den Ländern den Pakt für den Rechtsstaat und erweitern ihn um einen Digitalpakt für die Justiz". So lautet das Versprechen der Ampelpartner im rot-grün-gelben Koalitionsvertrag. Nur: Wie diese "Verstetigung" konkret ausfallen soll, in welcher Höhe etwa der Bund den Ländern bei der Finanzierung entgegenkommen soll – darüber herrscht heftiger Streit zwischen einigen Ländern und dem Bund bzw. dem zuständigen Minister im Bundesjustizministerium (BMJ), Marco Buschmann (FDP).
Im Juni hatten sich die Länder untereinander auf ihrer Frühjahrs-Justizministerkonferenz nach längerem Ringen auf eine Kompromiss-Botschaft an das BMJ verständigt: "Personalverstärkungen nachhaltig fortsetzen und Digitalisierung der Justiz vorantreiben – Pakt für den Rechtsstaat 2.0". Die Bundesregierung wurde aufgefordert, zeitnah in Verhandlungen mit den Ländern "über eine Verlängerung und Intensivierung des finanziellen Engagements des Bundes" einzutreten.
Offenbar fehlte es dem BMJ an konkreten Vorschlägen in Sachen Digitalisierung aus den Ländern. Ein Sprecher des Bundesministeriums teilte Ende Mai auf Anfrage von LTO mit: "Auch hierzu steht das Bundesministerium der Justiz im Austausch mit den Ländern, die dazu aufgerufen sind, anhand konkreter Projektvorschläge aufzuzeigen, wie digitale Potenziale in der Justiz nutzbar gemacht werden können."
Bundesjustizminister in der Kritik
Doch viel ist seither offenbar nicht passiert. Nun gerät Bundesjustizminister Marco Buschmann bei einigen Bundesländern immer stärker in die Kritik. Laut Deutschem Richterbund (DRB) wächst über alle Parteigrenzen hinweg der Ärger über den FDP-Minister, "weil er ein Dreivierteljahr nach Amtsantritt noch immer keine Vorschläge gemacht habe, wie die Ampel-Regierung die versprochene Neuauflage des Bund-Länder-Rechtsstaatspakts zur Stärkung der Justiz umsetzen will".
In der am 5. September erscheinenden, vom DRB herausgegeben Deutschen Richterzeitung verschaffen Bayerns Justizminister Georg Eisenreich (CSU) und seine Hamburger Amtskollegin Anna Gallina (Grüne) nun ihrem Ärger Luft.
Es entstehe der Eindruck, dass die Bundesregierung ihrer Mitverantwortung für die Finanzierung eines funktionierenden Rechtsstaats nicht nachkommen wolle, kritisieren die Senatorin und der Minister. Alle Gesprächsanfragen, öffentlichen Mahnungen und gemeinsamen Appelle der Länder seien bislang ohne belastbare Antwort Buschmanns geblieben. Der Bundesjustizminister müsse endlich substanzielle Vorschläge für die Umsetzung des Koalitionsvertrags vorlegen und einen Fahrplan nennen. "Entscheidend ist, dass noch in diesem Jahr konkrete Verhandlungen zwischen Bund und Ländern folgen und die Ampel-Regierung ihr Versprechen einer Zusammenarbeit zur Stärkung der Justiz einlöst", fordern sie.
BMJ: Mediale Einlassungen vorweg "wenig zielführend"
Ein BMJ-Sprecher wies gegenüber LTO die Attacken aus Bayern und Hamburg zurück:
Das Ministerium stehe in einem kontinuierlichen Austausch mit den Ländern und weiteren Beteiligten, wie eine Verstetigung des Paktes für den Rechtsstaat aussehen könne. "Es hat hierzu auch bereits viele Gespräche in zahlreichen Formaten mit den Ländern gegeben. Die Amtschefinnen und Amtschefs der Länder haben sich auf dem außerordentlichen E-Justice-Rat Ende Juli zu ihren Wünschen und Prioritäten ausgetauscht und diese dem BMJ auch übermittelt. Die Vorschläge der Länder prüfen wir nun. In den nächsten Wochen wird es dazu weitere Gespräche geben, um dieses Thema gemeinsam schnellstmöglich voranzutreiben", so der Sprecher. Weiter erklärte er: "Wir halten es grundsätzlich für wenig zielführend, solchen Gesprächen durch mediale Einlassungen vorwegzugreifen."
Den Vorwurf der Länder, dass der Bund sie nicht hinreichend unterstütze, kann das BMJ nicht nachvollziehen: "Auch wenn das Grundgesetz die Verantwortung für die Organisation und Verwaltung der Justiz grundsätzlich den Ländern auferlegt, ist der Bund selbstverständlich den Ländern ein verlässlicher Partner." Dies zeige sich beispielsweise auch daran, dass der Bund die Auswirkungen seiner Gesetze auf die Länder in besonderer Weise beachte. Außerdem würde die geplante Reform der Ersatzfreiheitsstrafe für die Länder spürbare finanzielle Entlastungen in einem höheren zweistelligen Millionenbereich bedeuten, so der Ministeriums-Sprecher.
Neben finanziellen Mitteln komme es aus Sicht des BMJ besonders auf relevante Pilot-Projekte und die Entwicklung gemeinsamer Standards statt rein regionaler Lösungen an. "Hier braucht es kreative Konzepte, die ineinandergreifen und Synergien heben. Wir werden den Ländern bei der Stärkung der Justizsysteme zur Seite stehen und mit ihnen gemeinsam an zukunftsgerichteten Maßnahmen arbeiten, gerade bei den Innovationen und Digitalthemen."
Krisentreffen am 16.September in Berlin
Um den Streit beizulegen, kommt es nun am 16. September in Berlin zum Krisentreffen, an dem neben Buschmann, Eisenreich als Vorsitzender der Justizministerkonferenz, Gallina als Sprecherin der von Grünen, SPD, FDP und Linken geführten Ministerien (A-Seite) auch Niedersachsens Justizministerin Barbara Havliza (CDU) als Sprecherin der unionsgeführten Ministerien (B-Seite) teilnehmen wird.
Es sei ein Anfang, "dass der Bundesjustizminister nun zu einem Gespräch auf politischer Leitungsebene bereit ist", so Eisenreich und Gallina in der der Richterzeitung. In dieser ermahnen sie den Bundesjustizminister, die nötigen Mittel auf den Weg zu bringen: "Die Justiz muss ihre Aufgaben erfüllen können, um das Vertrauen in den Rechtsstaat zu sichern". Auch die Digitalisierung der Rechtspflege sei "kostspielig, wenn man sie richtig umsetzen und die Chancen nutzen will".
Streit um Pakt für den Rechtsstaat: . In: Legal Tribune Online, 30.08.2022 , https://www.lto.de/persistent/a_id/49477 (abgerufen am: 21.11.2024 )
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